Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) tritt als eine körperliche Reaktion nach einem traumatischen Erlebnis wie einem Gewaltverbrechen, einem schweren Unfall oder einer Kriegshandlung auf. Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine mögliche Folge eines oder mehrerer belastender Ereignisse, die bei fast jedem Menschen zu ausgeprägter Verzweiflung führen würden.
Wie äussert sich eine posttraumatische Belastungsstörung?
Unter dem Begriff Posttraumatische Belastungsstörung, auch unter der englischen Bezeichnung «Post-traumatic Stress Disorder» bekannt, werden unterschiedliche psychische und psychosomatische Symptome zusammengefasst, die als Langzeitfolgen eines Traumas oder mehrerer Traumata auftreten können. Die Basis einer posttraumatischen Belastungsstörung ist ein erlebtes Trauma. Als Traumata gelten Ereignisse wie Krieg, Terrorismus, Vertreibung und Flucht, aber auch persönlich erlebte Gewalteinwirkung bei Überfall, Entführung, Folterung, Vergewaltigung oder anderen Arten von sexuellem Missbrauch.
Verzögerte Symptome
Die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung treten in der Regel nicht sofort auf. Während der erlebten Notsituation entwickeln sich in der Regel erst einmal Schocksymptome: Die Betroffenen sind wie betäubt, viele berichten von dem Gefühl des "Neben sich stehens" (Depersonalisationsgefühl). Die Situation kommt ihnen dann irreal vor. Dabei handelt es sich um einen Schutzmechanismus des Körpers, der dem eigenen Überleben dient. Diese Reaktion auf den massiven Stress nennt man eine akute Belastungsreaktion.
Wenn sich diese Symptome weiterentwickeln und manifestieren, bezeichnen Experten dies als posttraumatische Belastungsstörung. Symptome treten dann oft erst Monate bis Jahre später auf. Sie variieren sehr, sind jedoch stets ernst zu nehmen. Da die Symptome denen anderer Erkrankungen (wie Depression, Borderline-Persönlichkeitsstörung) ähneln, werden diese zunächst ausgeschlossen, was nicht immer leicht ist. Wichtiges Unterscheidungskriterium ist, dass die Symptome einer PTBS zeitlich verspätet nach einem erlebten Trauma auftreten.
Um eine posttraumatische Belastungsstörung zu diagnostizieren, hält sich der behandelnde Arzt an die Kriterien und Symptome, die in der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) aufgelistet sind. Die Diagnostik der PTBS erfolgt überwiegend klinisch und seit dem Jahr 1978 anhand der Kriterien der ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) bzw. DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). Stützend werden international anerkannte, psychometrische Testverfahren eingesetzt, z.B. die «Impact of Event»-Skala zur Erfassung von psychischen Belastungsfolgen oder das Strukturierte Klinische Interview für DSM-IV-Dissoziative Störungen.
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Symptome im Detail
Die Hauptsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sind:
- Unwillkürliches Erinnern und Wiedererleben des Traumas (Intrusionen und Flashbacks)
 - Vermeidung, Verdrängung und Vergessen des Geschehens
 - Nervosität, Angst und Reizbarkeit
 - Verflachung der Gefühle und Interessen
 
Unwillkürliches Wiedererleben des Traumas (Flashbacks)
Menschen mit PTBS werden spontan von aufkommenden Erinnerungen an das traumatische Erlebnis überwältigt und sind nicht fähig, dies willkürlich zu kontrollieren oder zu unterdrücken. Bei manchen Betroffenen kommen nur Bruchteile der Erinnerung hoch, während andere unter sogenannten Flashbacks leiden. Flashbacks beschreiben das halluzinationsartige Zurückversetzen in das Geschehen. Die Betroffenen haben das Gefühl, die Situation noch einmal zu durchleben.
Auslöser sind oftmals sogenannte Schlüsselreize, also wenn beispielsweise ein Kriegsopfer Schreie hört oder ein Brandopfer Rauch riecht. Auch das Wiederkehren der traumatischen Erinnerungen in Form von Albträumen ist typisch für die posttraumatische Belastungsstörung. Symptome auf körperlicher Ebene wie Atemnot, Zittern, Schwindel, Herzrasen und Schweissausbrüche treten mitunter zusätzlich auf.
Vermeidung, Verdrängen und Vergessen
Zum eigenen Schutz vermeiden viele Menschen mit PTBS jene Gedanken, Situationen und Aktivitäten, welche die Erinnerung an das Geschehen möglicherweise wecken. Wer beispielsweise einen traumatischen Verkehrsunfall miterlebt hat, meidet öffentliche Verkehrsmittel und Autofahren. Brandopfer meiden eventuell das Anzünden von Kerzen oder Kaminfeuer.
Andere Betroffene sind nicht in der Lage, sich an alle Aspekte des traumatischen Erlebnisses zu erinnern. Experten sprechen von vollständiger oder teilweiser Amnesie.
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Das bewusste Vermeiden ist auf lange Sicht kontraproduktiv für eine Genesung. Es verstärkt die Angst und die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Nervosität, Angst und Reizbarkeit (Hyperarousal)
Viele Traumaopfer sind sehr empfänglich für Reize, und ihre Nerven liegen sprichwörtlich blank. Die Betroffenen sind überaus wachsam (hypervigilant), da sie sich unterbewusst stets in Gefahr wähnen. Zudem sind sie sehr schreckhaft und ängstlich. Auf Dauer ist dieser Zustand sehr anstrengend für den Körper. Es kommt zu Konzentrationsschwierigkeiten, die Aufmerksamkeitsspanne verkürzt sich mit der Zeit immer mehr. Ein Buch zu lesen oder einen Film anzuschauen, wird für die Traumaopfer dann manchmal unmöglich. Diese generalisierte Anspannung führt zu leichter Reizbarkeit und unverhältnismässigen Wutausbrüchen. Angehörige von Betroffenen berichten oftmals von einer plötzlichen Wesensveränderung von früher ausgeglichenen und entspannten Menschen.
Hält die Daueranspannung auch nachts an, entwickeln sich Ein- und Durchschlafstörungen. Zusätzlich leiden einige Betroffene unter Albträumen. Diese fehlende Nachtruhe ist auf Dauer sehr schädlich. Die Betroffenen entspannen sich nicht mehr richtig, und Körper und Geist bekommen keine Möglichkeit, sich zu erholen. Folglich sinkt meistens die Belastbarkeit im Alltag.
Die anhaltende Angst und Anspannung lassen sich mit Sport und Bewegung häufig ein wenig lösen. Die Überwindung zu körperlicher Aktivität ist für viele Betroffene jedoch sehr gross.
Verflachung der Interessen und der Gefühle (Numbing)
Die Lebensfreude ist eventuell durch eine posttraumatische Belastungsstörung nachhaltig beeinträchtigt. Oft verlieren die Betroffenen jegliche Interessen und ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück. Sie verlieren die Lust am Leben und planen ihre Zukunft nicht mehr. Manche sind auch nicht mehr in der Lage, etwas zu fühlen - sei es etwa Freude, Liebe oder Traurigkeit. Es kommt zu einer Abstumpfung der Gefühle (Numbing = Taubheitsgefühl).
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Die Traumaopfer fühlen sich häufig entfremdet und haben das Gefühl, das Erlebte trennt sie von ihren Mitmenschen und Angehörigen. Diese Veränderung des Gefühlslebens endet dann oft in einer Depression.
Weitere Aspekte
Wie traumatisch ein Ereignis erlebt wird, ist individuell. Faktoren wie zwanghafte Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung der Belastungsstörung senken und den Verlauf erschweren. Als ein typisches Merkmal einer Posttraumatischen Belastungsstörung gilt das wiederholte Erleben des Traumas in wiederholten, sich zwanghaft aufdrängenden Erinnerungen. Häufig wird das Ereignis auch in Form von Alb- oder Tagträumen immer wieder erlebt. Betroffene handeln und fühlen, als ob das Ereignis wiedergekehrt wäre, sie sind nicht fähig, das Erlebnis und die Erinnerung daran aus den Gedanken zu verbannen. Bei den Betroffenen tritt meist ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Aufmerksamkeitssteigerung, einer übermässigen Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, Wutausbrüchen und Schlafstörungen auf. Angst und Depression sind häufig mit diesen Symptomen assoziiert.
Im Vergleich zu Unfällen oder Naturkatastrophen zieht die Erfahrung von menschlicher Gewalt (zum Beispiel durch Vergewaltigung, Krieg, politische Verfolgung oder Folter) meist tiefgreifendere Folgen nach sich. Grausamkeiten, die Menschen etwa während eines Krieges oder in Gefängnissen, sowohl als Augenzeugen als auch als Opfer miterlebt haben, lassen sich nicht mit ihrem bisherigen Weltbild vereinbaren. Es bleibt «ein namenloses Grauen, das unvereinbar ist mit dem ursprünglichen Glauben an die Existenz von Menschlichkeit». Menschen, die bereits vor dem Trauma unter psychischen Problemen litten, sind besonders oft betroffen.
Symptome treten üblicherweise innerhalb von 6 Monaten nach dem belastenden Ereignis auf. Die Gedächtnisinhalte bleiben fragmentiert und die Erinnerungsdetails sind als Sinneseindrücke und emotionale Eindrücke stets aktuell. Ziel der PTBS-Therapie ist die Wiedererlangung früherer Ich-Funktionen oder der Erwerb von Funktionen, die infolge der Traumatisierung nicht entwickelt wurden. Zunächst ist eine frühzeitige Anbindung an fachspezifische ambulante Settings zur Diagnostik und Therapieeinleitung indiziert. Gleichzeitig sind das Schaffen einer sicheren Umgebung, der Abbruch von Kontakten zu Tätern und die Aktivierung sozialer Hilfesysteme wichtig.
Schmerz und Trauma
Mitunter treten Schmerzen im Zusammenhang mit Traumatisierung auf. Zum einen lösen manchmal traumatische Erfahrungen wie Unfall oder Terror unmittelbar körperliche Schmerzen aus. Zum anderen tragen frühere Traumatisierungen möglicherweise dazu bei, dass Schmerzsyndrome aufrechterhalten bleiben oder sogar chronifizieren. Ein möglicher Zusammenhang zwischen (chronischen) Schmerzen und PTBS ist bisher aber noch nicht genau geklärt.
PTBS und Intellektuelle Entwicklungsstörung
Kinder und Jugendliche, die an einer Intellektuellen Entwicklungsstörung leiden, erleben häufiger traumatische Ereignisse. Je tiefer die intellektuellen Fähigkeiten sind, desto grösser ist das Risiko, eine Posttraumatische Belastungsstörung auszubilden. Dies liegt daran, dass traumatisierende Erlebnisse schwieriger eingeordnet und verarbeitet werden können. Betroffene verfügen zudem nur über eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit und sind, unter anderem aufgrund fehlender Alltagserfahrung, weniger flexibel.
Akute Belastungsreaktion
Eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt, und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt. Die individuelle Vulnerabilität und die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen (Coping-Strategien) spielen bei Auftreten und Schweregrad der akuten Belastungsreaktionen eine Rolle. Die Symptomatik zeigt typischerweise ein gemischtes und wechselndes Bild, beginnend mit einer Art von „Betäubung“, mit einer gewissen Bewusstseinseinengung und eingeschränkten Aufmerksamkeit, einer Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten und Desorientiertheit. Diesem Zustand kann ein weiteres Sichzurückziehen aus der Umweltsituation folgen oder aber ein Unruhezustand und Überaktivität (wie Fluchtreaktion oder Fugue). Vegetative Zeichen panischer Angst wie Tachykardie, Schwitzen und Erröten treten zumeist auf. Die Symptome erscheinen im allgemeinen innerhalb von Minuten nach dem belastenden Ereignis und gehen innerhalb von zwei oder drei Tagen, oft innerhalb von Stunden zurück. Teilweise oder vollständige Amnesie bezüglich dieser Episode kann vorkommen.
Behandlung
Die Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung ist schwierig und langwierig. Sie erfordert von allen Seiten grosse Geduld und Verständnis. Die Grundlage von Behandlungen einer Posttraumatischen Belastungsstörung ist immer, dass die Traumatisierung in der Vergangenheit liegen muss. Es ist nicht möglich, eine Behandlung durchzuführen, während Betroffene noch in einer traumatisierenden Situation sind. Für die psychologische Behandlung stehen heute viele unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. In der Regel umfasst die psychologische Behandlung drei Stufen: Die Stabilisierung, die Traumabearbeitung und die Reintegration.
Unser Ziel ist es, mit unseren Patientinnen und Patienten Krankheitssymptome abzubauen und innere Belastungen und Konflikte anzugehen. Wir unterstützen sie, mit schwierigen Lebenssituationen konstruktiver umzugehen, ihre Beziehungen und ihren Welt- und Selbstbezug zu verbessern und sich persönlich zu entwickeln. Damit sie ihr Leiden überwinden und mittel- und langfristig wieder mehr Lebensqualität erleben können.
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