Viele Menschen träumen davon, etwas Neues zu beginnen, einen anderen Beruf zu ergreifen und neue Erfahrungen zu sammeln. Insbesondere nach einigen Jahren im Berufsleben kann das Gefühl der Routine aufkommen und die Frage aufwerfen: War es das schon? Der Beruf, für den man sich mit 16 oder das Studium, für das man sich mit 20 Jahren entscheidet, ist vielleicht nicht das, was einen mit 30, 40 oder gar 50 noch interessiert.
Was früher die Norm war, nämlich einen Beruf zu erlernen und diesen bis zur Pensionierung auszuüben, ist zudem nicht mehr selbstverständlich: Zu schnell ändern sich Arbeitsmodelle und Jobprofile. Zahlen des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2015 zeigen: Jeder zweite Lehrling arbeitet später auf einem anderen Beruf, insbesondere im Bereich Industrie. Dort sind es gar 55 Prozent aller Lehrabgänger, die später etwas anderes machen.
Ursachen für Jobwechsel
Es ist aber nicht nur mangelndes Interesse oder eine Midlife-Krise, die Menschen dazu bringt, ihren Beruf zu wechseln. Der Druck auf Arbeitnehmer nimmt stetig zu. Arbeitnehmer fürchten zunehmend um ihren Arbeitsplatz, können immer weniger zwischen Arbeit und Freizeit trennen und sind entsprechend gestresst. Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Bern zeigt sogar schon 2014: Die Burn-out-Rate in der Schweiz steigt, viele Jobs machen ihre Arbeitnehmer regelrecht krank, Hunderttausende sind unmittelbar Burn-out-gefährdet.
Oft ist es aber gar nicht die zeitliche Belastung oder der Stress, der Arbeitnehmer so belastet, sondern dass sie schlicht am falschen Ort stecken. Grosse Herausforderungen können nämlich durchaus auch Freude bereiten, sinn- oder gar identitätsstiftend sein - wenn man sie denn gerne schultert und einen Sinn sieht in dem, was man tut.
Psychologische Aspekte des Jobwechsels
Sich an Neues zu gewöhnen, kostet grosse Kraft, die sich sogar anhand des Sauerstoff- und Zuckerverbrauchs im Hirn messen lässt: Der steigt beim Jobwechsel oder Umzug messbar an. Wir tendieren also stets dazu, im Vertrauten zu verweilen, um Ressourcen zu sparen.
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Viele Menschen waren unglücklich in ihrem teilweise schon jahrzehntelang ausgeübten Beruf. Sie alle sind durch äussere oder innere Umstände an einen Punkt gelangt, an dem sie sagten: So will ich mein berufliches Leben nicht mehr. Sie haben allen Mut zusammengenommen und sind von Mitte 30 bis Mitte 40 nochmals ins kalte Wasser gesprungen, um sich ein neues, anderes, besseres berufliches Leben aufzubauen.
Dieser Wechsel war für alle nicht einfach, fast alle mussten Rückschläge hinnehmen und insbesondere finanziell eine Zeit lang unten durch. Aber keiner von ihnen bereut die Erfahrung, auch wenn sie bis heute vielleicht etwas weniger Sicherheit kennen als zuvor. Dafür haben sie nicht nur einen neuen Beruf, sondern eine Berufung gefunden, fühlen sich glücklicher und sehen einen Sinn in ihrem Tun. Zurück in den alten Job will kein Einziger.
Burnout und Arbeitsbedingungen
Die Dosis macht das Gift. Und eine volle Arbeitsstelle ist schon eine ordentliche Dosis. Wenn ich 40 Stunden die Woche unter Bedingungen arbeite, die nicht gesund sind, dann kann ich mich dem gar nicht entziehen. Zudem ist der Arbeitsplatz in den meisten Fällen auch ein Beziehungsplatz. Beziehungen und soziale Unterstützung sind enorm wichtig, können aber auch eine kraftvolle Quelle von Pein und Ärger sein.
Gleichzeitig ist es aber auch so, dass wir Menschen viel von unserer Arbeit erwarten - vielleicht zu viel. Wir glauben, dass unsere Arbeit uns immer glücklich machen und erfüllen muss. Aber es gibt auch Menschen, die in anderen Lebensdomänen so viel Erfüllung finden, dass sie ihre Arbeit als reinen Broterwerb betrachten. Sie brennen vielleicht nicht gerade dafür, aber ärgern sich auch nicht über die Massen. Und zwar, weil die Bedingungen für gesundes Arbeiten an ihrem Arbeitsplatz erfüllt sind.
Bedingungen für gesundes Arbeiten:
- Verhältnis von Anforderung und Autonomie
 - Prinzip des Gebens und Nehmens
 - Gerechtigkeit
 - Psychologische Sicherheit
 
Eigener Gestaltungsspielraum ist etwas sehr Gesundes und hilft uns, auch mit hohen Anforderungen gut zurechtzukommen. Ich erhalte zumindest für meine Leistung einen Gegenwert, der für mich stimmt. Das muss nicht nur das Gehalt sein, das natürlich angemessen sein sollte. Aber eine Arbeit gibt einem auch Struktur, soziale Kontakte, Entwicklungsmöglichkeiten, Status und Sinn.
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Wir Menschen reagieren äusserst empfindlich auf Ungerechtigkeit. Psychologische oder auch psychosoziale Sicherheit beschreibt das Gefühl, dass man sich als Mensch zeigen darf, wie man ist, auch mit seinen Schwierigkeiten. Das hat nichts mit Kuschelatmosphäre oder Nachsicht zu tun. Sondern es geht darum, verschiedene Charaktere zu integrieren.
Die Rolle der Führungskraft
Führungskräfte haben einen grossen Einfluss darauf, wie wir uns bei der Arbeit fühlen. Veränderung beginnt immer bei dem ersten Menschen, der etwas verändert. Wenn ich will, dass sich das Betriebsklima ändert, kann ich auch selbst damit anfangen: in meinem Team, im Umgang mit meinen Kollegen.
Viele Menschen, mit denen ich arbeite, sagen: Mein Arbeitgeber ist nicht so prickelnd. Aber auf mein kleines Team lasse ich nichts kommen. In solchen Teams haben die Mitarbeiter ein Mikroklima geschaffen, in dem die genannten Prinzipien eingehalten werden.
Eine Studie hat sich mit den Risikofaktoren für Rückenschmerzen von Arbeitern auf Baustellen beschäftigt. Und die Ergebnisse waren überraschend: Die grösste Auswirkung auf das Wohlbefinden der Arbeiter hatte nicht die Schwere der körperlichen Arbeit. Am wichtigsten war ihnen das Gefühl, soziale Unterstützung zu erhalten.
Eine Untersuchung bei VW hat gezeigt: Führungskräfte, die geringere zwischenmenschliche Fähigkeiten mitbringen, haben in ihren Teams einen höheren Krankenstand. Und diesen Krankenstand nehmen sie mit durchs Unternehmen, wenn sie den Bereich wechseln oder andere Teams leiten.
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Es gibt ständig irgendwelche Trends in der Arbeitswelt: teilautonome Teams, flache Hierarchien, laterale Führung. Aber in vielen Fällen wollen die Mitarbeiter das gar nicht. Ich arbeite mit einem grossen Schweizer Industrieunternehmen zusammen, das auf teilautonome Teams und laterale Führung umgestellt hat - das bedeutet Führung ohne Vorgesetztenfunktion. Da kriegen die Mitarbeiter plötzlich unterschiedliche Anweisungen von den verschiedensten Personen. Das kann total überfordernd sein. Führung kann beengen, aber auch Halt geben.
Generationenkonflikte und neue Arbeitsmodelle
Es gibt generationale Unterschiede, das ist inzwischen recht gut untersucht. Durch die wirtschaftliche Ausgangslage sind jüngere Generationen anders gross geworden und haben andere Erwartungen - auch im gesunden Sinne. Dinge wie Sinnsuche und Teilzeitarbeit muss man sich leisten können. Wenn junge Mitarbeiter bestimmte Freiheiten für sich einfordern, kann das bei den älteren zu Neid führen. Man denkt sich: «Das hätte ich in deinem Alter auch gerne gehabt.» Da sind wir wieder beim Thema Gerechtigkeit.
Ältere Personen haben oft etwas, das man statische Resilienz nennt: Sie halten mehr aus. Sie haben es trainiert, hin und wieder den Kopf einzuziehen und Dinge auszuhalten. In einem gewissen Mass ist das durchaus gesund, und die Jüngeren können davon lernen. Gleichzeitig sind Jüngere viel besser darin, auf ihr Inneres und ihre eigenen Bedürfnisse zu hören. Viele aus der Boomer-Generation wissen gar nicht, wie das geht. Sie freuen sich auf die Rente und stellen dann fest: Jetzt bin ich auch nicht zufrieden.
Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass Arbeit uns glücklich macht. Aber wir wissen, dass es uns unglücklich macht, keiner sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen. Die meisten Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Arbeit ab etwa 55 Stunden pro Woche ungesund ist. Weniger gut untersucht ist jedoch die Frage, welcher Workload zufrieden bis glücklich macht.
Innere Kündigung und Quiet Quitting
Für eine innere Kündigung gibt es eine Reihe von Gründen; am häufigsten gehören Unzufriedenheit und Perspektivlosigkeit dazu. Dies macht sich zunächst an der fehlenden Motivation des Mitarbeiters bemerkbar, der gedanklich mit dieser Stelle bereits abgeschlossen hat. In vielen Fällen führt die stille Kündigung schliesslich zu einer rechtskräftigen Kündigung und dies bedingt den Anstieg der Mitarbeiterfluktuation innerhalb des Unternehmens.
Die innere Kündigung ist nicht gleichzusetzen mit dem Zustand des Quiet Quitting. Immer mehr Menschen schenken dem Privatleben mehr Bedeutung und verweigern zusätzliche Leistungen, selbst wenn diese bezahlt sind. Quiet Quitter liegen in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen.
Die fünf Phasen der inneren Kündigung:
- Frustration: Der Mitarbeiter fühlt sich unzufrieden aufgrund von Misserfolgen oder ist mit dem Führungsverhalten des Arbeitgebers nicht zufrieden.
 - Völlige Demotivation: Krankmeldungen häufen sich und der Mitarbeiter beginnt mit einem passiv-aggressiven Protest.
 - Verlassen des Arbeitsplatzes: Im letzten Schritt kommt es entweder zu einem Jobwechsel oder zur Kündigung.
 
Da Einstellungsprozesse viel Zeit in Anspruch nehmen und ebenso viele Ressourcen benötigen, sollten Sie als Unternehmen versuchen, den Arbeitsplatz für Ihre Arbeitnehmer so angenehm wie möglich zu gestalten. Zu den effektiven Lösungen gehören unter anderem:
- Suchen Sie den Kontakt zu Ihren Mitarbeitern
 - Bieten Sie Ihren Mitarbeitern attraktive Vergünstigungen
 - Würdigung der Arbeitsleistung
 - Sorgen Sie für ein gutes Arbeitsklima
 - Faire Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten
 
Die Auswirkungen von Umzügen in der Kindheit
Psychologen wissen schon länger, dass häufiges Umziehen für viele Kinder gravierende Einschnitte sind und sich das im Erwachsenenalter negativ auswirken kann. Kinder, die häufig umziehen, kommen in der Schule nicht so gut mit und haben mehr Verhaltensschwierigkeiten. Sie hatten weniger enge soziale Beziehungen. Dies unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand.
Mit jedem Umzug im Kindesalter erhöht sich das Risiko, als Erwachsener gewalttätig, psychisch krank oder drogenabhängig zu werden. Die Kinder litten umso mehr, je öfter sie umgezogen und je älter sie waren. «Das höchste Risiko für spätere psychische Probleme hatten jene, die im Alter von 12 bis 14 Jahren umgezogen sind», schreiben die Autoren.
Die Kinder würden entwurzelt, gehörten nicht von Anfang an dazu, hätten ein anderes Schulsystem, neuen Stoff und müssten sich immer wieder anpassen. Wenn dann eine ‹Peergroup› (eine Gruppe von Menschen mit gemeinsamen Interessen) fehlt, ist es umso schwerer. Die Gefahr, später psychisch darunter zu leiden, ist laut dem Psychologen gegeben.
Eltern sollten den Kindern so viel Sicherheit und Zuverlässigkeit wie möglich garantieren. Sie sollten sich darum kümmern, dass die Kinder sich integrieren - in der Freizeit einen Verein finden, neue Freunde. Aber auch die Schule müsse sich Zeit nehmen, die Integration der Kinder zu unterstützen. Lehrer sollten die Willkommenskultur von neuen Schülern auch in der Klasse thematisieren.
Einsamkeit als gesellschaftliches Problem
Laut der Gesundheitsbefragung des Bundes von 2017 fühlen sich etwa 5 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren oft oder sehr oft einsam. Nimmt man diejenigen dazu, die sich manchmal einsam fühlen, kommt man auf 40 Prozent.
Situative Einsamkeit nennt es die Wissenschaft, wenn wir uns beispielsweise an einem Sonntagabend mehr Gesellschaft wünschen, die Einsamkeitsgefühle jedoch bereits nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Problematisch hingegen ist die andauernde oder chronische Einsamkeit, die zur Belastung wird. Chronische Einsamkeit kann sich negativ auf die Gesundheit auswirken, denn sie bedeutet Stress. Und dieser wiederum kann zu psychischen und körperlichen Beschwerden wie Depression, schlechtem Schlaf und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
Gemäss Schmidts Beobachtungen haben Jugendliche massiv unter den Massnahmen gelitten: «Während der Pandemie wurden die Kontakte stark eingeschränkt. Dabei sind gerade im frühen Jugendalter die Kontakte zu Gleichaltrigen oft wichtiger als jene zur Familie.
Weil Einsamkeit verschiedene Ursachen hat, gibt es auch kein Patentrezept, das auf alle Betroffenen angewendet werden kann. Manchen hilft ein einfacher Griff zum Telefon, anderen eine Verhaltenstherapie, um nachteilige Gedanken und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern oder an sozialen Fertigkeiten zu arbeiten. Einige brauchen Gelegenheiten und Orte, um andere Menschen zu treffen. Gleichzeitig müsse die Allgemeinheit allen Menschen eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen.
Psychopathen in Chefetagen?
Es braucht einen ausgeprägten narzisstischen Antrieb, um ganz nach oben zu kommen und sich dort zu behaupten. Und es ist eher unwahrscheinlich, dass man das ohne Schäden an körperlicher und psychischer Gesundheit durchsteht. Viele der Generation Y, die jetzt nachrücken sollten, wollen sich das gar nicht antun. Das Gleiche gilt für Frauen, die bekanntlich über eine höher ausgeprägte emotionale Kompetenz verfügen.
Etwas, was die Lebensqualität unmittelbar verbessert, ist Reizentzug und mediales Fasten. Oder konkreter: das Smartphone weglegen, besser ausschalten. Die meisten Vielbeschäftigten werden nicht krank wegen der vielen Aufgaben, die sie zu bewältigen haben, sondern weil sie nicht mehr aus dem Fenster schauen und keine Pausen machen. Sie sind nicht primär in Hast, sondern auf der Flucht.
Die innere Mitte und damit auch die Fähigkeit zur Zufriedenheit haben solche Menschen längst verloren. Ich sass in unzähligen tollen leeren Häusern, trank die besten Rotweine mit den einsamsten Menschen der Welt, die alles hatten ausser Emotionen und Freunden. Denken geht schnell, Fühlen und Freundschaften brauchen Zeit.
Es bringt dem Klienten nichts, ewig in seiner Kindheit rumzustochern und zu schauen, was da alles schiefgelaufen ist. Unsere Gesellschaft neigt dazu, Menschen unnötig zu pathologisieren. Wer traurig ist, wird wegen einer Depression krankgeschrieben, wer sich erschöpft fühlt, mit der Allzweckdiagnose Burn-out stillgelegt. Viele bräuchten weder Psychoanalyse noch Medikamente, sondern eine erfahrene Bezugsperson, die ihnen hilft, einen klaren Blick auf die Gegenwart zu werfen und zu erkennen, welches die wichtigsten Belastungsfaktoren sind und welche Massnahmen die Situation verbessern.
Nein, es ist wertvoller, wenn die Manager im System bleiben und die Spielregeln von innen verändern. Wer schon nur die zahlreichen stumpfsinnigen Abend- und Wochenendveranstaltungen und Meetings aus dem Kalender streicht, wo lauter Unersetzliche ihr Ego spazieren führen, gewinnt eine Menge Lebensqualität.
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