Psychiatrische Tagesklinik Fürstenfeldbruck: Ein Fall von versuchtem Mord durch Elektroschocks

In Saal B 266 des Landgerichts München wurde ein erschütternder Fall verhandelt: Ein falscher Arzt soll Frauen dazu gebracht haben, sich Stromstösse zu versetzen. Die Anklage lautet auf Mordversuch in 88 Fällen.

Die perfide Vorgehensweise des Täters

Der Mediziner schaltete sich über Skype zu den Experimenten zu, seine Anweisungen kamen per Chat. Er prüfte, ob die Testperson die Apparatur wie von ihm angewiesen zusammengebaut hat: Zwei Metalllöffel, verbunden mit einem Kabel, angeschlossen an einen Dreifachstecker. Mit einem Holzkochlöffel sollte die Testperson das Ganze anheben.

Er versicherte den Frauen: «Für Sie ist das vollständig ungefährlich. Es kommt höchstens zu unangenehmen Muskelkontraktionen.» Eine junge Frau hielt sich die Löffel an die Füsse und jagte sich 230 Volt durch den Körper. Der Schlag riss sie um, sie zuckte, sie rieb sich die Füsse. Benommen fragte der Mediziner schon per Skype: «Würden Sie jetzt mit den Schläfen fortfahren wollen?»

Er sagte das in einem Ton, der Sicherheit ausstrahlte, Kompetenz, Autorität. Die Frau las die Anweisungen, dann presste sie die Zähne zusammen. Sie drückte die Löffel an die Schläfen. Ein Schlag durchzuckte sie, sie schrie auf. Sie sah Blitze, die in ihr Gehirn zischten, ihr Kopf dröhnte. So erzählte sie es später vor Gericht.

Der vermeintliche Arzt gab vor, eine Studie zur Schmerzempfindlichkeit zu machen. Er versprach mal 100, mal 1500 Euro Honorar. Die Probandinnen sollten den Test bei sich zu Hause machen, da die Kamera an seinem Computer defekt sei. Die Frauen sahen nur die Sätze, die der angebliche Arzt schrieb, ihn selbst sahen sie nicht.

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An die 80 Frauen haben sich zwischen Dortmund und Waren, zwischen Hamburg und Fürstenfeldbruck lebensgefährliche Stromstösse durch den Körper gejagt.

Psychologische Aspekte des Falls

Der Prozess zeigt, wie autoritätsgläubig, wie verführbar Menschen sind. Der angebliche Arzt war nur an Frauen interessiert. Immer wenn sich ein Mann meldete, war die Studie angeblich schon voll. Auch füllige Frauen nahm er nicht auf, aber immer jüngere Mädchen. Er sagte Ja, als eine Schülerin vorsichtig fragte, ob sie mit erst 15 den Test schon machen könne. Er hat auch einer Elfjährigen angeboten mitzumachen.

Es ist keine Frau gestorben, zum Glück. Aber aus dem Gerichtssaal kommen junge Frauen, Taschentücher vor den Augen, die von ihren Müttern in die Arme genommen werden, die schnell weggehen, damit keiner sie erkennt. Sie haben sich gerade selbst gesehen, durch die Augen des Täters. Das Gericht hat ihnen seine Videos vorgespielt.

Die Autorität des weissen Kittels, die Aura des Doktortitels, das wirkt offenbar. Schon 1961 bewies der Psychologe Stanley Milgram, dass ganz normale Menschen dazu fähig sind, Testpersonen mit Elektroschocks bis zum Tod zu quälen, wenn es ihnen nur von einer Autorität befohlen wird.

Jana W. aus Hamburg, eine 25-jährige Pflegefachkraft, sagte aus, sie habe Schulden gehabt, die sie schnell begleichen wollte. Richter Thomas Bott fragte Jana W., ob sie sich die Entschuldigung des Angeklagten anhören wolle. Sie fragte: «Haben Sie das aus sexistischen, sadistischen Gründen gemacht oder nur, um sich überlegen zu fühlen?» Der Angeklagte öffnete den Mund, sein Anwalt hielt ihn zurück. Keine Antwort.

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David G., 30 Jahre alt, dunkle Locken, Bartschatten, Brille. Auf den ersten Blick nichts Auffälliges. Nur, dass ständig seine Mutter neben ihm sitzt. Sein einziges Interesse: Strom. Seit seiner Kindheit war er davon fasziniert.

Als die Polizei bei ihm auftauchte, im Haus seiner Eltern in einem Dorf bei Würzburg, begrüsste er sie, fast erleichtert: «Schön, dass ihr da seid. Ich hab einen Trieb, jetzt kann ich diesen Trieb endlich beenden.»

Die psychische Verfassung des Täters

Erst in der Haft fiel auf, dass David G. eine psychische Störung hat, ein Asperger-Syndrom, das ist eine Form des Autismus. Intellektuell hat sich der Mann problemlos entwickelt, nur das Zwischenmenschliche ist nicht mitgewachsen.

Der psychiatrische Gutachter Henning Sass diagnostizierte beim Angeklagten eine verkorkste Sexualität mit fetischistischen und sadistischen Zügen. Offenbar bezog David G. Lustgewinn daraus, wenn die Mädchen sich seinen Anweisungen fügten und Schmerzen erlitten. zwar einsehen konnte, dass er Unrecht tat. Aber durch seinen Autismus habe er sich nicht wirklich steuern können. Eingeschränkt schuldfähig sei der Angeklagte.

Die Frage der Tatherrschaft

Die Verteidigung stellt die Tatherrschaft infrage und fragt, ob David G. wirklich derjenige war, der die Frauen geschädigt hat. Oder ob sie sich nicht selbst Schaden zugefügt haben, im klaren Wissen um die Gefährlichkeit dessen, was sie tun.

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Da gibt es zum Beispiel den Fall der 23 Jahre alten Frau K., die ihren Freund bat, sie mit einem Gürtel an ihren Bürostuhl zu fesseln. «Mein Freund sagte, das sei hirnrissig und gefährlich», sagt Frau K. Aber er hat ihr trotzdem die Löffel an die Schläfen gedrückt. Frau K. verkrampfte, wurde kurz bewusstlos.

Verteidiger Spiegel hatte gleich zu Beginn erklärt: «Herr G. hat bei keiner der betroffenen Frauen selbst Hand angelegt. Jede Betroffene hat sich bewusst selbst gefährdet. Jede Betroffene hat jede Handlung freiwillig begonnen und hatte die Möglichkeit, sie jederzeit zu beenden. Herr G. wollte nicht, dass jemand dauerhaft geschädigt wird.»

Aber waren sie wirklich naiv? Da gibt es die Medizinstudentin, 50'000 Euro Schulden hatte sie, weil sie im Baltikum studiert hatte.

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