Im Alltag und in den Medien werden die Begriffe psychosoziale Beratung und Coaching oft gleichbedeutend verwendet. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass es sich um unterschiedliche Ansätze handelt. Dieser Artikel beleuchtet die Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines psychologischen Beraters, die Unterschiede zum Coaching und zur Psychotherapie sowie die Vorteile einer psychosozialen Beratung.
Coaching: Eigeninitiative und berufliche Weiterentwicklung
Im Coaching stehen individuelle Themen im Fokus, die eng mit Beruf und Karriere verbunden sind. Coachs entwickeln gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zur beruflichen Veränderung, begleiten sie durch Veränderungsprozesse und greifen Themen aus dem Privatleben auf, wenn diese eng mit dem beruflichen Weg zusammenhängen. Coachs fungieren als Zuhörer und Gesprächspartner, bieten keine Lösungen, sondern begleiten Klienten auf ihrem Weg der Selbstreflexion und stossen Verhaltensänderungen an. Die Basis für die Zusammenarbeit ist eine vertrauensvolle Beziehung.
Methoden im Coaching
Klassische Coaching-Methoden wie Gesprächsführung nach Carl Rogers oder tiefenpsychologische Ansätze haben ihre Wurzeln in den psychotherapeutischen Schulen. Coaching ist jedoch keine Therapie, sondern richtet sich an gesunde Personen. Die Methoden werden vor allem eingesetzt, um das Selbstmanagement zu verbessern, neue Kommunikationsstrategien zu lernen oder die berufliche Rolle zu reflektieren.
Wer profitiert von einem Coaching?
Die Dienstleistung von Coachs nehmen in der Regel Personen mit Führungsaufgaben in Anspruch. Eine angeleitete Selbstreflexion und das Spiegeln spezifischer Muster, besonders in Konfliktsituationen, empfinden die Klienten als sehr hilfreich. Meist fehlt Führungskräften der Blick auf sich selbst. Sie kämpfen sich durch den Berufsalltag und sabotieren sich mit destruktiven Verhaltensweisen oder Einstellungen.
Urs R. Bärtschi, ein erfolgreicher Schweizer Business-Coach, betont, dass Coaching-Prozesse sehr zielorientiert ablaufen. Die Klienten sind zufrieden, wenn ihr Alltag wieder funktioniert, sie die betriebswirtschaftlichen Leistungsziele erreichen oder ihre Karriere vorantreiben. Der Aufbau einer gesunden Work-Life-Balance steht insofern auf der Coaching-Agenda, wenn er dazu dient, die berufliche Performance zu optimieren. Eine tiefenpsychologische Bearbeitung der thematisierten Probleme wird selten in Betracht gezogen.
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Psychosoziale Beratung: Krise, nicht Krankheit
Im Gegensatz zum Coaching kommt die psychologische Beratung in Lebensphasen zum Einsatz, die mit grossem Leidensdruck einhergehen, jedoch (noch) nicht den Kriterien einer psychischen Erkrankung entsprechen. Belastende Situationen wie Ehekrise, Trennung, Jobprobleme oder Todesfälle können zu emotionalen Krisen führen. Psychologische Berater unterstützen gesunde Personen in solchen Momenten. Dabei nimmt die psychosoziale Beratung Lebensthemen wie Übergänge und Umbrüche, den Umgang mit Verlusten sowie damit verbundene berufliche Fragestellungen in den Blick.
Im Vergleich zum Coaching nehmen Individualpsychologische Berater neben ihrer Rolle als Zuhörer und Begleiter eine direktive Position ein: Sie bieten konkrete Interventionen an mit dem Ziel, das Verhalten ihrer Klienten zu erweitern und flexibler zu gestalten. Der Beziehungsaufbau und das Spiegeln des Klienten sind dafür genauso notwendig.
Klienten in der psychologischen Beratung erleben eine krisenhafte Phase, sie sind jedoch nicht psychisch erkrankt. Aus diesem Grund ist die psychosoziale Beratung keine Kassenleistung.
Die Vorteile einer psychologischen Beratung
Die Kosten einer psychosozialen Beratung werden von den Klienten privat getragen. Daraus ergeben sich jedoch zahlreiche Vorteile:
- Keine Auseinandersetzung mit der Krankenkasse: Psychosoziale Berater arbeiten vollkommen eigenständig und unterliegen der absoluten Schweigepflicht auch gegenüber den Krankenkassen. Die Inanspruchnahme einer psychologischen Beratung wird nicht vermerkt. Datenschutz und absolute Vertraulichkeit stehen an oberster Stelle.
- Kurze Wartezeit: Bei einer psychologischen Beratung können Sie nach dem Erstgespräch direkt loslegen.
- Freie Wahl des psychosozialen Beraters: Bei der Wahl von psychologischen Beratern sind Sie vollkommen frei. Die passende Beratungsperson finden Sie zum Beispiel im Beratungsverzeichnis der Akademie für Individualpsychologie.
- Mitspracherecht während der Dauer der Beratung: Gemeinsam mit der Beratungsperson entscheiden Sie, wie viele Sitzungen die Beratung dauert.
Die psychologische Beratung: Inhalt und Ablauf
In einem Erstgespräch besprechen Berater und Klient gemeinsam den Inhalt und Ablauf. Die aktuelle Fragestellung spielt dabei die zentrale Rolle. Die Beratungsperson verfügt über die notwendige Kompetenz, um den Klienten eine Strategie vorzuschlagen und kann aufgrund ihrer umfassenden Ausbildung auf problematische Handlungsmuster hinweisen, um gemeinsam mit den Klienten günstigere Alternativen zu entwickeln.
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Voraussetzungen für psychologische Berater
Beratungspersonen sollten offen dafür sein, ihre eigene Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Jedes Thema, das geklärt ist, steigert ihr Wohlbefinden und sorgt für inneren Frieden und psychische Stabilität. Die langjährige Erfahrung zeigt, dass Menschen, die Schwierigkeiten verdrängen oder vor sich herschieben, in den ungünstigsten Momenten von ihrer Lebensgeschichte eingeholt werden.
Psychologische Berater brauchen ein gewisses Mass an innerer Stabilität, um andere Menschen durch Krisen erfolgreich zu begleiten. Gleichzeitig sorgt die Aufarbeitung der individuellen Lebensgeschichte dafür, dass sie problematische Muster bei ihren Klienten klarer erkennen. Aspekte, die Berater selbst verdrängen, können sie dem Gegenüber nicht spiegeln.
Psychotherapie, psychologische Beratung und Coaching: Eine Abgrenzung
In der Psychotherapie werden Fragestellungen, Einschränkungen und seelisches Leiden behandelt, welche die ganze Person betreffen (bspw. Angststörungen oder Beziehungsprobleme). Bei einer psychologischen Beratung ist der Fokus auf einen klar umrissenen Sachverhalt (bspw. Erziehungsschwierigkeiten oder berufliche Konflikte) gerichtet, bei dem konkrete Massnahmen vorgeschlagen werden. Im Rahmen eines Coachings besteht die Aufgabe in der Unterstützung zur selbständigen Lösung einer Problemsituation als Hilfe zur Selbsthilfe.
Psychotherapie behandelt spezifisch diagnostizierte psychische Störungen, während psychosoziale Beratung präventiv ist und sich auf die Stärkung Ihrer Ressourcen und die Lösung aktueller Probleme konzentriert. Psychotherapie konzentriert sich auf die Diagnose und Behandlung von psychischen Erkrankungen durch ausgebildete Psychotherapeuten. Psychosoziale Beratung dient präventiv und unterstützt auch ohne Diagnose. Ein «Psychosozialer Berater» berät keine Klienten mit einem diagnostizierten Krankheitsbild.
Psychosoziale Beratung unterstützt bei Entscheidungsprozessen, Krisenbewältigung, Konfliktklärung und der Förderung von Beziehungsfähigkeiten. Ihr Ziel ist es, den Leidensdruck zu lindern, Situationen überschaubar zu machen und neue Lösungswege zu finden. Sie fördert selbstbestimmtes Denken und Handeln sowie die persönliche Weiterentwicklung im Umgang mit Lebensaufgaben.
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Psychosoziale Beratung im Überblick
Psychosoziale Beratung unterstützt die Eigenbemühungen einer Person, ihre Verhaltens- und Erlebensmuster weiterzuentwickeln und die persönliche Befindlichkeit, die Interaktion mit dem Beziehungsumfeld sowie die Bewältigung anstehender Lebensaufgaben zu verbessern. Dabei liegt der Fokus der Beratungen auf dem selbstbestimmten, eigenverantwortlichen sowie gemeinschaftsbezogenen Denken, Fühlen und Handeln der Person.
Psychosoziale Beratung bietet eine professionelle Unterstützung bei Entscheidungs- und Veränderungsprozessen, bei Fragen der Sinnfindung, bei Krisenverarbeitung, bei Klärung von Konflikten, bei der Bearbeitung von Gefühlen, Denk- und Wahrnehmungsmustern sowie bei der Förderung von Beziehungsfähigkeit und Bewusstheit. Sie findet Anwendung bei der Begleitung von Einzelpersonen, in der Paar- und Familienberatung und in Organisationen. Sie richtet sich an Personen und Gruppen, die ihr Leben insgesamt selbstständig bewältigen, jedoch zu einzelnen Themenbereichen und Fragen, zu Entwicklungsproblemen und Lebenskrisen Unterstützung suchen.
Von anderen Beratungsformaten unterscheidet sie sich dadurch, dass sie sich auf Anliegen des Menschen in seinem sozialen Kontext fokussiert. Sie arbeitet an den Inhalten, am Prozess und den Zielen, für die der Klient Beratung sucht. Gegenüber Medizin und Psychotherapie macht sie ein Hilfs- und Unterstützungsangebot, keines, das Heilung anstrebt, sondern Entwicklung von Kompetenzen in verschiedensten Bereichen.
Qualitätssicherung in der psychosozialen Beratung
Da Psychosoziale Beratung ein Hilfsangebot macht, bedarf der entstandene Markt einer Regulierung, welche die professionelle Qualität und Sorgfalt der Anbieter gewährleistet. Ein wichtiger Schritt auf dieses Anliegen hin war die Gründung der Schweizerischen Gesellschaft für Beratung (SGfB) im Jahr 2006, die als Dachverband Qualitätsstandards für Ausbildungen und die Berufstätigkeit der Psychosozialen Berater festlegt und überprüft.
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