Das Leben mit Kindern kann zeitweise anstrengend sein. Doch was, wenn die Erschöpfung über Wochen und Monate anhält?
Sieben Uhr - der Wecker schrillt. Augen auf, das Gedankenkarussell startet: Die Kinder müssen bereit gemacht, Brote gestrichen werden, der Geschirrspüler ist auch fertig. Übervolle Wäschekörbe stapeln sich auf dem Sofa, das Bad müsste auch wieder geputzt werden. Im Nebenzimmer kracht es, ein Kind weint. «Ich kann nicht mehr» - dabei hat der Tag noch nicht einmal begonnen.
«Ich hatte sicher seit ein, zwei Jahren Momente, in denen mir im Alltag schwindlig wurde», sagt Sandra Müller aus Biel. Sie ist Mutter zweier Söhne im Alter von vier und sechs und leidet unter dem Mutter-Burn-out. Um ihre Familie vor Verurteilungen zu schützen, ist ihr Name geändert.
Der Begriff des Eltern-Burnouts wurde im Jahr 1989 erstmal in der Literatur genannt, in der Forschung erhielt das Phänomen erst in den letzten 15 Jahren mehr Aufmerksamkeit. Doch es existiert auch im familiären Umfeld: Rund fünf Prozent der Schweizer Eltern leiden unter dem «parental Burn-out» - zu Deutsch Mutter-Burn-out, da meist Frauen betroffen sind.
Was ist ein Mutter-Burnout?
Beim Mutter-Burn-out handelt es sich nicht um eine eigenständige Diagnose, sondern um eine sogenannte Qualifying Diagnosis. gestellt, das Mutter-Burn-out ist eine spezielle Form davon. «Die elterliche Erschöpfung kann ein Grund sein, warum es letztlich zu einer Depression gekommen ist», erklärt die Zürcher Psychotherapeutin Angela Häne, die sich auf die psychische Gesundheit von Frauen spezialisiert hat. Auch Väter sind wegen Burn-outs bei ihr in Behandlung, jedoch deutlich seltener.
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Elterliches Burnout ist ein körperliches und psychisches Erschöpfungssyndrom, das mit der Elternrolle zusammenhängt. In der neuen Ausgabe des internationalen Klassifikationssystems der Krankheiten ICD-11 wird zwar das beruflich bedingte Burnout als Syndrom in Folge von chronischem Stress im Arbeitskontext aufgeführt, der Begriff des Eltern-Burnouts ist jedoch nicht erwähnt und somit auch weiter nicht offiziell als Diagnose klassifizierbar.
Diese gravierende Lücke ist problematisch und aufgrund des mangelnden Bewusstseins sind Eltern-Burnouts nach wie vor mit Scham behaftet. Der starke Anstieg der Anrufe beim Elternnotruf zeigt jedoch deutlich, wie dringlich die Situation und wie wichtig die Aufklärung und Enttabuisierung ist.
Symptome eines Mutter-Burnouts
Ähnlich wie beim Job-Burn-out treten die Symptome oft zuerst vereinzelt auf und zeigen sich über die Zeit. «Irgendwann überwiegt einfach das Negative», sagt Angela Häne. , musste mich übergeben und habe am ganzen Körper gezittert, wenn ich vor Aufgaben stand, die erfüllt werden mussten», erinnert sich Sandra Müller. Zum Beispiel ihren Sohn vom Turnen abholen.
Zentral für das Mutter-Burn-out ist eine gewisse Enttäuschung über sich selbst. «Ich erlebe es häufig, dass diese Mütter mir sagen, dass sie eine andere Mama hätten sein wollen», sagt Angela Häne. Eine Mutter, die «alles im Griff» hat: Erziehung, Haushalt, Job, Partnerschaft und das eigene Äussere. Doch die Realität sieht anders aus - mit Problemen beim Stillen, trotzenden Kleinkindern und wütenden Teenies. Viele Eltern seien dann überrascht von ihren eigenen Gefühlen und ihrem Verhalten.
- Erschöpfung: Betroffene fühlen sich komplett leer und antriebslos.
 - Emotionale Distanz: Man befindet sich in einer Art Roboter-Modus, hat nicht mehr die Energie, präsent zu sein für die Kinder.
 - Verlust der Freude am Elternsein: «Man mag seine Kinder noch, aber man hat die Freude am Zusammensein verloren», sagt Mikolajczak. Es schwinden Leistungsfähigkeit und Identifikation mit der Elternrolle.
 - Gefühl des Kontrasts: Das vierte Symptom ist das Gefühl des Kontrasts, also nicht die Mutter oder der Vater zu sein, die oder den man hätte sein wollen.
 
Weitere Anzeichen für ein Mama-Burnout können sein:
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- Erschöpft sein
 - Ausgebrannt sein
 - Leicht reizbar sein
 - Überfordert sein
 - Unendlich müde sein
 - Verzweifelt sein
 - Schwierigkeiten haben, sich zu motivieren
 - Schwierigkeiten haben, abzuschalten, wenn man einen Moment für sich hat
 
«Als ich meinen Freundinnen erzählt habe, wie es mir geht, waren viele überrascht. Sie dachten, bei mir würde alles gut laufen», erzählt Sandra Müller. Als gelernte Fachfrau Betreuung Kind habe sie einen gewissen Stresspegel immer gut bewältigen können - ja sogar gern gehabt. «In meinem Kopf konnte ich alles schaffen.
Ursachen und Risikofaktoren
Die hohen Ansprüche an sich selbst und der heutigen Leistungsgesellschaft, fehlende Emotions- oder Stressmanagementfähigkeiten, mangelnde emotionale oder praktische Unterstützung des zweiten Elternteils oder des sozialen Netzwerks sind Hauptbelastungsfaktoren, wie beispielsweise Forschende der Université catholique de Louvain, Belgien, herausfanden. Wenig Schlaf, ständige Verfügbarkeit und mangelnde Erholung beschleunigen eine sich anbahnende Erschöpfung zusätzlich.
Ein Risikofaktor für Eltern-Burnout ist der eigene Anspruch, ein perfekter Vater oder eine perfekte Mutter sein zu müssen und das Gefühl, mit all den damit verbundenen Pflichten alleine zu sein. Unter Druck geht der klare Blick schnell verloren und man muss sich erst wieder bewusstwerden, welches die eigenen Ansprüche sind und über welche Ressourcen man verfügt.
Weitere Faktoren, die zu einem Eltern-Burnout führen können:
- Das Gefühl, hilflos immer neuen und steigenden Anforderungen ausgeliefert zu sein.
 - Das Gefühl, alles allein bewältigen zu müssen.
 - Hohe Ansprüche an sich und ein dauerhaft schlechtes Gewissen.
 
Wie man einem Mutter-Burnout entgegenwirken kann
Nicht immer ist eine psychotherapeutische Behandlung nötig. Wenn es sich um eine leichte Depression handelt hinter dem Burn-out-Zustand, kann es schon helfen, sich selbst mehr Zeit und Wertschätzung zu schenken. «Der erste Schritt ist die konkrete Entlastung der Mutter», erklärt Angela Häne. Der Partner oder die Partnerin kann einen grösseren Anteil an der Care-Arbeit übernehmen. Eltern, Schwiegereltern, Freundinnen oder Nachbarn können helfen. , die Kinder während der Nacht betreuen, wenn die finanziellen Mittel dazu vorhanden sind.
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Freiräume sollen dazu dienen, Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl zu entwickeln. «Die Mütter müssen lernen, auch sich selbst zu bemuttern», betont Häne. Die zentrale Frage lautet: Was kann ich mir zuliebe tun, und was vermittelt mir ein gutes Gefühl? Es ist wichtig, klein anzufangen. Schon ein Kleidungsstück oder bestimmte Musik kann positive Gefühle wecken. «Manchen Müttern hilft Traditionelle Chinesische Medizin oder Kinesiologie», sagt Angela Häne.
«Ich habe als Erstes meine Mutter um Hilfe gebeten, als ich gemerkt habe, dass ich die Kinder nicht mehr versorgen kann», erinnert sich Sandra Müller. Doch genützt habe es nicht. «Der Druck, dass ich mich jetzt erholen muss, hat mich noch zusätzlich gestresst.» Sandra Müller wandte sich nach und nach an verschiedene Ärzte, erzählte von ihren Beschwerden und Schwierigkeiten im Alltag. «Ich glaube, viele haben mich nicht wirklich ernst genommen», meint die 33-Jährige. wurden verschrieben, aber nichts half. Im Gegenteil, die Panikattacken wurden häufiger.
In vielen Fällen reichen die Versuche zur Selbsthilfe nicht aus, um das Mutter-Burn-out zu überwinden. Falls der Erschöpfungszustand über acht bis zwölf Wochen anhält, kann eine Mutter oder ein Vater ihrem Alltag nicht mehr nachkommen. ratsam. Sie kann ambulant oder stationär gemacht werden.
Oft bietet ein anfänglicher Klinikaufenthalt mit anschliessender ambulanter Psychotherapie eine gute Möglichkeit, um die Gedankenspiralen des Burn-outs zu durchbrechen. Man fokussiert sich darauf, zu lernen, dass es die «perfekte Mutter» nicht gibt - und dass es entscheidend ist, eine zufriedene und glückliche Mutter zu verkörpern. Eine Therapie dauert in der Regel sechs bis zwölf Monate, wenn man sich früh genug Hilfe sucht. Meist werden Einzelsitzungen angesetzt, die teils auch virtuell stattfinden können.
Sandra Müller nahm den Rat ihres Arztes an und entschied sich für einen Klinikaufenthalt. «In der ersten Woche hatte ich enormen emotionalen Stress, weil ich alles in Frage gestellt habe. In der zweiten Woche wurde ich dann richtig müde. Ich glaube, das war die ganze Erschöpfung, die sich aufgebaut hatte, weil ich bis an meine Grenze funktioniert habe.»
Insgesamt zweieinhalb Wochen verbrachte sie in stationärer Therapie, lernte, sich selbst wieder wahrzunehmen und wertzuschätzen. «Es geht mir besser», sagt Sandra Müller heute. nun auf einem guten Weg. Sie habe gelernt, sich auch einmal rauszunehmen aus den Alltagspflichten, wenn es zu viel werde. «Mein neues Motto lautet: Was du nicht geschafft hast bis um acht, das bleibt liegen über Nacht», sagt sie und lacht.
Tipps zur Selbsthilfe und Prävention:
- Perfektionismus ablegen: Mal fünfe gerade sein zu lassen, tut gut.
 - Erwartungen runterschrauben.
 - Me-Time einrichten: Bewusst Ruhezonen in den Alltag integrieren.
 - Sich selbst wieder wichtig nehmen und öfter mal eine Pause machen.
 - Vernetzt euch! Teilt die Aufgaben mit anderen Eltern, Nachbarn, Grosseltern.
 - Eigene Ansprüche herunterfahren und weniger perfektionistisch sein.
 - Herausfinden, was man selber brauche und dem auch Wichtigkeit einräumen.
 
Es ist extrem wichtig, dass sich Eltern trauen, über Schwierigkeiten zu sprechen, statt einfach alles in sich hineinzufressen, bis alles explodiert. Alle Eltern würden mal an ihre Grenzen kommen.
Wo man Hilfe finden kann:
- Elternberatungsstellen
 - Psychologen
 - Coaches
 - Elternnotruf
 - Ärzte
 
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