In der Schweiz unterstützen 2.1 Millionen Menschen eine Person, die psychisch krank ist. Wie ist man am besten für die Betroffenen da? Und wie grenzt man sich ab? Es kann sehr belastend sein, wenn eine nahestehende Person depressiv oder suizidal ist.
Die Herausforderungen im Umgang mit Depressionen
Depressionen sind kein unumkehrbares Schicksal, sie lassen sich behandeln. Je früher man professionelle Hilfe sucht, desto höher sind die Heilungschancen.
Psychische Belastungen kommen oft schleichend. Manchmal hören Gefühle wie Angst, Wut oder Traurigkeit nicht mehr auf und werden immer bedrückender. Sie bestimmen den Alltag immer mehr. Regelmässige Kontakte helfen Menschen in schwierigen Situationen.
Depressive Menschen lassen manchmal niemanden an sich heran und können abweisend sein. Das ist für jene, die helfen wollen, schwer nachvollziehbar und kränkend. Aber: Wer depressiv ist, tut dies nicht aus böser Absicht, sondern weil er in diesem Moment nicht anders reagieren kann. Angehörige, die sich dies bewusst machen und die Abweisung nicht persönlich nehmen, schaffen es besser, damit umzugehen.
Die Perspektive einer Betroffenen
«Wenn es mir schlecht geht, möchte ich von niemandem etwas wissen», sagt Tosca. Die 19-Jährige kämpft seit Jahren mit Depressionen. Es gibt Tage, da liegt sie einfach nur in ihrem Bett, das Zimmer abgedunkelt. Dann ist es schwierig, an sie heranzukommen. Das weiss auch ihre beste Freundin Angelina.
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Für Tosca ist es nicht immer einfach, sich aufzuraffen und das Haus zu verlassen. «Angelina weiss eigentlich, dass ich meine Ruhe haben möchte.
Die Rolle der Freundschaft
Freundschaften, in denen beide Personen psychische Probleme haben, können laut der Fachstelle Pro Mente Sana Herausforderungen mit sich bringen. Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zum Beispiel oder der richtige Umgang mit Konflikten.
«Ich liebe Vera so, wie sie ist», sagt Andrea. «Deswegen habe ich nicht das Gefühl, dass die psychischen Probleme im Vordergrund stehen.» Es sei eine Freundschaft wie jede andere auch. Vera ergänzt, dass sie wegen ihrer eigenen Erfahrungen Andrea besser stützen konnte, als sie den Verlust ihrer Freundin verarbeitete.
Tipps für den Umgang mit depressiven Menschen
Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen unterstützen Sie mit verschiedenen Hilfestellungen.
- Sprechen Sie die betroffene Person in einer ruhigen, ungestörten Situation an und nehmen Sie sich genügend Zeit. Wichtig ist, dass sich während des ganzen Gesprächs alle wohl fühlen.
 - Vermeiden Sie eigene Lösungsvorschläge. Weder gute Ratschläge noch Vergleiche mit Ihrer eigenen Situation sind angebracht. Oft hilft es Betroffenen zu wissen, dass man für sie da ist und ein offenes Ohr hat. Am besten fragen Sie den geliebten Menschen direkt, wie man ihr oder ihm Hilfe und Unterstützung bieten kann.
 - Bereits ein erstes Gespräch mit einem vertrauten Menschen kann Betroffene anspornen, weiterführende Hilfe bei einer Fachstelle in Anspruch zu nehmen. Die Stiftung Pro Mente Sana ist Anlaufstelle für Menschen in psychischen Belastungssituationen (z. B. mit Depressionen oder in Lebenskrisen), deren Angehörige und Fachleute.
 - Hat die psychisch beeinträchtigte Person Vertrauen zur Hausärztin oder zum Hausarzt, macht auch ein Arzttermin Sinn. Eine erste Anlaufstelle ist die Dargebotene Hand unter der Telefonnummer 143.
 - Akzeptieren Sie diese Situation und signalisieren Sie Ihre Hilfsbereitschaft. Man kann niemanden zwingen, Hilfe anzunehmen. Erwähnen Sie die Möglichkeit, sich an eine Fachstelle zu wenden und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
 - Stehen Sie dem erkrankten Menschen auf jeden Fall bei und organisieren Sie Unterstützung. Informieren Sie die betroffene Person immer über Ihre Schritte und Ihre eigenen Gefühle. Versuchen Sie, die Erkrankte oder den Erkrankten in die Entscheidungen mit einzubeziehen.
 - Reden Sie über Ihre eigenen Gefühle und Befindlichkeiten. Damit signalisieren Sie Ihre Offenheit gegenüber den Gefühlen Ihrer Partnerin, Ihres Mannes, Ihres Kindes oder Ihrer Eltern.
 - Seien Sie in jeder Beziehung eine gute Freundin bzw. ein guter Freund und hören Sie stets gut zu. Wenn Sie den Mut haben, über Ihre eigenen Schwächen und Sorgen zu sprechen, zeigen Sie Empathie und schaffen Vertrauen.
 - Bleiben Sie gemeinsam sozial aktiv und pflegen Sie den Umgang mit Ihrem Freundeskreis. Auch Neues zu lernen und kreativ zu sein, hält geistig fit.
 - Haben Sie Mut und gehen Sie offen auf Betroffene zu. Sprechen Sie Ihre Sorgen aus und signalisieren Sie Vertrauen und Hilfsbereitschaft.
 
Was man vermeiden sollte
«Schau, wie schön die Sonne scheint. Versuch doch, es zu geniessen». Depressive hören derlei gut gemeinte Aufforderungen oft. Sie sind aber genauso ungünstig wie Ermahnungen und Vorwürfe: «Jetzt nimm dich halt mal zusammen.» Depressive Menschen wünschen sich nichts mehr, als wieder aktiv und guter Dinge zu sein. Aber sie sind durch ihre Erkrankung vom eigenen Organismus ausgebremst. Sie können nicht wollen.
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Selbstfürsorge für Angehörige
Eine Depression kann sich über Monate hinziehen, was für Angehörige kräftezehrend ist. Sie fühlen sich zuweilen ohnmächtig oder schuldig, sind erschöpft und überfordert und manchmal auch wütend.
Es ist wichtig, dass Angehörige:
- eine Auszeit nimmt.
 - sich mit Freunden austauscht.
 - sich einer Selbsthilfegruppe für Angehörige anschliesst.
 - bei Bedarf selbst zum Therapeuten geht oder mit dem oder der Erkrankten zusammen ein «Angehörigengespräch» vereinbart.
 
Die Bedeutung von Freundschaften
Studien zeigen, dass Freundschaften für die Gesundheit wichtig sind und das Risiko für Depressionen verringern. Der Austausch mit anderen Menschen beeinflusst zudem die Eigenwahrnehmung.
Planen Sie bewusst Zeit mit Freund:innen, Kolleg:innen und der Familie - auch wenn es nach einem langen Arbeitstag Überwindung kostet. Und: Gehen Sie bewusst einen Tag lang freundlich und lächelnd durch die Welt.
Weitere Tipps für ein besseres psychisches Wohlbefinden
- Bewegung: Bewegung und Sport heben nachweislich die Stimmung. Die Stresshormone Cortisol und Adrenalin werden abgebaut, und im Gegenzug wird die Produktion der Glückshormone Endorphin und Serotonin angeregt.
 - Gesunde Ernährung: Früchte und Gemüse verbessern das psychische Wohlbefinden, die Vitalität und die Motivation, das belegen verschiedene Studien. Ein gesunder Darm hat ausserdem einen positiven Einfluss auf unsere Psyche.
 - Entspannung: Unser System benötigt Ruhe, damit es sich entspannen und regenerieren kann. Machen Sie Ihre Auszeit zur Priorität und tragen Sie diese in die Agenda ein - sei das ein Saunabesuch, eine Meditation oder eine Massage.
 - Mentale Aktivität: Bleiben Sie auch mental aktiv und neugierig. So erweitern Sie Ihren Horizont und stärken das Selbstwertgefühl.
 - Offene Kommunikation: Über die eigenen Sorgen zu reden, tut gut. Schon allein, weil man seine Gedanken laut formulieren muss und sie dadurch sortiert.
 
Umgang im Job
Als Kelly Spring das dritte Mal wegen einer akuten Depression in die Klinik ging, informierte sie vorher ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen persönlich. «Für mich war das kein Einbruch mehr, ich konnte normal darüber sprechen», sagt sie.
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Expertin Pernollet betont: «Vorgesetzten muss bewusst sein, dass Betroffene nicht nur Angst vor Stigmatisierung, sondern auch vor einem Jobverlust haben.» Eine offene und respektvolle Kommunikation sei daher sehr wichtig. «Halten Sie auch bei längeren krankheitsbedingten Abwesenheiten den Kontakt», rät Pernollet.
Zusammenfassung
Der Umgang mit depressiven Freundinnen und Freunden erfordert Verständnis, Geduld und die Bereitschaft, sich selbst nicht zu vergessen. Durch offene Kommunikation, Unterstützung und Selbstfürsorge können Angehörige und Freunde einen wichtigen Beitrag zur Genesung leisten.
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