Wie wäre es mit einem Frühjahrsputz für Ihre Gedanken? Gerade im Frühling lohnt es sich, die eigenen Gedanken zu sortieren, alte Muster zu durchbrechen und Platz für neue Gedanken zu schaffen. In der Zeit der Kohleöfen wurde jeweils im Frühjahr Russ und Asche von den Wänden gewaschen, damit die Häuser im neuen Jahr wieder einen strahlenden Eindruck machen. Heute machen viele Frühjahrsputz, um im eigenen Zuhause aufzuräumen und sauber zu machen.
Diese Tradition lässt sich auch als Führungskraft nutzen: Sortieren Sie negative Glaubenssätze aus und lösen Sie sich von hinderlichen Antreibern, die sich in der Vergangenheit angesammelt haben! Mit einem aufgefrischten Mindset lässt sich Ihre Führungsarbeit stressfreier gestalten. Es lohnt sich eine befreite Haltung zu entwickeln, damit Sie nicht von Antreibern getrieben werden, sondern Ihre eigene Dynamik entwickeln.
Antreiber erkennen und verstehen
Studien konnten zeigen, dass einem 60.000 Gedanken pro Tag durch den Kopf gehen. Die meisten davon sind aber mehr hinderlich als förderlich. Hand aufs Herz: Was sagen Sie sich selbst häufig bzw. was sagen Sie zu Ihren Mitarbeitenden? Kommt Ihnen der eine oder andere Satz bekannt vor? Diese wiederholten Gedanken, die sich teilweise auch in der Sprache manifestieren, heissen Antreiber und lösen bei zu starker Ausprägung Stress aus (Taibi Kahler, 1975). Natürlich sind solche Annahmen häufig eher hinderlich in Ihrem Alltag und schaden auf die Dauer persönlich wie auch beruflich.
Schritte zur Veränderung
- Glaubenssätze identifizieren: Um Ihre automatischen Gedanken angehen zu können und diese nachhaltig zu verändern, müssen Sie in einem ersten Schritt diese aus der chaotischen Gedankenwelt herauskristallisieren. Hören Sie dabei auf Ihr Gefühl: Sind Ihnen einige der oben erwähnten Sätze bekannt vorgekommen? Weckt der eine oder andere Satz Erinnerungen? Halten Sie ab und zu inne und hinterfragen Sie die einzelnen Glaubenssätze: Was ist das für ein Satz? Was macht der mit mir? Und welches Motiv leitet sich von meinem Glaubenssatz ab?
- Muster kritisieren: Kritisieren Sie nun Ihre Muster: Sind Ihre Glaubenssätze wirklich fundiert? Welches Bedürfnis liegt darunter? Fragen Sie sich, was Ihnen jetzt wichtiger ist, als Ihre früheren Glaubenssätze zu leben.
- Bedürfnisse ernst nehmen und Glaubenssätze ersetzen: Nehmen Sie Ihre Bedürfnisse ernst, aber ersetzen Sie negative Glaubenssätze durch positivere oder realistischere Überzeugungen.
- Üben, üben, üben: Übung macht den Meister! Sie müssen ja nicht gerade «Meister» werden - Ihre neuen Gedanken müssen jedoch wiederholt werden, damit diese sich im Hirn verankern. Neben zielgerichteter Weiterbildung im Bereich Leadership können Sie Anker nutzen: Bilder, die an Ihren neuen Glaubenssatz erinnern, Songs, welche Sie vor Arbeitsbeginn oder vor schwierigen Mitarbeitendengesprächen hören oder Gadgets wie z.B. der Schlüsselanhänger Ihres Büroschlüssels, der Sie an Ihren Glaubenssatz erinnert.
Bindungsstile und ihre Auswirkungen
In der Psychologie geht man heute davon aus, dass es vier verschiedene Bindungstypen gibt:
- Sichere Bindung
- Unsicher-vermeidende Bindung
- Unsicher-ambivalente Bindung
- Desorganisierte Bindung
Jeder Bindungstyp entsteht auf Basis von Erlebnissen und verinnerlichten Glaubenssätzen in der Kindheit. Er bestimmt, wie man sich als Erwachsener in Beziehungen verhält.
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Katrin Boger, Psychotherapeutin, erklärt: "In den ersten zwei, drei Lebensjahren prägt sich unser eigenes Bindungsmuster. Wenn ein Baby schreit, signalisiert es seinen Eltern, dass es gerade Unterstützung braucht. Und wenn ich das Glück habe, Eltern zu haben, die prompt und feinfühlig reagieren, entsteht eine sichere Bindung und damit ein tiefes Urvertrauen."
Über die Beziehung mit unseren Eltern haben wir bestimmte Vorstellungen entwickelt: über sich selbst, über andere und über die Welt. So können ungünstige Glaubenssätze entstehen wie: "Ich bin falsch, so wie ich bin" oder "Ich muss mich mehr anstrengen". Diese Gedanken beeinflussen uns im gesamten weiteren Leben. Wie wir unsere Zukunft und unsere Beziehungen gestalten. Das reicht vom "normalen Wahnsinn" bis hin zu Angststörungen oder einer Depression.
Bindungsmuster und ihre Herausforderungen
Ein unsicherer Bindungsstil erschwert eine Beziehung vielleicht. Etwa, wenn jemand unsicher ambivalent gebunden ist: Mal läuft er vor einem Streit davon, dann kommt er wieder zurück und sagt: Wir müssen den Konflikt doch lösen.
Schwieriger wird es bei einer desorganisierten Bindung. Dieser Bindungstyp entsteht, wenn man als kleines Kind Eltern hatte, die man als unberechenbar erlebte, weil sie psychisch krank, suchtkrank oder selbst traumatisiert waren und vielleicht auch zu Tätern wurden. Erwachsenen mit diesem desorganisiertem Bindungsstil sind wie Überraschungseier: Man weiss nie, wie sie reagieren: Flippt die Person aus oder haut sie einfach ab? Diesen Menschen fällt es schwer, Vertrauen in sich und in die anderen aufzubauen. Und für die andere Person ist es schwer, weil sie immer in einer Habachtstellung ist.
"Es wäre gut, diese Begrifflichkeiten nicht so zu pathologisieren. Allein der Begriff 'unsicher' signalisiert ja schon, ich bin nicht okay, so wie ich bin." - Katrin Boger
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Es ist wichtig zu verstehen: Mein Bindungsstil hat mit meiner Lebensgeschichte zu tun und ich bin okay so, wie ich bin.
Konstruktiver Umgang mit Konflikten
Guy Bodenmann, Therapeut, rät: "Streiten ist wichtig. Wenn zwei Menschen ihr Leben aneinander ausrichten, kommt es immer wieder zu Reibungsflächen, da sie unterschiedliche Ziele, Bedürfnisse und Meinungen haben. Anstatt uns dem Frieden zuliebe anzupassen, sollten wir Störendes frühzeitig ansprechen."
Unzufriedene Paare streiten häufiger und länger. Sie geraten öfter in eine Negativspirale und gehen im Streit auseinander, anstatt eine Lösung zu finden. Dies schafft schlechte Voraussetzungen für den nächsten Konflikt.
Um destruktive Muster zu durchbrechen, muss ein Paar einsehen, dass es destruktiv streitet, und erkennen, dass es dies nicht möchte. Danach hilft es zu wissen, wie die beiden es besser machen könnten. Aber am Ende braucht es Übung.
Wichtig ist, sich auf eine konkrete Situation und auf ein konkretes Verhalten zu beziehen. Also zum Beispiel: «Es hat mich gestört, dass du heute den Abwasch nicht gemacht hast, obwohl wir das so abgesprochen haben.» In einem nächsten Schritt geht es darum, die eigenen Gefühle zu ergründen und auszudrücken.
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Partnerschaften haben ein enormes Heilungspotenzial. In einer stabilen Beziehung können neue Erfahrungen gemacht werden, die uns helfen, frühere Verletzungen neu einzuordnen. Wenn die Problematik aber tief sitzt und durch neue Erfahrungen in der Partnerschaft nicht bewältigt werden kann, dann ist eine Therapie angezeigt.
Parentifizierung und ihre Folgen
Isabella Vidmar, psychologische Beraterin, erklärt das Phänomen der sogenannten Parentifizierung: "Parentifizierung - auch Verelterlichung genannt - beschreibt eine Situation, in der Kinder Aufgaben übernehmen, für die eigentlich Erwachsene verantwortlich sind. Der Nachwuchs tröstet, hört zu, organisiert und kümmert sich. «Das Kind wird als Partner- oder Elternersatz angesehen», sagt Vidmar. Das passiere oft nicht bewusst. «Die Eltern sind vielleicht überfordert oder krank und die Kinder springen ein - aus Liebe und einem tiefen Wunsch nach Bindung.»
Die Kehrseite? Das Kind lerne früh, die eigenen Bedürfnisse zu ignorieren. «Es merkt sich dann: Ich darf keine Last sein, sonst verliere ich die Zuneigung meiner Eltern.»
Kinder, die parentifiziert wurden, entwickeln häufig ein ausgeprägtes Gespür für andere - aber keins für sich selbst. «Das führt zu einer permanenten Anspannung, das Nervensystem steht konstant unter Strom», erklärt Vidmar. Urvertrauen könne so kaum entstehen - stattdessen zeigen sich häufig Ängste, Schuldgefühle und ein massives Verantwortungsgefühl. «Viele der Betroffenen werden Perfektionisten, weil sie glauben, dass sie nur liebenswert sind, wenn sie alles richtig machen.»
Was hilft bei Parentifizierung? Psychotherapie kann helfen, die alten Muster zu erkennen und zu durchbrechen. Wichtig sei vor allem die Arbeit am inneren Kind: Was habe ich gebraucht, aber nie bekommen? Was tut mir heute gut?
Das innere Kind verstehen
Christine Harzheim, Psychologin, erklärt: "In der Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang vom verletzten inneren Kind. Damit sind alle Prägungen, alle emotionalen Zustände gemeint, die in unserem Unterbewusstsein gespeichert sind. Vor allem schmerzliche Erfahrungen ruhen hier. Erst wenn in der Gegenwart etwas geschieht, was an den alten existenziellen Kummer erinnert, werden diese unbewussten Reste reaktiviert. Das innere Kind bäumt sich erneut tief verletzt und verzweifelt auf und übernimmt die Regie, ohne dass uns das bewusst wird. Wir verhalten uns plötzlich wie ein tobendes Kind. Ohne Rücksicht auf Verluste, als ginge es um Leben oder Tod."
Wichtige Hinweise auf die Aktivierung des inneren Kindes sind die Heftigkeit der Gefühle wie auch die Geschwindigkeit, mit der sie sich von null auf hundert zubewegen. Immer wenn uns Empörung und Wut schier überfluten, ist vermutlich etwas Altes im Spiel. Allein dieses Bewusstwerden zündet ein Licht des Verstehens im trüben Unterbewussten an.
Es hilft, sich im Hier und Jetzt klarzumachen, dass Alltagsungerechtigkeiten uns heute, wo wir gross und stark sind, zwar ärgern, aber nicht mehr gefährlich werden können. Wir sind nicht mehr ausgeliefert wie ein Kind.
Referenzen
Berne, E. (2006). 1961, übersetzt von Ulrike Müller. Paderborn: Junfermann.
Kahler, T. (1975). DRIVERS: The Key to the Process of Skripts, TAJ, 3, 280-284.
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