Verlustangst bei Kindern im Alter von 9 Jahren: Ursachen und Therapie

Jedes zehnte Kind erlebt in seiner Entwicklung eine behandlungsbedürftige Angst. Angst ist die häufigste Störung im Kindes- und Jugendalter.

In der Psychologie wird Angst als eine Emotion verstanden, die sich auf eine als bedrohlich empfundene Situation bezieht. Die Art der Bedrohung bleibt eher unbestimmt und geht mit Vorstellungen einher, was geschehen könnte. Davon abzugrenzen ist die Furcht: Sie bezieht sich auf eine konkrete Bedrohung und ist begründbar. Wirkt die Furcht jedoch übertrieben stark, löst sie eine unmittelbare Reaktion aus und kann zu körperlichen Symptomen und zu Vermeidungsverhalten führen. In einem solchen Fall spricht man von einer Phobie.

Die Angst gehört zu den grundlegenden Gefühlszuständen, gerade im Kindes- und Jugendalter spielt sie eine zentrale Rolle. Mit jedem Übergang von einer Entwicklungsphase in die andere stehen neue Herausforderungen an, das Kind lernt Unbekanntes, vergrössert seine Autonomie und wird durch das Erleben von Angst auf Gefahren hingewiesen und davor geschützt.

Von einer Störung spricht man dann, wenn die Angst unbegründet stark ist und lange anhält, sie Leid verursacht und das Kind beeinträchtigt. «Langfristig verhindert eine Angststörung die Entwicklung des Kindes», sagt Simone Munsch. Angst habe die Tendenz, sich auszubreiten: «Zuerst bezieht sie sich auf das Flugzeug. Dann auf den Bus, den Zug, das Auto. Und am Schluss will das Kind gar nicht mehr aus dem Haus.» Ein Kind expandiere seinen Bewegungsraum über die Entwicklung hinweg. Klinisch relevante Angst tue das Gegenteil: «Sie schränkt den Bewegungsraum stark ein.

Zu den ersten Angststörungen im Verlauf der Entwicklung gehört die Trennungsangststörung. «Sie tritt erstmals mit drei, vier Jahren auf. Ab dem Alter von 12 oder 13 Jahren klingt diese Art Angst wieder ab», sagt Silvia Schneider. Etwa 3 von 100 Kindern sind davon betroffen. Eine andere häufige Angststörung im Kindesalter ist die Phobie.

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Drei häufige Angststörungen im Kindes- und Jugendalter sind die emotionale Störung mit Trennungsangst, die phobische Störung und die Störung mit sozialer Ängstlichkeit - der Einfachheit halber im Folgenden Trennungsangststörung, Phobie und soziale Angststörung genannt. «Eine entwicklungstypische Trennungs- und Fremdenangst haben die meisten Kinder ab acht Monaten bis zum Ende des zweiten Lebensjahres. Das Kind lernt zu differenzieren zwischen Bezugspersonen und Fremden. Behält das Kind diese Angst nach dem zweiten Lebensjahr bei, sprechen wir von einer behandlungsbedürftigen Störung.»

Vermeidungsverhalten kann einsam machen, besonders im Falle einer sozialen Angststörung. «Von dieser Angst sind mehrheitlich Jugendliche und junge Erwachsene betroffen», sagt Simone Munsch. «Die Angst bezieht sich auf verschiedene Situationen: Leistung, jemanden kennenlernen, flirten, in der Schule vor anderen sprechen oder Vorträge halten.» Oft dauert es lange, bis Aussenstehende die Angst bemerken. «In der Schule fallen Ängstliche wenig auf», sagt Simone Munsch. «Ruhige Jungs sind für Lehrer oft eine Entlastung.

Die Forschung sagt: Eltern beeinflussen die Angst ihrer Kinder. So ist Angst ansteckend, erklärt Simone Munsch: «Wenn in einer Familie ein ängstlich vermeidendes Verhalten vorherrscht bezüglich bedrohlichen Situationen, lernt dies das Kind.» Aber die Psychologin betont: «Angst hat nie nur eine Ursache.

Ursachen von Verlustangst

Wie andere Eltern suchte aber auch er den Fehler bei sich selbst: «Als Anna erkrankte, stand für mich die Frage der Schuld im Raum. Ich fragte mich, ob ich zu streng war. Waren die Kinder laut, kam es schon mal vor, dass ich sagte: Jetzt ist einfach Ruhe! Dann kam die Trennungs- und Scheidungssituation hinzu. Mikes Mutter leidet an einer körperlichen Krankheit. Oft fühlt sie sich zu wenig da für ihren Sohn. Sie lebt getrennt von Mikes Vater im selben Haushalt. Gegen Ende Monat wird das Geld manchmal knapp. «Zudem bin ich selbst ängstlich», sagt sie. Auch Elenas Mutter suchte die Gründe bei sich. «Diese Frage stellt man sich automatisch», meint Simone Badertscher Imhof.

Laut Sozialpädagogin Carmen Lahusen treten solche Panikattacken häufig dann auf, wenn sich ein Kind einsam und verlassen fühlt und keinen inneren und äusseren Halt findet. «Besonders beim Einschlafen kann die Vorstellung von Situationen, in denen sich das Kind komplett alleine, isoliert oder ohne Zugang zu anderen fühlt, Angstattacken auslösen», so Lahusen.

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Auslöser kann ein Entwicklungsschritt sein oder eine bevorstehende Veränderung in der Schule. Zum Beispiel ein Klassenwechsel, von der Unterstufe zur Mittelstufe. «Es kann durchaus sein, dass sich das Kind im Elternhaus glücklich und geborgen fühlt, aber in der Schule fühlt es sich zu wenig verbunden und vertraut mit den anderen Kindern. Vielleicht ist eine gute Freundin weggezogen oder es fühlt sich in den neuen Klassenkonstellationen noch nicht eingebettet.»

Diskutiert werden folgende mögliche Einflüsse:

  • Psychosoziale Faktoren: Eine Rolle spielen etwa psychosoziale Faktoren: So beobachtet man zum Beispiel bei Menschen mit Traumata in der Kindheit (wie Trennung der Eltern, Tod des Vaters, Alkoholiker in der Familie, sexueller Missbrauch) häufiger Angsterkrankungen als bei Menschen mit unbelasteter Kindheit.
  • Erziehungsstil: Der Erziehungsstil der Eltern hat möglicherweise ebenfalls einen Einfluss darauf, ob der Nachwuchs eine krankhafte Angst entwickelt. Beispielsweise zeigen Kinder von überbehütenden Eltern ein höheres Angstniveau.
  • Sozioökonomische Faktoren: Die Häufigkeit von Angststörungen variiert auch in Abhängigkeit von sozioökonomischen Faktoren, wie Beobachtungen zeigen: So finden sich mehr Betroffene in den unteren sozialen Schichten als in den oberen - ebenso wie unter Arbeitslosen als unter Vollbeschäftigen.

Therapie und Behandlungsmöglichkeiten

Angststörungen sind gut behandelbar. Als Therapiemethode der Wahl nennen viele Experten die Kognitive Verhaltenstherapie. Je nach Komplexität der Angststörung und je nach Therapie dauert diese mal kürzer, mal länger.

Die Kognitive Verhaltenstherapie gilt als die wirksamste Therapiemethode bei Angststörungen. Zwei wichtige Elemente sind die Exposition und die Habituation: Hat ein Kind Angst vor Hunden, bedeutet dies, dass das Kind stufenweise mit einem Hund in Kontakt gebracht wird - gedanklich, mit Bildern, Geräuschen oder real. Das Kind bleibt schliesslich so lange in dieser Situation, bis es sich daran gewöhnt und die Angst absinkt. «Die Habituation ist die eigentliche Therapie», sagt Simone Munsch, Professorin für klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Fribourg und Leiterin der psychotherapeutischen Praxisstelle. «Mit jedem Durchgang wird die Angst kleiner.» Das Kind wird mit positiven Verstärkern belohnt, etwa einem Aufkleber, wenn es das gewünschte Verhalten zeigt. In der Regel dauert eine Therapie zwischen 2 und 16 Sitzungen.

In einer Spieltherapie, wie Elena sie besuchte, zeigt sich die Angst - und oft zuerst die Abwehr der Angst - im Spiel, wie Kinder- und Jugendpsychiater Thomas Koch erklärt. Er passt sich dem Spiel an, interpretiert, kommentiert und schafft Verbindungen zu Gesagtem. «Ich fasse in Sprache, was geschieht. Und das Kind sieht, wie ich auf sein Spiel reagiere.

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Was können Eltern tun?

  • Nehmen Sie Ihr Kind ernst.
  • Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Kindes.
  • Vermitteln Sie Ihrem Kind Sicherheit.
  • Machen Sie die Angst zum Thema.
  • Achten Sie auf Ihre Wortwahl.
  • Verzichten Sie auf Zuschreibungen.
  • Spielen Sie Gefahren nicht herunter.
  • Werden Sie vertraut mit Ihren eigenen Ängsten.

Zentral ist, dass du die Beziehung zu deiner Tochter in dieser Phase stärkst, dich um sie kümmerst, mit ihr Dinge unternimmst und sie nicht zu oft alleine lässt - gerade abends! Sie braucht dich, Steffi.

Folgende Sätze können ängstlichen Kindern helfen:

  • «Ich verstehe, dass für dich die Vorstellung, dass du sterben könntest, ganz, ganz schlimm ist und dir das Angst macht.»
  • «Sicher klopft dir das Herz, ganz, ganz fest. Und du schwitzt und zitterst vielleicht. Und vielleicht bekommst du auch fast keine Luft mehr. Oder du hast sogar Bauchweh.»
  • «Ich verstehe dich. Ich bin für dich da, du bist nicht alleine!»

Laut Lahusen ist es hilfreich, wenn Eltern mit ruhiger Stimme sprechen und möglichste den Blickkontakt zum Kind halten.

Weitere Tipps:

  • Leiten Sie Ihr Kind zu Atemübungen an. Denn wer Angst hat, atmet flacher.
  • Animieren Sie zu Bewegung, zum Beispiel zur Lieblingsmusik zu tanzen.
  • Stärken Sie das Selbstvertrauen, indem Sie daran erinnern, was der oder die Jugendliche bereits erfolgreich gemeistert hat.
  • Helfen Sie den Heranwachsenden, frühe Signale richtig einzuschätzen. Manchmal kündigt sich eine Panikattacke an, beispielsweise mit einem trockenen Mund oder Herzrasen.
  • Sprechen Sie gemeinsam über ein schönes Erlebnis oder einen speziellen Wunsch.
  • Überlegen Sie gemeinsam Strategien, um die Panik zu bewältigen.

Wichtig: Treten die Panikattacken wiederholt auf und beeinträchtigen sie das Sozialleben oder die schulischen Leistungen, ist es besser, frühzeitig eine Fachpersonen beizuziehen.

Neurophysiologische Entwicklungsförderung (INPP)

Die Neurophysiologische Entwicklungsförderung (INPP) ist ein Diagnostik- und Übungsprogramm. Es richtet sich an Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Symptomen aus dem Formenkreis AD(H)S, Dyslexie, Dyskalkulie, Dyspraxie, Wahrnehmungsstörungen, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, emotionale Anpassungsprobleme, Ängste, Panikstörungen sowie Asperger Syndrom.

Grundlage ist die Entwicklung des zentralen Nervensystems. Wenn ein Kind auf die Welt kommt, hat es sich überlebenswichtige Reflexe im Mutterleib schon angeeignet. So hat es zum Beispiel einen Saugreflex. Wird es gleich nach der Geburt an die Brust gelegt, wird dieser Reflex ausgelöst. Hält man einem Baby den Finger hin, lässt es ihn nicht mehr los. Diese Reflexe spielen sich auf der Stammhirnebene, also quasi auf einer Überlebensebene, ab und werden irgendwann nicht mehr benötigt. Also werden sie im Rahmen der neuronalen Entwicklung gehemmt und integriert. Sie werden von reifen Halte- und Stellreflexen abgelöst, die Grundlage für Willkürmotorik, Handlungsplanung und Koordination sind. Je weiter sich das Grosshirn entwickelt, desto mehr werden die frühkindlichen Reflexe gedämpft und unterdrückt. Wenn diese Entwicklung gestört ist, sind Verzögerungen erkennbar.

Anzeichen können sein, dass Kinder nach der Geburt Anpassungsschwierigkeiten oder Regulierungsschwierigkeiten haben. Zum Beispiel Schreikinder oder auch Kinder, die sehr, sehr ruhig sind - also diejenigen, die eigentlich immer nur schlafen. Auch Babys, die ganz klein sind, die schlecht trinken, sehr schwach sind und nicht richtig saugen - die also eigentlich die Reflexe gar nicht richtig entwickeln. Später sieht man dann vielleicht, dass sich ein Kind nicht dreht oder in der motorischen Entwicklung verzögert ist.

Im Vorschul- und Schulalter können beispielsweise Kinder betroffen sein, die an unerklärlichen, stark ausgeprägten Ängsten leiden. Kinder, die eine so starke Verlustangst haben, dass sie sich fast nicht von der Mutter lösen können und selber keine Autonomie entwickeln. Es können auch die ganz Ruhigen sein, die sogenannten «Rückzugskinder», die eher gemobbt werden und von denen die Lehrer sagen, sie würden sich selber im Wege stehen.

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