Bei der medikamentösen Behandlung von Angsterkrankungen gab es in den letzten Jahrzehnten kaum Fortschritte. Mit Beruhigungsmitteln oder Antidepressiva werden nach wie vor nur die Symptome behandelt.
Alternative Behandlungsansätze bei Angsterkrankungen
Allerdings zeigen neuste Forschungsergebnisse, dass das körpereigene Stresshormon Cortisol grosses Potenzial in der Therapie von Angsterkrankungen aufweist. Der Basler Professor Dominique de Quervain hatte den Effekt des Hormons Ende der 90er-Jahre entdeckt.
Während eines Forschungsaufenthaltes in den USA vor rund 20 Jahren stellte der Neurowissenschaftler Dominique de Quervain fest, dass das Stresshormon Cortisol den Gedächtnisabruf hemmt. Seine Tierstudie zeigte, dass gestresste Ratten sich schlechter an bereits Gelerntes erinnern konnten. Tatsächlich war es genau eine solche Situation, die den Anstoss zu de Quervains Forschung zu Stress und Gedächtnis gab.
Nachdem eine weitere Studie den Effekt von Cortisol auf das Vergessen auch beim Menschen bestätigt hatte, wandte de Quervain sich der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu. «Wir dachten uns, dass wir den Effekt von Cortisol vielleicht positiv nutzen könnten, um damit die Erinnerung an traumatische Ereignisse bei Angstpatienten zu reduzieren.» 2004 testete de Quervain dies erfolgreich. Weitere Studien mit Phobien folgten.
Die heute zur Verfügung stehenden medikamentösen Therapiemöglichkeiten bei Angsterkrankungen beschränken sich auf die symptomatische Behandlung der Angst mit Beruhigungsmitteln oder Antidepressiva. Nach Absetzen der Medikamente kehrt die Angst in den meisten Fällen zurück. Das kommt daher, dass diese Medikamente das Furchtgedächtnis nicht zu reduzieren vermögen, welches den Angsterkrankungen zugrunde liegt.
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Besonders vielversprechend ist der in Basel entwickelte Ansatz, Cortisol in Kombination mit Verhaltenstherapie anzuwenden, um die Lernprozesse pharmakologisch zu unterstützen, welche durch die Therapie angestossenen werden. Denn Cortisol schwächt nicht nur das Erinnerungsvermögen, es verbessert gleichzeitig das Abspeichern von neuen Erlebnissen. In der Verhaltenstherapie soll der Patient alte Verhaltensmuster loslassen und durch neu gelernte ersetzen.
Erhöht man den Cortisolspiegel des Patienten kurz vor der Therapiesitzung, unterstützt das einerseits den Lernprozess, andererseits lässt es den Patienten weniger Angst haben.
Für die Zukunft planen die Wissenschaftler der Basler transfakultären Forschungsplattform, die bisher gewonnenen Erkenntnisse auf weitere psychiatrische Erkrankungen wie zum Beispiel Suchterkrankungen zu übertragen.
Der Einsatz von Beruhigungsmitteln
Beruhigungsmittel sind in Zeiten permanenter beruflicher, familiärer und sozialer Beanspruchungen zunehmend gefragte Medikamente. Sie werden in der Medizin bei psychischen und psychiatrischen Erkrankungen wie Angst- und Spannungszuständen sowie Panikattacken, Depressionen und Demenzerkrankungen eingesetzt.
Statistische Erhebungen der letzten Jahre lassen vermuten, dass etwa zwei Prozent der Bevölkerung in der Schweiz regelmässig, teils sogar täglich, auf Beruhigungsmittel oder Schlafmittel zurückgreifen. Sie finden schon seit vielen Jahren Anwendung in der Behandlung von Unruhe- und Angstzuständen, bei erhöhtem Muskeltonus und bei Schlafstörungen.
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Insbesondere bei älteren Menschen, die Benzodiazepine ungeachtet der Empfehlungen oft jahrelang einnehmen, kann es durch eine reduzierte Stoffwechselleistung zu Überdosierungen und Nebenwirkungen kommen. Vor allem langwirksame Medikamente sind oft noch nicht vollständig abgebaut, wenn die nächste Dosis im Körper eintrifft. Die steigenden Blutspiegel führen zu Benommenheit, Gangunsicherheit mit Sturzgefahr und Gedächtnisstörungen.
Bei Verdacht auf eine Benzodiazepin-Überdosierung kann ein Gegenmittel die Wirkung vorübergehend aufheben. Zu den gängigen Benzodiazepinen gehören Diazepam, Lorazepam und Alprazolam.
Abhängigkeit und Missbrauch von Benzodiazepinen
Insbesondere nach Benzodiazepin-Einnahme über mehr als vier Wochen kann es auch in niedriger Dosierung zu einer Abhängigkeit kommen. Diese ist schwer zu erkennen, denn Entzugssymptome wie Schlafstörungen und Unruhe gleichen dem initialen Einnahmegrund und werden daher oft nicht als Anzeichen des Entzugs gewertet. Es sollte daher parallel mit der Verordnung versucht werden, die grundlegenden Probleme zu lösen, damit das Einnahmeintervall wenige Wochen nicht überschreitet.
Barbiturate waren in der Vergangenheit häufig angewandte Beruhigungsmittel, die aufgrund ihrer schwerwiegenden und teils tödlichen Nebenwirkungen heutzutage nicht mehr im ursprünglichen Sinn einsetzbar sind.
Antihistaminika wurden nicht primär als Beruhigungsmittel entwickelt. Bei ihnen handelt es sich um Medikamente zur Behandlung Histamin-abhängiger Allergiesymptomen. Allerdings besitzen einige Wirkstoffe der ersten Generation einen stark schlaffördernden Effekt.
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Schlaffördernde Antihistaminika sollten frühzeitig eingenommen werden, da die oft langandauernde Wirkung andernfalls einen Überhang am Morgen zur Folge hat. Dies begünstigt eine Sturzneigung und Unfallgefahr und ist vor allem für ältere Menschen gefährlich.
Antidepressiva als Alternative?
Antidepressiva haben stimmungsaufhellende und antriebssteigernde Effekte und können neben der ursprünglichen Anwendung auch als Beruhigungsmittel eingesetzt werden. Bei Angst- und Zwangsstörungen und posttraumatischer Belastung werden häufig Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Citalopram und Fluoxetin eingesetzt.
Opipramol, Trimipramin und Amitriptylin, die sogenannten Trizyklischen Antidepressiva, gehen oft mit Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen und Mundtrockenheit einher und sind daher eher Reservemedikamente. Neuere Moleküle wie Agomelatin bieten sich insbesondere bei Schlafstörungen an. Generell besitzen aber die meisten Antidepressiva eine schlaffördernde Komponente.
Mittlerweile als Antipsychotika bezeichnet, stellen Neuroleptika Beruhigungsmittel mit einer dämpfenden Wirkung auf innere und äussere Reize dar. Sie finden daher klassischerweise Anwendung in der Behandlung der Schizophrenie. Klassische Wirkstoffe wie Pipamperon, Haloperidol und Promazin unterdrücken vor allem wahnhafte Symptome.
Betablocker können wegen ihrer dämpfenden Effekte teilweise als Beruhigungsmittel eingesetzt werden. Allerdings wirken sie sich auch auf das Herz-Kreislauf-System aus, zu dessen Behandlung sie vorrangig entwickelt wurden. Sie verengen die Bronchien und die Blutgefässe in der Körperperipherie und sollten daher bei Erkrankungen der Lunge und der Beinarterien nicht eingenommen werden.
Viele Menschen möchten keine Nebenwirkungen durch Medikamente riskieren und greifen daher auf pflanzliche Beruhigungsmittel mit Baldrian, Melisse, Hopfen und Lavendel zurück. Bei Johanniskraut ist zu beachten, dass es den Leberstoffwechsel beeinflusst und daher schwere Wechselwirkungen mit Medikamenten haben kann.
Viele Beruhigungsmittel eignen sich nach sorgfältiger Abwägung gemeinsam mit dem behandelnden Arzt als vorübergehende Hilfe bei aussergewöhnlichen Belastungen, akuten Angstzuständen und Schlafstörungen. Eine gute Schlafhygiene ist dabei ein wesentliches Element. Zudem sollten sich ältere Menschen bewusst machen, dass der Nachtschlaf im Laufe des Lebens immer weniger wird und häufig auch Unterbrechungen auftreten.
Schlafstörungen und mögliche Lösungen
Es ist wichtig, die Ursachen von Schlafstörungen zu erkennen und entsprechend zu handeln. Hier sind einige Tipps und Ratschläge von Experten:
- Kognitive Verhaltenstherapie: Eine langfristige Anwendung von Schlafmedikamenten ist ein Risikofaktor für Demenz.
 - Entspannungstechniken: Ein Abendlicher Spaziergang, und eine 15 min Atemmeditation vor dem Einschlafen (4:6 Atmung oder Box Breathing). Gut ist auch ein warmes Bad. Auch eine Einschlafhypnose dürfen Sie einmal testen.
 - Schlafbedarf: Unser Schlafbedarf hängt stark vom Lebensalter, der alltäglichen Belastung und unserer genetischen Ausstattung ab.
 - Handy Nutzung: Ich würde versuchen das Händy schon 1-2h vor dem Zubettgehen wegzulegen... suchen Sie sich ein anderes Schlafritual ohne Händy, Die Blaufilter sind häufig nicht effizient genug oder zumindest zusätzlich die Helligkeit dimmen!
 - Schlafdefizit: Die meisten Leute brauchen 7-9 Stunden Schlaf. Wenn Sie sich mit 6 Stunden Schlaf erholt fühlen und am Tage leistungsfähig und fit sind, sollten 6 Stunde für Sie genügen.
 - Vollmond: Lassen Sie die Fachleute diese Frage weiter untersuchen: diese führt regelmässig auch am Rande von Kongressen zu sehr emotionalen Diskussionen und wird kontrovers diskutiert.
 - Schlafapnoe: Vielleicht stört Sie die CPAP-Maske oder es liegt ein anderes Problem vor, besprechen Sie das mit Ihrem Pneumologen und Ihrem Hausarzt allenfalls sollte die Therapie auch im Schlaflabor überprüft und nach anderen Gründen für die Müdigkeit gesucht werden.
 - Schlaflabor: Ein Abklärung im Schlaflabor kann sich lohnen, ja. Zunächst kann dort geklärt werden, ob Sie an einer Insomnie leiden oder inwiefern noch andere (evtl zirkadiane) Ursachen eine Rolle spielen. Falls Sie eine Insomnie haben, kann diese durch Psychotherapie gut adressiert werden.
 - Tageslichtlampe: Wenn sie ihre Lampe zur Verbesserung der Stimmung einsetzen wollen, müssten sie dies nach dem natürlichen Erwachen möglichst früh am Morgen durchführen.
 
Eine Schlafstörung ist im Allgemeinen eine Störung der Erholungsfunktion und gut erkennbar an dem eingeschränkten Tages-Befinden oder einer reduzierten Leistungsfähigkeit tagsüber.
Zum Einen könnte es hilfreich sein, wenn Sie bei Fachpersonen im Schlaflabor Hilfe suchen. Dort kann zunächst geklärt werden, welche Schlafstörung Sie haben und nachfolgend mit einer demenstprechenden Therapie begonnen werden.
Ich empfehle ihnen eine kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie bei einem Psychologen oder Psychiater mit Schlafspezialisierung. Es gibt mittlerweile auch von den Krankenkassen zugelassene Apps die einem mit einer digitalen Therapie unterstützen.
Es handelt sich beim Nachtschreck um die kleine Schwester des Schlafwandelns, eine sogenannte Aufwachstörung. Ihr Gehirn erwacht dabei Halb aus dem Tiefschhlaf, überwiegend in der ersten Nachthälfte. Es ist sehr wichtig, dass Sie sehr regelmässig ins Bett gehen und auf Alkohol verzichten.
Es ist normal 10-20 mal pro Nacht aufzuwachen. Meist sind die Wachphasen so kurz, dass wir sie wieder vergessen, weil wir innerhalb von 3 min wieder eingeschlafen sind.
Melatonin kann so ärztlich verordnet unbedenklich auch über Jahre eingenommen werden. Wichtig ist dass Sie es immer zur selben Uhrzeit zB 21 Uhr einnehmen, da sollten Sie sehr konsequent sein.
CBD anstatt der Schlafmedikamente scheint mir keine gute Wahl. Besser wäre eine kognitive Verhaltenstherapie in einem Schlafzentrum wie in Barmelweid, Luzern oder in Bern.
Achten Sie auf eine ausgewogene Work-Life Balance und versuchen sie Ihren Stress zu reduzieren. Sport ist eine gute Sache und reguliert den Schlaf und das Wohlbefinden.
Ich empfehle ihnen einmal ein Trinkprotokoll zu führen. Es ist wichtig dass Sie aussreichend trinken. Dennoch sollten Sie die meiste Flüssigkeit am Morgen und am Nachmittag zu sich nehmen und am Abend reduzieren.
Chronische Ein- und Durchschlafstörungen sollten besonders nach der Besserung einer Depression (wovon ich hier ausgehe) behandelt werden.
Antidepressiva: Erfahrungen und Bedenken
Antidepressiva können auch in Ihrem Alter neu auftreten. Die Kombination von Sertralin und Remeron ist nicht ungewöhnlich und wird im Allgemeinen, auch von älteren Menschen, gut vertragen.
Ich stimme Ihnen zu, nach in der Regel langjähriger Einnahme von Antidepressiva können Absetzphänomene auftreten, die jedoch von klassischen Entzugssymptomen im Rahmen von Abhängigkeitserkrankungen klar abzugrenzen sind.
Sie sprechen hier ein sehr wichtiges und politisches Thema an. Auch ich vertrete die Ansicht, dass sämtliche Ergebnisse aus klinischen Studien, auch wenn es sich um Negativbefunde handelt, zu veröffentlichen sind.
Patienten, die an placebokontrollierten Studien teilnehmen, werden jeweils stark selektioniert. Das bedeutet, dass viele Patienten aufgrund von Ausschlusskriterien nicht teilnehmen dürfen.
Bei unter 18 jährigen Patienten werden Antidepressiva generell besonders zurückhaltend verordnet. In den Beipackzettel muss auf Symptome, die während der Behandlung mit dem Medikament aufgetreten sind, hingewiesen werden.
Erfreulich ist, dass sich die Angstsymptome rasch gebessert haben, was nicht immer der Fall ist. Das spricht meiner Meinung nach dafür, die Therapie mit Escitalopram (vielleicht in der Dosierung von 10 mg tgl.) fortzusetzen.
Lorazepam (Temesta) gehört zur Gruppe der Benzodiazepine und ist kein Antidepressivum. Benzodiazepine wirken unter anderem angstlösend und beruhigend.
Hungergefühl und Gewichtszunahme sind leider eine häufige Nebenwirkung von gewissen (nicht allen)Antidepressiva, aber auch von gewissen (nicht allen)Antipsychotika (Medikamente gegen Schizophrenie).
Alle sich im Handel befindlichen Antidepressiva werden im Körper nicht gespeichert. Die meisten Antidepressiva haben eine Halbwertszeit von ca. 12 Std. (maximal 3 Tage), das heisst, dass sich in dieser Zeit die Blutkonzentration halbiert.
Die körperlichen Symptome, unter denen Sie heute leiden, haben mit der medikamentösen Therapie 2013 nichts zu tun. Efexor kann (während der Therapie)Durchfall machen, Cymbalta kann (während der Therapie) die Blutungsneigung erhöhen.
Nein, sicher nicht.
Antidepressiva können bei einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unterstützung der Behandlung durchaus sinnvoll sein, allerdings reicht das Medikament alleine in der Regel nicht aus.
Temesta und Nozinan sind keine Antidepressiva. Sie können jedoch aufgrund ihrer angstlösenden und beruhigenden Wirkung unterstützend bei der Behandlung von Depressionen verordnet werden.
Die geschilderten Symptome könnten grundsätzlich passen zu einem sogenannten Absetzsyndrom. Der zeitliche Verlauf (Auftreten der Symptome neu Monate nach dem Ausschleichen von Cipralex) macht dies aber sehr unwahrscheinlich.
Zu den relevanten und häufigsten Nebenwirkungen von Mirtazapin (Remeron) gehören eine Steigerung von Appetit und Körpergewicht, Blutdruckabfall, Schwindel und Flüssigkeitsansammlungen vor allem in den Beinen.
Bestimmte Johanniskrautextrakte können grundsätzlich vergleichbare Wirkungen erzielen wie Antidepressiva. Diese Medikamente können häufiger unerwünschte Hautreaktionen verursachen, vor allem bei Exposition durch Sonnenlicht.
Antidepressiva benötigen einige Wochen Zeit, um die Wirkung zu entfalten. Da Sie schon einige Wochen unter depressiven Verstimmungen leiden und immer noch gewisse psychische Stressoren vorliegen, wäre mein Vorschlag, gleichzeitig zur Korrektur von Eisen und Vitamin B12 mit einer antidepressiven Therapie zu beginnen.
tags: #Mirtazapin #Panikattacken