ADHS: Umgang mit Veränderungen und hilfreiche Strategien

Für viele ADHS-betroffene Kinder ist es eine große Anforderung, sich flexibel auf neue Situationen oder Planänderungen einzustellen. Ihr mangelndes Zeitgefühl und stärkeres Leben im „Hier und Jetzt“ machen es ihnen schwer, sich im Tagesablauf zurecht zu finden. Oftmals leiden sie unter dem Gefühl, schon wieder zur nächsten Aktivität gehetzt zu werden, wenn sie gerade einmal „richtig da sind“ und sich vertiefen konnten. Und sich vertiefen, das können die meisten Kinder mit ADHS erstaunlich gut. Ausdauernd und konzentriert widmen sie sich ihrem Lieblingsthema oder -Spiel, sofern sie sich diese Tätigkeit selbst ausgesucht haben.

Ein wesentlicher Teil der ADHS-Betroffenen ist dazu in der Lage, zu hyperfokussieren. Darunter versteht man die Fähigkeit, ganz und gar in einer Tätigkeit zu versinken und dabei alles um sich herum auszublenden. Entsprechend ungehalten reagieren diese Kinder und Jugendlichen, wenn man sie aus ihren Tätigkeiten herausreißt.

Strategien für den Umgang mit Veränderungen

Es gibt verschiedene Strategien, die helfen können, den Umgang mit Veränderungen für Menschen mit ADHS zu erleichtern:

1. Visualisierung der Zeit

Die Zeit bis zum nächsten Wechsel visualisieren. Wenn Lena beispielsweise um 17.00 Uhr beginnt, sich in ein Spiel zu vertiefen und Sie in einer Stunde zu Abend essen möchten, könnten Sie sagen: „Schau mal Lena, es ist noch eine Stunde bis zum Abendessen. Ich stelle dir den Timer hier hin. Siehst du? Solange darfst du noch spielen.

2. Ankündigung von Übergängen

Für Übergänge im Tagesablauf extra Zeit einplanen und diese ca. 5-10 Minuten im Voraus ankündigen. So könnte Lenas Mutter beispielsweise gegen 17.50 Uhr in deren Zimmer gehen, die Tochter kurz an der Schulter berühren, und zu ihr sagen: „Lena, wir wollen gleich zu Abend essen. Du darfst noch 10 Minuten weiterspielen. Komm bitte langsam zum Ende.

Lesen Sie auch: Kleinkind-ADHS: Worauf achten?

Die Erfahrung zeigt: durch die Visualisierung der Zeit, die klare Vorankündigung und die Möglichkeit, noch in Ruhe zum Ende zu kommen, können Übergänge deutlich entspannter bewältigt werden. Aussagen wie „du darfst noch 10 Minuten spielen / 3 Mal rutschen / bis zur nächsten Werbepause weiterschauen“, helfen den Kindern, sich mental auf den Wechsel einzustimmen, und lassen ihnen einen gewissen Spielraum, wodurch sich oftmals der innere Widerstand reduziert.

3. Training mit unerwarteten Planänderungen

Simons Eltern erklärten ihrem Sohn, dass es ganz schön schwierig ist, bei Überraschungen / Planänderungen wie dem ausgefallenen Waldlauf ruhig zu bleiben. Sie schlugen ihm vor, den Umgang mit Planänderungen in der Familie zu trainieren, damit Simon irgendwann „richtig cool“ bleiben kann, wenn etwas Ähnliches passiert. Die Eltern nahmen sich vor, Simon täglich mit einer kleinen Planänderung zu überraschen. Simons Aufgabe bestand darin, seinen Eltern wie ein Detektiv auf die Schliche zu kommen: "Wann spielen sie heute wohl ihre Überraschungskarte?

Die Eltern achteten darauf, Simon anfangs vor allem mit angenehmen Planänderungen zu überraschen, damit er ein positives Gefühl damit verknüpfen konnte: So schlug Simons Mutter ihrem Sohn an einem heißen Sommertag vor, nach der Schule ein Eis essen zu gehen, obwohl es in der Familie eigentlich keine süßen Leckereien vor den Hauptmahlzeiten gab. Ein anderes Mal durfte Simon Abends 30 Minuten länger aufbleiben, um bei einem Fußball-Länderspiel noch bis zum Ende mitzufiebern. Der Vater überraschte Simon am Morgen mit einem Müsli anstatt der gewohnten Cornflakes und kochte an einem Tag das Lieblingsgericht seines Sohnes, obwohl die Mutter morgens angekündigt hatte, es würde wahrscheinlich Spinat mit Spiegelei geben. In einer Woche legte die Familie beim gewohnten nach-Hause-Weg vom Fußballtraining einen Umweg ein, in einer anderen wurde das allabendliche TV-Programm einmal kurzfristig umgestellt. Simon entwickelte mit der Zeit Freude und Ehrgeiz daran, seine Eltern „auf frischer Tat zu ertappen“. Er lernte immer besser, Planänderungen gefasst entgegenzutreten. Die Eltern unterstützten ihren Sohn zusätzlich durch wertschätzende Kommentare und wiesen ihn auf Fortschritte im "cool Bleiben" hin.

Mit der Zeit war es den Eltern möglich, auch unangenehmere „Überraschungen“ einzubauen. So musste ein Ausflug ins Thermalbad kurzfristig abgesagt werden, weil Simons Mutter eine Erkältung bekam. Einige Wochen später „überfiel“ Simons Mutter ihren Sohn mit einem unliebsamen Zahnarzttermin.

Multimodale Therapie bei ADHS

Bei der Behandlung von ADHS wird auf eine multimodale Therapie gesetzt. Die verschiedenen Therapieansätze bei ADHS beinhalten Aufklärung und Beratung (Psychoedukation), Psychotherapie und medikamentöse Therapie. Grundsätzlich kommt es darauf an, wie stark die Symptome sind und wie Sie sich unter den Auswirkungen der Symptome fühlen, oder ob bereits Komorbiditäten vorliegen. Bei Kindern wird oft auch das schulische und soziale Umfeld mit einbezogen. Beispielsweise durch ein Elterntraining.

Lesen Sie auch: Unterstützung für ADHS Betroffene in Freiburg

1. Psychoedukation

In der Psychoedukation wird ein umfassendes Bild von ADHS vermittelt. Es wird auf die Symptome, Stärken und Behandlungsmöglichkeiten eingegangen. Ebenso werden umfassende Informationen zu praktischen Massnahmen für den Alltag mitgegeben. Ein Beispiel hierfür sind Achtsamkeitsübungen. In der Psychoedukation geht man davon aus, dass je besser Sie ADHS und sich verstehen, desto besser können Sie auch mit ADHS umgehen. Ausserdem wird eine umfassende Information als Basis verstanden, um das eigene Selbstbild und die Selbstwahrnehmung zu verbessern. Hierfür ist der behandelnde Arzt, beziehungsweise die behandelnde Ärztin zuständig.

2. Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie zielt vor allem darauf ab, gemeinsam Problemlösungsstrategien zu erarbeiten. Die Therapieform kann als Einzel- oder Gruppentherapie durchgeführt werden. In der Trainingsphase wird Bereitschaft und Motivation vorausgesetzt. Gerade erwachsenen Menschen hilft es, wenn sie wissen, dass hinter ihrem Verhalten eine ADHS steckt.

3. Tiergestützte Therapie

Die tiergestützte Therapie eignet sich bei Kindern ab dem 6. Lebensjahr und ebenso bei Komorbiditäten. Es ist jedoch nur sinnvoll, wenn Kinder vernünftig mit Tieren umgehen können. Der Umgang mit Tieren fällt Menschen mit ADHS einfacher, da Sie ehrlich sind, aus dem Bauch heraus entscheiden und wertungsfrei sind.

4. Medikamentöse Therapie

Medikamente bei ADHS verändern nicht die Persönlichkeit, sondern unterstützen dabei, die Aufmerksamkeit zu verbessern. Ebenso soll die innere Unruhe und äussere Hyperaktivität verringert werden. Dabei sorgen sie für einen Ausgleich des gestörten Botenstoff-Haushaltes im Gehirn. Da jedoch jeder Mensch und jedes Gehirn individuell ist, muss herausgefunden werden, welches Medikament und welche Dosis hilfreich sind. ADHS-Medikamente können Effekte auf die Herz-Kreislauf-Funktionen haben.

Weitere Strategien für den Alltag

Für einige Menschen mit ADHS können Symptome belastend sein. Beispielsweise, wenn man regelmässig Zeit verliert, durch das Suchen von Gegenständen oder impulsiv handelt. Wutausbrüche sind keine Seltenheit bei impulsiven Menschen. Häufig sind Schuldgefühle die Folge.

Lesen Sie auch: Lernerfolg steigern

  • Machen Sie sich eine Wohlfühlliste.
  • Feste Plätze für Gegenstände können langes Suchen vermeiden. Dies spart Zeit.
  • Teilen Sie das Arbeitspensum in viele kleine Aufgaben, die in einer realistischen Zeit zu schaffen sind, vermindert Stress und Frustration.
  • Ein strukturierter Tagesablauf kann mehr Zufriedenheit und innere Ruhe geben.
  • Freizeitaktivitäten sollten spannend gehalten werden.
  • Um Aufgaben im Blick zu behalten, sind To-do-Listen hilfreich.
  • Planen sich auch genügend Zeit für Freunde und Familie ein.
  • Regelmässiger Ausdauersport hilft dabei, den Kopf freizubekommen.
  • Auch beim Aufräumen sollten Sie einen festgelegten Zeitpunkt und eine Zeitspanne einrichten.
  • Verspüren Sie eine innere Anspannung? Dann kann eine monotone Tätigkeit helfen. Dadurch wird die Aktivität heruntergefahren.

ADHS bei Jugendlichen

ADHS kann sich bei Teenagern in der Pubertät stärker äussern, was für Jugendliche häufig eine zusätzliche Herausforderung darstellt. ADHS stellt für viele jugendliche Betroffene also eine zusätzliche Herausforderung dar. Interessanterweise unterscheiden sich die Symptome von ADHS bei Mädchen in der Pubertät von denen der Jungen. Während ADHS und die Pubertät bei Jungen häufiger für hyperaktives und impulsives Verhalten sorgen, neigen Mädchen dazu, ihre Symptome nach innen zu richten.

Folgen von ADHS für Jugendliche:

  • Schule: Jugendliche mit ADHS haben oft Probleme, sich im Unterricht zu konzentrieren, was zu schlechteren Leistungen führen kann.
  • Soziales Umfeld: ADHS kann bei Jugendlichen dazu führen, dass sie sich impulsiv verhalten und ihre Emotionen nicht regulieren können.
  • Selbstwertgefühl und Selbstwahrnehmung: Merken betroffene Jugendliche, dass ihr soziales Umfeld negativ auf das ADHS reagiert, kann dies zu einem geringen Selbstwertgefühl führen.
  • Risiko für weitere psychische Erkrankungen: Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung psychischer Erkrankungen wie Sucht oder Angststörungen.

Behandlung von ADHS bei Jugendlichen

  1. Verhaltenstherapie
  2. Reha-Programme
  3. Medikamente mit den Wirkstoffen Methylphenidat, Dexmethylphenidat, Lisdexamfetamin oder Atomoxetin

Mit einer klaren Tagesroutine können sich Betroffene besser auf ihre Aufgaben konzentrieren. Ebenso bieten To-do-Listen mit kleinen, erreichbaren Zielen viel Unterstützung und fördern die Motivation. Genauso wichtig sind Pausen, um Überforderung zu vermeiden. Am besten finden auch regelmässige Sporteinheiten Platz auf dem Tagesplan. Durch Bewegung können Betroffene überschüssige Energie abbauen: Ausdauersport wie Joggen ist gesund und kann die Konzentration steigern.

ADHS bei Erwachsenen

Wer als Kind die Diagnose ADHS erhalten hat, zeigt auch als Erwachsener meist entsprechende Symptome - laut neueren amerikanischen Studien sind zwischen 30 bis 50 Prozent der Erwachsenen betroffen.

Sonnenseiten und Schattenseiten von ADHS bei Erwachsenen

Sonnenseiten Schattenseiten
Sehr gut in der Fehleranalyse, da sie eben alle Aspekte ungefiltert an sich heranlassen, ihnen entgeht somit nichts Gehirn kann schlecht äußere Reize filtern, d.h. alles strömt auf denjenigen ungefiltert ein, was in dem Moment in der Umgebung passiert: Musik, Telefonate, Gespräche, Gerüche, Tippen auf der Tastatur, Druckergeräusche, Surren der Klimaanlage - einfach alles
Hohe Kreativität und sehr assoziationsstark Impulsives Verhalten
Enorm hilfsbereit und setzen sich gerne für andere ein, gerade Schwächere Langeweile und Routineaufgaben sind kaum auszuhalten und werden oft vermieden
Originelle mutige Vordenker und Visionäre, weil sie sich schlecht an Regeln halten können und alles in Frage stellen Sich selbst zu organisieren kostet viel Energie. Oft werden andere Dinge einfach dazwischengeschoben.
Energiegeladen und aktiv Alles scheint gleich wichtig zu sein. Der Überblick fehlt für das Setzen von Prioritäten.
Hohe Flexibilität und spontan Wirken manches Mal müde und unmotiviert
Sehr aufmerksam und neugierig, sie haben ausgeprägte „Antennen“ Sind sehr leicht abzulenken
Ist etwas wichtig, bleiben sie dran und erbringen herausragende Leistungen Spüren oft den Drang, aufzustehen, die Sitzposition zu wechseln, einen Kaffee sich zu holen, wippen mit den Füssen, klopfen mit den Fingern auf
Lieben es zu diskutieren, haben deshalb eine hohe Sprachfertigkeit entwickelt Vergesslich, zerstreut und bekommen manches Mal nicht alles mit
Sind warmherzig, offen, emotional und ehrlich: sie sagen, was sie denken Kommen oft zu spät und verschätzen sich in ihrer Zeit

Tipps für Führungskräfte

  • Minimieren Sie so viele Quellen, die Ablenkung bieten, als möglich ist.
  • Geben Sie klare und strukturiere Vorgaben.
  • Verdeutlichen Sie als Vorgesetzter die Prioritäten der Aufgaben und des Arbeitsbereiches.
  • Benennen Sie eindeutige Kriterien.
  • Grenzen Sie Aufgabenpakete voneinander ab.
  • Besprechen Sie mit dem Mitarbeiter, in welchen Etappen welche Aufgaben und/oder Arbeitsschritte zu erledigen sind.
  • Für wiederkehrende Aufgaben empfiehlt es sich, Checklisten zu erstellen.

tags: #ADHS #Umgang #mit #Veränderungen #Strategien