Posttraumatische Belastungsstörung: Unversehrtheit und ihre Wiederherstellung

Unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) versteht man die anhaltende psychische Reaktion auf ein belastendes Ereignis von aussergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmass.

Mit einem Trauma sind also nicht schwierige Lebenssituationen wie Trennung oder Stellenverlust gemeint, sondern Ereignisse, bei denen die körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben auf dem Spiel stehen.

Traumatische Erfahrungen können sehr kurz dauern - wie etwa bei einem Verkehrsunfall oder einem Überfall - oder sich über viele Jahre erstrecken, beispielsweise bei sexuellem Missbrauch oder politischer Haft und Folter.

Nicht nur die unmittelbar Betroffenen solcher Erlebnisse können Symptome einer PTSD entwickeln, sondern auch Augenzeugen, nahe Angehörige oder Menschen, die beruflich immer wieder mit Traumata konfrontiert sind, z.B. Kriegsfotografen, Mitarbeitende von Blaulichtorganisationen oder Notfallseelsorger.

Bei uns in Mitteleuropa sind traumatische Erfahrungen vergleichsweise selten, dennoch wird statistisch gesehen etwa die Hälfte von uns mindestens einmal im Leben von einem Trauma betroffen.

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Einflussfaktoren auf die psychischen Folgen

Art und Schweregrad einer traumatischen Erfahrung haben Einfluss auf die späteren psychischen Folgen. Vereinfachend lässt sich sagen, dass zwischenmenschliche, oft einer Absicht folgende Traumatisierungen wie etwa sexuelle Gewalt schwieriger zu bewältigen sind als schicksalshafte, z.B. ein Erdbeben oder ein Unfall.

Auch hinterlassen langanhaltende oder wiederholte Erfahrungen meist tiefere Spuren als einmalige, kurzzeitige Ereignisse.

Die Art des Traumas ist jedoch nicht der einzige Einflussfaktor. Entscheidend ist auch, welche Ressourcen für die Bewältigung einer traumatischen Erfahrung zur Verfügung stehen.

Ist die von einem Trauma betroffene Person bereits stark unter Druck durch Konflikte am Arbeitsplatz, Scheidung oder Erkrankung, stehen unter Umständen nicht mehr genügend Belastungsreserven zur Verfügung, um auch noch ein Trauma zu bewältigen.

Umgekehrt können bisweilen auch schwerste traumatische Erfahrungen aufgefangen werden, wenn ein tragendes soziales Umfeld und stabile Rahmenbedingungen vorhanden sind.

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Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung

Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann sich direkt nach einem belastenden Ereignis, manchmal aber auch erst Jahre später entwickeln.

Wiedererleben

Das innere Wiedererleben der traumatischen Situation kann sich in Form unangenehmer Erinnerungen oder Albträumen äussern. Dabei handelt es sich nicht nur um Bilder oder den „inneren Film“, oft sind damit auch Geruchs-, Geräusch- oder Körpererinnerungen verbunden.

Gleichzeitig können damit auch Gedanken und Gefühle der traumatischen Situation aktiviert werden, etwa die Todesangst.

Wiedererlebenssymptome können ausgelöst, „getriggert“ werden durch Situationen, welche Ähnlichkeit mit dem traumatischen Ereignis aufweisen.

Diese Trigger sind manchmal offensichtlich, beispielweise ein schussähnlicher Knall oder eine dunkle Strasse, manchmal aber auch sehr subtil und schwer erkennbar, etwa der diskrete Geruch eines Aftershaves.

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Vegetative Übererregbarkeit

In einer Bedrohungssituation wird das vegetative Nervensystem stark aktiviert. Dies entspricht einer biologischen Schutzreaktion: Körper und Geist werden maximal aktiviert, um die Überlebenschancen zu verbessern.

Typisch für eine Posttraumatische Belastungsstörung ist, dass die Betroffenen auch nach Beendigung der traumatischen Situation in diesem Aktivierungszustand verharren oder im Rahmen des Wiedererlebens immer wieder hineinversetzt werden.

Vegetative Übererregbarkeit äussert sich in Anspannung, Schreckhaftigkeit oder auch einem Gefühl ständiger Bedrohung. Körper und Psyche bleiben in einer Art Alarmzustand gefangen.

Damit können auch Reizbarkeit, Nervosität, Impulsivität, Schlaf- und Konzentrationsstörungen einhergehen.

Vermeidungsverhalten

Wiedererleben und vegetative Übererregbarkeit können sehr belastend sein. Entsprechend versuchen die meisten Betroffenen - teils bewusst, teils unbewusst - Situationen in ihrem Alltag zu vermeiden, durch welche Erinnerungen an das traumatische Ereignis ausgelöst oder verstärkt werden können.

Nach einem Verkehrsunfall wird möglicherweise das Autofahren oder die öffentlichen Verkehrsmittel gemieden. Nach politischer Haft geht man vielleicht nicht mehr in den dunklen, feuchten Keller oder vermeidet den Kontakt mit Menschen in Uniformen.

Gerade bei zwischenmenschlichen Traumatisierungen besteht oft eine Tendenz zu generellem sozialem Rückzug und Misstrauen.

Solche Vermeidungsstrategien sind verständlich und können kurzfristig auch zu einer Entlastung beitragen. Sie können aber längerfristig zu starken Beeinträchtigungen im Alltag führen.

Veränderungen in Kognition und Stimmung

Traumatische Ereignisse liegen ausserhalb unserer Alltagserfahrung. Ohnmacht und existentielle Bedrohung einer traumatischen Situation widersprechen unserem mehr oder weniger ausgeprägten Gefühl von Sicherheit, Kompetenz und Bewältigbarkeit, welches uns üblicherweise durchs Leben geleitet.

Entsprechend führen traumatische Erfahrungen oft zu Erschütterungen unseres Welt- und Menschenbildes wie auch der Vorstellungen über uns selbst. Verunsicherung, Angst, Misstrauen, Wut, Verbitterung, Pessimismus, aber auch Ekel, Scham- und Schuldgefühle können die Folge sein.

Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung

Je früher eine PTSD therapiert wird, desto besser sind die Behandlungsaussichten. Allerdings fällt der erste Schritt oft nicht leicht: Die Aussicht, über die traumatische Situation sprechen und sich damit auseinandersetzen zu müssen, ist belastend und wirkt oft abschreckend.

Falls Sie sich zu einer Abklärung entschliessen, werden wir Ihnen zwar Fragen zu Ihren Symptomen, deren Ursache und Ihrem Lebenshintergrund stellen, Sie werden aber zu nichts gedrängt und können selbst entscheiden, was Sie berichten möchten.

Gerade bei zwischenmenschlichen Traumata benötigt der Vertrauensaufbau Zeit, und besonders schwierige Aspekte können oft erst im Verlauf offengelegt werden.

Da die posttraumatische Belastungsstörung nicht die einzige mögliche Folge traumatischer Erfahrungen ist, werden wir im Abklärungsgespräch auch auf andere Krankheitsbilder zu sprechen kommen, etwa eine Depression, eine Angststörung oder ein Burn-out, die gemeinsam mit einer PTSD oder auch für sich alleine auftreten können.

Auch der Konsum von Beruhigungsmitteln, Alkohol oder Drogen findet sich oft im Sinne einer Selbstbehandlung, um etwas zur Ruhe zu kommen oder weniger Angst zu haben, und wir werden uns deshalb danach erkundigen.

Mit entsprechender therapeutischer Hilfe kann eine Posttraumatische Belastungsstörung häufig gut bearbeitet und überwunden werden.

Wichtig ist daher, bei entsprechendem Verdacht frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Je länger die Symptome unbehandelt bleiben, desto höher ist das Risiko einer Chronifizierung, desto schwerwiegender sind die Auswirkungen auf Ihren Alltag und Ihr Umfeld und desto grösser wird der Behandlungsaufwand, um eine Symptomverbesserung zu erzielen.

Traumafolgestörungen

Eine Traumafolgestörung bezeichnet anhaltende Gefühle von Angst, Panik, Ekel oder Wut nach einem traumatischen Ereignis oder einer Reihe solcher Ereignisse.

Während belastende Situationen Teil des Lebens sind und häufig bewältigt werden können, kommt es manchmal zu anhaltenden Beeinträchtigungen nach solchen Erfahrungen. Bestimmte Ereignisse führen dabei eher zu einer Traumafolgestörung als andere.

Als besonders traumatisierend erlebt werden häufig Situationen, die unerwartet auftreten und die Unversehrtheit einer Person bedrohen.

Die Betroffenen erleben eine starke Hilflosigkeit und einen Kontrollverlust. Dazu gehören Krieg, Folter, schwere Unfälle, Katastrophen sowie sexueller, körperlicher oder psychischer Missbrauch.

Allen Traumafolgestörungen ist gemein, dass der Entstehung der Erkrankung eine identifizierbare traumatische Erfahrung vorausgeht.

Einordnung der Traumafolgestörungen

Zu einem gewissen Ausmass gehören negative Ereignisse zum Leben und viele Menschen entwickeln individuelle Strategien, um damit umzugehen. Gewisse negative Ereignisse sind jedoch so schwer belastend, dass bei nahezu jeder Person eine tiefgreifende Reaktion darauf erfolgen würde.

Als Folge davon bilden Menschen eine akute Belastungsreaktion oder eine posttraumatische Belastungsstörung aus.

Davon abzugrenzen sind Reaktionen auf Stress verursachende Situationen, die viele Personen erleben und deren Bewältigung für gewisse Personen dennoch eine massive Herausforderung darstellen wie z.B. anhaltende Konflikte, Scheidung, Trennung oder andere Formen von Verlusterlebnissen.

In diesen Fällen entwickelt sich möglicherweise eine Anpassungsstörung oder im Falle eines Todes eine anhaltende Trauerstörung.

Abgesehen von der potentiell traumatisierenden Situation, ist es allen Traumafolgestörungen gemeinsam, dass der Gedächtniszugang nicht bewusst reguliert werden kann. Dies führt zum unwillkürlichen Wiedererleben der Situation oder der stark aversiven Gefühlen in Zusammenhang mit der Situation.

Die Entstehung einer (einfachen) posttraumatischen Belastungsstörung wird durch kurz- oder langanhaltende Ereignissen aussergewöhnlicher Bedrohung oder grauenhafter Natur begünstigt.

Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung entsteht besonders dann, wenn diese aussergewöhnliche Bedrohung oder Ereignisse grauenhafter Natur im Rahmen längerer oder sich wiederholenden Situationen auftreten und eine Flucht schwierig oder unmöglich ist.

Dazu gehören Kriegserleben, Folter, anhaltende häusliche Gewalt oder wiederholter sexueller Missbrauch in der Kindheit.

Symptome der (komplexen) posttraumatischen Belastungsstörung

Während der potentiell traumatisierenden Situationen treten Symptome wie Amnesie, Derealisation, Depersonalisation, Einengung der Wahrnehmung sowie ein Gefühl der Gefühllosigkeit oder Abwesenheit auf.

Eine Amnesie bezeichnet die Unfähigkeit, sich an Vergangenes zu erinnern, eine Derealisation bezeichnet eine abnorme oder verfremdete Wahrnehmung der Umwelt und die Depersonalisation bezeichnet eine abnorme oder verfremdete Wahrnehmung seiner selbst.

Nach der belastenden Situation kehrt das Trauma immer wieder unkontrolliert ins Bewusstsein zurück. Betroffene fühlen sich ins Trauma zurückversetzt und zeigen ähnliche Reaktionen wie während des Traumas selbst. Manchmal können die Erinnerungen kaum von der Realität unterschieden werden.

Häufig leiden Betroffene unter Alpträumen und wachen mit Symptomen ähnlich einer Panikattacke auf.

Reize, die an ein Trauma erinnern, wie zum Beispiel Gerüche, Geräusche oder Gefühle, lösen das Wiedererleben des Traumas aus.

Es lassen sich drei Symptomgruppen bilden, in die häufige Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung eingeordnet werden können. Diese drei Symptomgruppen sind Intrusionen, Vermeidungsverhalten und Hyperarousal.

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