Tavor®, Ativan®, Tavor®, Tolid®, Lorazepam dura®, Merlit etc. sind Medikamente, die den Wirkstoff Lorazepam enthalten und zur Gruppe der Benzodiazepine gehören. Lorazepam ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Benzodiazepine mit angstlösender, beruhigender und schlaffördernder Wirkung.
Was ist Lorazepam?
Lorazepam ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Benzodiazepine und wirkt als solcher angstlösend (anxiolytisch), sedierend (beruhigend), muskelentspannend (muskelrelaxierend) und krampflösend (antikonvulsiv). Lorazepam ist in Form von Tabletten, Schmelztabletten und als Injektionslösung im Handel (Temesta®). Es ist in der Schweiz seit dem Jahr 1973 zugelassen. Im Jahr 2023 kam es zu einem längeren Lieferunterbruch bis ins Jahr 2024. Im Jahr 2024 wurden Generika zugelassen.
Struktur und Eigenschaften
Lorazepam (C15H10Cl2N2O2, Mr = 321.2 g/mol) ist ein weisses bis fast weisses, kristallines Pulver, das in Wasser praktisch unlöslich ist. Es liegt in Arzneimitteln als Racemat vor.
Wirkmechanismus
Wie alle Benzodiazepine wirkt Lorazepam direkt an den Verbindungsstellen zwischen den Nervenzellen im Gehirn. An diesen sogenannten Synapsen kommunizieren die Nervenzellen über Botenstoffe (Neurotransmitter) miteinander. Manche Botenstoffe lösen in der Zielzelle eine Erregung (in Form eines elektrischen Potentials) aus, während andere die Erregungsfähigkeit der Zielzelle hemmen. Letztere werden auch inhibitorische Neurotransmitter genannt, wobei der häufigste und wichtigste Botenstoff dieser Klasse GABA (gamma-Aminobuttersäure) ist. Lorazepam bindet an eine Unterform der GABA-Bindungsstelle (GABA-A-Rezeptor) und erhöht die Öffnungswahrscheinlichkeit in Anwesenheit von GABA. Auf diese Weise wird die inhibitorische Wirkung von GABA verstärkt.
Durch die Einnahme von Benzodiazepinen wird die Wirksamkeit des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA) am GABA-A-Rezeptor verstärkt. Dies löst sedative (beruhigende), hypnotische, anxiolytische (angstlösende), antikonvulsive (krampflösende) und muskelrelaxierende Wirkungen im Körper aus. Benzodiazepine haben eine dämpfende Wirkung auf das zentrale Nervensystem. Der Informationsfluss im Gehirn zwischen den Gehirnzellen (Neuronen) wird dadurch verringert / gestört und Gefühle und Wahrnehmungen werden gedämpft.
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Pharmakokinetik
Nach der Einnahme wird Lorazepam schnell und nahezu vollständig ins Blut aufgenommen. Es kann die Blut-Hirn-Schranke passieren und so in das zentrale Nervensystem (ZNS) - Gehirn und Rückenmark - übertreten. Im Körper wird Lorazepam anschliessend verstoffwechselt, wobei rund zwölf bis 16 Stunden nach der Einnahme etwa die Hälfte der aufgenommenen Wirkstoffmenge wieder ausgeschieden ist - hauptsächlich über den Harn.
Anwendungsgebiete von Tavor
Der Wirkstoff Lorazepam wird zur kurzzeitigen Behandlung von Angst-, Spannungs- und Erregungszuständen und damit verbundenen Schlafstörungen angewendet. Zusätzlich kann er zur Beruhigung vor diagnostischen oder operativen Eingriffen eingesetzt werden. Des Weiteren wird der Tavor-Wirkstoff Lorazepam zur Therapie von Entzugssymptomen angewendet.
Typische Anwendungsbereiche für Tavor sind:
- schwere Angst- und Panikzustände
 - Schlafstörungen
 - akute Verwirrtheitszustände
 - Epilepsie
 - Alkoholentzug
 - wiederholte Anfälle von Übelkeit und Erbrechen durch Chemotherapeutika bei der Krebstherapie
 - zur Beruhigung und Angstlinderung vor operativen Eingriffen und in der Intensivmedizin
 
Eine weitere Indikation ist die Beruhigung vor und während operativen oder diagnostischen Eingriffen.
Dosierung und Anwendung von Lorazepam
Die Tavor-Dosierung wird individuell vom Arzt festgelegt. Gemäss der Arzneimittel-Fachinformation. Die Behandlungsdauer soll so kurz wie möglich gehalten werden. Da beim Absetzen Entzugssymptome auftreten können, muss die Dosis dabei schrittweise reduziert werden. Die am häufigsten verwendete Darreichungsform von Lorazepam sind Tabletten zur Einnahme. Für Patienten, die Schluckbeschwerden haben oder schlichtweg die Einnahme verweigern, gibt es Schmelztabletten oder Injektionslösungen. Je nach Anwendungsgebiet wird meist eine Dosierung von 0,5 bis 2,5 Milligramm über den Tag verteilt oder am Abend gegeben. Meist wird Tavor in Form von Tabletten oder Schmelztabletten (Tavor Expidet) eingenommen. Eine Alternative zu den Tavor-Tabletten ist die Injektionslösung. Die maximalen Tagesdosierungen schwanken zwischen Werten von 0,2 bis 8 Milligramm.
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Risiken und Nebenwirkungen von Tavor
Wie die meisten Medikamente kann auch Tavor Nebenwirkungen haben. Die Nebenwirkungen von Lorazepam resultieren meist direkt aus der erwünschten dämpfenden Wirkung. Sie sind auf die herabgesetzte Erregbarkeit der Zellen im Gehirn zurückzuführen. Dabei wird zwischen häufig beobachteten und selten bis vereinzelt auftretenden Nebenwirkungen unterschieden.
Nebenwirkungen von Benzodiazepinen können sich wie folgt zeigen:
- Länger andauernde Müdigkeit
 - Magen-Darm-Beschwerden
 - Einschränkung des Reaktionsvermögens
 - Überempfindlichkeitsreaktionen
 - Kopfschmerzen
 - Schwindel
 - Motorische Schwierigkeiten
 - Sehstörungen
 - Verlangsamte Atmung
 - Muskelschwäche
 - Verwirrtheit
 - Sexuelle Funktionsstörungen
 - Aggressivität, Wutausbrüche
 - Ruhelosigkeit
 - Willkürliche Bewegungen
 - Allergien
 - Hautprobleme / Ausschläge
 - Sprech- und Bewegungsstörungen
 
Einige Benzodiazepine können bei Epileptiker*innen Krampfanfälle auslösen.
Häufige Nebenwirkungen sind ein vermindertes Reaktionsvermögen, starke Müdigkeit und Schläfrigkeit. Bei mehr als jedem zehnten Patienten kommt es zu Müdigkeit, Schläfrigkeit und Benommenheit. Des Weiteren kommt es zu einer starken Toleranzentwicklung, weshalb das Medikament nur für kurze Zeit angewendet werden sollte.
Selten werden ein Libidoverlust, Muskelschwäche, ein Abfall des Blutdrucks, Mundtrockenheit und Hautreaktionen als Nebenwirkungen bei Tavor beobachtet. Bei mehr als jedem hundertsten Behandelten treten Mattigkeit, Muskelschwäche, Verwirrtheit, Depressionen und ein Schwindelgefühl auf.
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Vereinzelt treten Verwirrtheitszustände, Konzentrationsschwierigkeiten, Aggressivität, Depression bis hin zu Suizidgedanken, Muskelkrämpfe, Lichtempfindlichkeit und Sehstörungen, Veränderungen in der Blutbildung und erhöhte Leberwerte auf. Kinder, Ältere und Menschen mit Erkrankungen des Gehirns können auf die Einnahme paradox, also mit Erregung, Unruhe, Schlafstörungen oder gesteigertem Angstempfinden, reagieren.
Bei vorgeschriebener Anwendung von Tavor sind die Nebenwirkungen meist nur leicht ausgeprägt. Sie bilden sich bei kontrolliertem Absetzen des Medikaments in der Regel schnell zurück.
Langzeitrisiken und Folgen
Regelmässiger und langfristiger Konsum kann zu einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit führen (sehr hohes Abhängigkeitspotential). Durch das sofortige Absetzen des Medikaments nach längerem Gebrauch kann es zu negativen Entzugssymptomen kommen (u.a. Schwindel, körperliche Schwäche, innere Unruhe, Zittern, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Schwitzen, Übelkeit, Halluzinationen und Depressionen). Zudem kann es zu Krampfanfällen und Gedächtnisstörungen/-verlust und Antriebslosigkeit (Hangover-Effekte) kommen. Bei einer möglichen Abhängigkeit sollte ein Entzug vorher mit einer Ärztin/einem Arzt besprochen und der Entzug medizinisch begleitet werden. Es ist enorm wichtig, dass die Verringerung der Dosis schrittweise erfolgt.
Wichtige Hinweise zur Anwendung von Tavor
Es ist wichtig, dass das Medikament in enger Absprache mit dem behandelnden Arzt verschrieben und eingenommen wird. Gerade zu Beginn einer Therapie muss die wirksame Dosis im Körper streng kontrolliert werden, da es schnell zu einer Tavor-Überdosis und so zu verstärkten Nebenwirkungen kommen kann. Die Dosis muss ganz genau und individuell an den Patienten (Alter, Gewicht, Begleiterkrankungen, sonstige Medikamenteneinnahme, körperliche und psychische Verfassung) angepasst werden.
Auch ein Beenden und Absetzen der Therapie sollte nicht eigenmächtig, sondern nur in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. Aufgrund der sich schnell ausbildenden körperlichen Abhängigkeit, können Tavor Symptome wie Zittern, Herzrasen, Schweissausbrüche, aber auch lebensbedrohliche Krampfanfälle auftreten, wenn man Tavor absetzen will.
Kontraindikationen
In bestimmten Fällen darf das Medikament nicht eingenommen werden. Zu diesen sogenannten Kontraindikationen zählen:
- Bekannte Benzodiazepin-Abhängigkeit
 - Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen
 - Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
 - Niedriger Blutdruck (Hypotonie)
 - Myasthenia gravis (autoimmun vermittelte Muskelschwäche)
 - Atemfunktionsstörungen
 - Überempfindlichkeit gegenüber Lorazepam
 
Sehr sorgfältig überlegt werden muss eine Anwendung in folgenden Fällen:
- Schwere Muskelschwäche (Myasthenia gravis)
 - Störung der Bewegungskoordination (Ataxie)
 - Akute Vergiftung mit Alkohol, Medikamenten oder Drogen
 - Atemfunktionsstörung wie das Schlaf-Apnoe-Syndrom
 - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
 
In solchen Fällen ist das Risiko für das Auftreten der beschriebenen Nebenwirkungen erhöht.
Wechselwirkungen
Zentral dämpfende Arzneimittel und Substanzen können die Effekte und unerwünschten Wirkungen von Lorazepam verstärken. Dazu gehören Alkohol, Psychopharmaka, Neuroleptika, Schlafmittel, Anxiolytika, Sedativa, Antidepressiva, Antiepileptika, Betäubungsmittel, Anästhetika, Antihistaminika und andere Benzodiazepine. Weitere Interaktionen sind mit Clozapin, Valproat, Probenecid, Theophyllin und Scopolamin möglich.Wird Lorazepam gleichzeitig mit anderen zentral dämpfenden Wirkstoffen eingenommen, können sich die Wirkungen gegenseitig verstärken. Das gilt zum Beispiel für Antipsychotika (z.B. Haloperidol, Promethazin), angstlösende Mittel, Antidepressiva (z.B.
Anwendung bei Kindern und älteren Menschen
Ist eine Anwendung bei Kindern oder älteren Patienten erforderlich, sollte die Therapie besonders eng überwacht werden. Aufgrund der verminderten Erregbarkeit und den daraus resultierenden Gangunsicherheiten ist das Sturzrisiko bei älteren Patienten erhöht. Zudem werden unter der Anwendung des Medikaments paradoxe Reaktionen wie Wut und Aggressivität bei Kindern und älteren Patienten häufiger beschrieben. Bei Auftreten dieser Nebenwirkungen sollte Tavor nach Absprache mit dem behandelnden Arzt abgesetzt werden. Tabletten und Schmelztabletten mit Lorazepam sollten bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden. Für Kinder unter sechs Jahren wird Lorazepam nicht empfohlen. In der Notfallmedizin, zum Beispiel beim Durchbrechen eines Status epilepticus (= epileptischer Anfall, der länger als fünf Minuten anhält), ist Lorazepam als Lösung zur Injektion ab einem Alter von einem Monat zugelassen. Im höheren Alter verlängert sich die Wirkdauer von Lorezapam, was in der Regel eine Reduktion der Dosierung notwendig macht.
Tavor in Schwangerschaft und Stillzeit
In der Schwangerschaft sollte das Medikament nicht angewendet werden. Besonders bei Einnahme von Tavor gegen Ende der Schwangerschaft oder während der Geburt kann es beim Neugeborenen zu verminderter Muskelspannung und Aktivität, Absinken der Körpertemperatur und des Blutdrucks sowie flacher Atmung und Trinkschwäche kommen. Der Tavor-Wirkstoff kann in die Muttermilch übergehen, sodass auch eine Anwendung in der Stillphase nicht empfohlen wird. Sollte die Einnahme des Medikaments zwingend erforderlich sein, wird eine Überwachung des Kindes durch den behandelnden Arzt empfohlen. Benzodiazepine als Gruppe sind gut untersucht, wobei die meisten Erfahrungen zu Diazepam vorliegen. Eine Studie mit Lorazepam bei mehr als 100 ausgewerteten Schwangerschaften konnte kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko nachweisen. Bei Einnahme im letzten Schwangerschaftsmonat aber kommt es häufiger zum "floppy infant syndrome" (schlaffes Kleinkind-Syndrom), da der Wirkstoff ungehindert die Plazenta überwinden kann und somit auch im Kind seine Wirkung entfaltet. Besser geeignete Alternativen in der Schwangerschaft sind daher Promethazin (für akute Angstzustände), Amitriptylin (für Schlafstörungen) und Quetiapin (für psychotische Erkrankungen). Für die Stillzeit liegen publizierte Erfahrungen zur Anwendung von Lorazepam bei mehr als 100 Mutter-Kind-Paaren vor. Wenn eine Mutter Einzeldosen von Lorazepam zur Akutbehandlung erhält, ist keine Stillpause notwendig. In Kombination mit weiteren zentral aktiven Wirkstoffen kann es zu Nebenwirkungen beim Säugling (v.a. Sedierung) kommen.
Tavor und Alkohol
Von einer gleichzeitigen Einnahme von Tavor und Alkohol oder anderen Drogen ist abzuraten, da das herabgesetzte Reaktionsvermögen sonst noch zusätzlich beeinträchtigt wird.
Tavor und Autofahren
Auch auf das Autofahren sollte man während der Behandlung verzichten. Das Gleiche gilt für das Bedienen von Maschinen.
Überdosierung
Im Falle einer Tavor-Überdosis sollte schnellstmöglich der behandelnde Arzt benachrichtigt werden. Er kann Gegenmassnahmen einleiten und die weitere Therapie überwachen.
Abhängigkeitspotenzial
Der langfristige Einsatz von Benzodiazepinen wie Lorazepam führt oftmals zu Abhängigkeitsproblemen. Es sollte deshalb nur so kurz wie möglich eingenommen werden (maximal zwei bis vier Wochen). Das Medikament ist für eine Kurzzeitbehandlung von maximal vier Wochen zugelassen, weil schon nach kurzer Zeit der Einnahme eine körperliche Abhängigkeit entstehen kann. Zur Langzeitbehandlung sind andere Medikamente besser geeignet.
Alternativen zu Tavor
Bei der Bewältigung von Angststörungen kann ein Mix aus Psychotherapie und Medikamenten helfen. Für die Langzeittherapie werden üblicherweise trizyklische Antidepressiva oder selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) mit stimmungsaufhellender und angstlösender Wirkung verschrieben. Als Notfallmedikation haben sich stark angstlösende Medikamente wie Benzodiazepine bewährt. Diese sollten jedoch wegen ihres hohen Suchtpotenzials nur im äussersten Notfall und nie über einen längeren Zeitraum angewendet werden.
Weitere Medikamente
- Trizyklische Antidepressiva
 - Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
 - Neuroleptika
 
Geschichte von Lorazepam
Der Wirkstoff Lorazepam wurde 1963 patentiert und erstmals 1977 in den USA auf den Markt gebracht. Da der Patentschutz inzwischen abgelaufen ist, gibt es mittlerweile verschiedene Präparate mit Lorazepam von unterschiedlichen Herstellern.
Lorazepam ist eine Weiterentwicklung von Diazepam, einem anderen Benzodiazepin. Im Vergleich zu diesem hat Lorazepam eine weitaus kürzere Wirk- und Verweildauer im Körper, weil bei seiner Verstoffwechslung keine wirksamen Produkte (aktive Metaboliten) entstehen.
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