Wie merkt man, ob man psychische Probleme hat?

Spätestens seit der aktuellen Covid-19-Pandemie verstehen viele besser, dass Menschen oft ohne ihr aktives Zutun in schwere Krisen geraten können. Psychische Erkrankungen werden leider noch immer stigmatisiert, denn meistens sind sie für Aussenstehende nicht sichtbar und damit weniger nachvollziehbar. Die Gesellschaft sieht sich zunehmend konfrontiert mit psychischen Erkrankungen. Viele Menschen kennen Überforderung und Stress aus ihrem eigenen Umfeld.

Ursachen und Entstehung psychischer Probleme

Die aktuelle Corona-Krise verstärkt die Ursachen für eine psychische Erkrankung. Die Ursachen für eine psychische Erkrankung sind sehr vielfältig, angefangen von einer erhöhten Belastungssituation am Arbeitsplatz, zu Hause in der Familie oder Partnerschaft bis hin zu traumatischen Erlebnissen. Ganz allgemein kann man sagen, dass biologische, psychologische und soziale Faktoren zusammenspielen. In der Regel gibt es nie nur eine einzige Ursache. Manche Menschen sind verletzbarer und weniger widerstandsfähig als andere. Sie reagieren empfindlicher auf Stressfaktoren. Andere wiederum haben traumatisierende Situationen in der Kindheit erlebt, z.B. Missbrauch, Krieg und Flucht. Stress spielt dabei jedoch fast immer eine Rolle, wie Paula Kunze weiss: «Überforderung am Arbeitsplatz kann genauso Stress auslösen wie der Verlust eines geliebten Menschen. Was genau jemanden belastet, ob überhaupt und wenn ja, wie stark, ist individuell sehr verschieden. Auch körperliche Erkrankungen können psychiatrische Symptome verursachen, beispielsweise Kopfverletzungen, Infektionen oder Vergiftungen.

Die allermeisten psychischen Störungen entwickeln sich schleichend. Es kann aber auch vorkommen, dass sich eine Störung in kurzer Zeit deutlich verschlimmert. Generell kann man jedoch sagen, dass sich durch eine akute psychische Störung oftmals Gewohnheiten plötzlich verändern: Der Tag-Nacht-Rhythmus kommt durcheinander, der Appetit verändert sich, man schläft nicht mehr richtig, zieht sich aus dem sozialen Umfeld zurück. Manchmal sind auch Wesensveränderungen sicht- und spürbar oder man verliert einfach die Freude.

Symptome und Anzeichen psychischer Probleme

Die Anzeichen eines psychischen Problems sind nicht immer klar. Sie haben das Gefühl, dass es Ihnen nicht gut geht, wissen aber nicht wieso? Hier finden Sie eine Liste der Zeichen, die darauf hinweisen können, dass Sie sich in einer psychisch schwierigen Lage befinden. Es ist wichtig, diese Zeichen ernst zu nehmen und bei Bedarf Hilfe zu suchen. Solche Gefühle können bloss vorübergehend, aber auch Vorboten einer grösseren Krise sein.

Eine besondere Aufmerksamkeit ist erst dann angezeigt, wenn auffällige oder problematische Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum anhalten, also über mehrere Tage, Wochen oder Monate.Dies können unter anderem folgende Symptome sein:

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  • Wutausbrüche/Aggressivität
  • Gewalttätiges Verhalten
  • Impulsivität
  • Reizbarkeit
  • Hyperaktivität
  • Leistungsabnahme oder -verweigerung
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Ängste
  • Anhaltende Traurigkeit
  • Schlafstörungen
  • Albträume
  • Rückzug aus dem Sozialleben
  • Physische Beschwerden wie z. B. Bauchschmerzen oder Übelkeit

Im Alltagsgeschehen äussern sich solche Symptome häufig in Konflikten mit Mitmenschen, in einem auffälligen Ess- und Trinkverhalten, im häufigen Erzählen von Ungereimtheiten oder einem Widerwillen, zur Schule zu gehen.

Weitere Anzeichen können sein:

  • Sind Ihre Gefühle in letzter Zeit heftiger geworden? Zum Beispiel: Sind Sie manchmal sehr traurig oder sehr fröhlich? Wechseln Ihre Gefühle sehr schnell?
  • Schlafen Sie schlecht und wenig?
  • Wie ist es in der Schule, im Studium, in der Ausbildung oder im Beruf: Haben Sie weniger Lust zum Arbeiten oder Lernen? Können Sie nicht mehr so gut arbeiten?
  • Treffen Sie Freunde oder Familie nicht mehr so oft?
  • Haben Sie in letzter Zeit das Gefühl, dass andere Menschen Sie nicht verstehen?
  • Fühlen Sie sich nicht mehr wohl mit sich selbst?

Wenn Sie mehrere dieser Fragen mit «Ja» beantwortet haben, dann stecken Sie vielleicht in einer psychischen Krise oder haben eine psychische Erkrankung. Am besten sprechen Sie mit einer Person darüber, der Sie vertrauen.

Wann braucht es professionelle Behandlung?

Professionelle Behandlung ist dann notwendig, wenn der Betroffene selbst merkt, dass er aus seinem leidvollen Zustand nicht mehr herauskommt. Da dies jedoch meist ein schleichender Prozess ist, kann es sein, dass man die eigene Situation nicht korrekt erkennt. Mögliche Anzeichen dafür, dass die eigene Psyche nicht mehr im Gleichgewicht ist, können sein, dass man sich schon über Kleinigkeiten masslos aufregt oder beim kleinsten Missgeschick die Fassung verliert.

Sobald die eigenen Ressourcen nicht mehr funktionieren oder abrufbar sind, sollten Sie eine Fachperson konsultieren. Suchen Sie zudem professionelle Hilfe auf, wenn sich Ihr depressiver Zustand über mehrere Wochen nicht verändert, sich vielleicht sogar verschlechtert. Mit Depressionen verhält es sich ähnlich wie bei körperlichen Beschwerden, die erst sehr spät oder gar nicht behandelt werden. Die Symptome können sich zunehmend verschlimmern. Es wird immer schwerer, sich zu überwinden und helfen zu lassen. Je früher man sich beraten bzw. behandeln lässt, desto besser stehen die Chancen auf eine rasche und vollständige Genesung.

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Psychiatrischer Notfall - Was tun?

Ist es Betroffenen selbst nicht möglich, ihre eigene Situation richtig einzuschätzen und Hilfe in Anspruch zu nehmen, sollte das Umfeld reagieren. «Es ist schwierig, einen psychiatrischen Notfall in ‹normale oder alltagsübliche› Worte zu fassen», sagt Paula Kunze. «Wir haben ein ganzes Buch mit eigenen Fachbegriffen, um solche Zustände zu beschreiben. Aber ich kann versichern, dass man einen psychiatrischen Notfall erkennt, wenn er da ist. Meist umschreiben Angehörige die betroffene Person als ‹komisch› oder ‹seltsam verändert› - und genau das ist meist auch der Fall. Wichtig ist, in einer solchen Situation besonnen zu handeln.

Paula Kunze betont: «Ob als Angehöriger oder als Passant gilt es, Ruhe zu bewahren, die Person ruhig anzusprechen und sie erzählen zu lassen, wie es ihr geht. Manchmal reagieren Betroffene nicht oder kaum oder sprechen zusammenhanglos, sodass man ihnen inhaltlich nicht folgen kann. Auch dann gilt es, bei ihnen zu bleiben, bis professionelle Hilfe da ist. Man sollte die Person auf jeden Fall ernst nehmen und nach Möglichkeit versuchen, sie zu beruhigen und ihr Hoffnung zu vermitteln, dass Hilfe unterwegs ist. Reagiert eine Person aggressiv, muss man unbedingt auch auf die eigene Sicherheit achten, da sich diese Person in einem absoluten Ausnahmezustand befindet.

Wann handelt es sich um einen psychiatrischen Notfall?

  • Psychische Störung tritt akut auf oder verschlimmert sich drastisch
  • Es besteht eine unmittelbare Gefährdung von Leib und Leben des Betroffenen oder des Umfeldes

Was tun in einem Notfall?

  • Die Person hat das Bewusstsein verloren, ist benommen, verwirrt, nicht mehr ansprechbar oder hat sich lebensbedrohliche Verletzungen zugefügt: Rufen Sie die Sanität 144.
  • Die Person leidet unter Suizidgedanken und kann sich nicht mehr von diesen distanzieren oder steht unmittelbar davor sie in die Tat umzusetzen: Wenden Sie sich an einen Notfallpsychiater, die Sanität 144, eine psychiatrische Kriseninterventionsstelle im Kanton oder eine Suizidberatungsstelle.
  • Die Person bedroht andere Menschen und ist nicht mehr kontrollierbar: Lassen Sie die betroffene Person nicht alleine bis professionelle Hilfe eintrifft. Nehmen Sie sie ernst in ihren Gefühlen und Wahrnehmungen.

Sind Sie unsicher, können Sie sich jederzeit mit einer psychiatrischen Klinik oder einer anderen Notfallnummer in Kontakt setzen und sich beraten lassen.

Behandlung und Hilfe

Ein psychisches Problem, sei es vorübergehend oder längerfristig, kann behandelt werden; es ist möglich, wieder gesund zu werden und eine gute Lebensqualität zu haben. Dazu ist es wichtig, nicht zu warten, um Hilfe zu suchen und geeignete Lösungen zu finden. Hilfe zu suchen ist nicht immer leicht. Es lohnt sich aber auf jeden Fall! Nur so lassen sich Lösungen finden, an die man selbst nicht gedacht hätte.

Wenn sich eine psychische Krise anbahnt, ist es gut, sich diese so früh wie möglich einzugestehen und sich nicht zu schämen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn ein Stimmungstief kein Ende zu nehmen scheint, können eine rechtzeitige Diagnose (z.B. einer Depression) und Therapie massive Folgen eindämmen.

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Es gibt Situationen, in denen das eigene psychische Leid oder das einer nahestehenden Person dermassen gross ist, dass man rasch handeln muss. Dann ist die Situation ein Notfall. Man sollte sich an eine Fachstelle wenden, die rasch Unterstützung anbieten kann.

Die aktive Ansprache der oder des Betroffenen durch Angehörige kann helfen, psychische Belastungen frühzeitig zu erkennen. Vermuten Sie, dass Sie an einer Depression erkrankt sind? Das Berner Bündnis gegen Depression hat einen Selbsttest entwickelt.

Wie man die eigene psychische Gesundheit pflegt

Ja, auf jeden Fall! Es ist wichtig, die eigene psychische Gesundheit zu pflegen. Stärken Sie deshalb Ihre Abwehrkräfte, achten Sie auf Ihre Work-Life-Balance und setzen Sie Ihre Ressourcen optimal ein. Dadurch beugen Sie Krankheiten und Depressionen vor. Bleiben Sie sozial aktiv und pflegen Sie Kontakte zu Menschen, die Ihnen guttun. Die Neugierde und das Dazulernen von Neuem halten Sie geistig frisch. Leben Sie Ihre Kreativität aus und bewegen Sie sich regelmässig. Genauso nötig ist die Entspannung: Lassen Sie zwischendurch einfach einmal die Seele baumeln.

Die Expertinnen und Experten der AXA und von Pro Mente Sana raten Ihnen Folgendes: Ignorieren Sie die Anzeichen einer psychischen Belastung nicht. Reden Sie darüber und lassen Sie sich rasch helfen.

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