Organische Psychische Störungen ICD-10: Ein umfassender Überblick

Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10-GM) bietet eine Übersicht über die psychischen Erkrankungen, die bei Hospitalisierungen diagnostiziert werden (Hauptdiagnosen). Als psychische Erkrankungen gelten alle Diagnosen des Kapitels «Psychische und Verhaltensstörungen» (F00-F99) und der Gruppe «Sonstige degenerative Krankheiten des Nervensystems» (G30-G32). Es werden Hospitalisierungen in sämtlichen Versorgungsbereichen berücksichtigt (Psychiatrie, Akutsomatik und Rehabilitation).

Einleitung

Klassifikationssysteme sind keine statischen Konstrukte, sondern unterliegen einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. So wurden z. B. 1992 von der WHO als Nachfolgerin der ICD-9 (International Classification of Diseases), orientiert am DSM-System, die klinisch-diagnostischen Leitlinien ICD-10, herausgeben und kurz darauf 1993 die Forschungskriterien. Diese wurden in weiteren Auflagen als Diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis bezeichnet, die das eigentliche Pendant zum DSM-IV darstellten, da sie ähnlich präzise die Störungen definierten.

Zentrale gemeinsame Kennzeichen von DSM und ICD waren ab dann:

  • Eine operationalisierte Diagnostik, d. h. expliziter diagnostischer Kriterien, von Zeit- und Verlaufsmerkmalen sowie Ausschlusskriterien.
  • Das Komorbiditätsprinzip, d. h. die Möglichkeit, mehr als eine Diagnose bei einem Patienten zu vergeben.
  • Ein multiaxiales System, d. h. die Beschreibung von Patienten über die Diagnose hinaus auf verschiedenen als klinisch relevant angesehenen Achsen.

Die International Classification of Diseases (ICD)

Die Einführung der ICD-10 war mit wesentlichen Veränderungen gegenüber ihrem Vorgänger ICD-9 verbunden. Diese lassen sich in strukturelle und konzeptuelle Veränderungen unterteilen. Zu den strukturellen Veränderungen zählten unter anderem die Einführung einer operationalisierten Diagnostik mit der Einführung von Symptom-, Zeit- und Verlaufskriterien und entsprechenden Algorithmen zur Diagnosestellung, die Neustrukturierung des Systems in insgesamt zehn Hauptgruppen und Einführung eines offenen alphanumerischen Systems (allg.: Fxx.xx).

Zu den inhaltlichen Veränderungen waren unter anderem eine veränderte Begrifflichkeit (z. B. Aufgabe der traditionellen Begriffe Neurose oder Psychose bzw. chogen/psychosomatisch als Einteilungskriterium), die Verwendung des Begriffs Störung statt Krankheit und die Einführung des Komorbiditätsprinzips zu rechnen. Weiter wurde die Akzeptanz des Systems durch die Anwender verschiedener Nationalitäten wie Kulturen gefordert, eine leichte Verständlichkeit sowie einen leichten Gebrauch und damit verbunden auch eine leichte Übersetzbarkeit in verschiedene Sprachen. Zudem wurde eine Anwendbarkeit in verschiedenen Bereichen durch unterschiedliche Berufsgruppen angestrebt. Entsprechend dieser Überlegungen wurde eine sogenannte «family of instruments» entwickelt, deren Kernstück die klinisch-diagnostischen Leitlinien und die Forschungskriterien bildeten.

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ICD-11: Was ist neu?

Mit der ICD-11 wird gegenüber der ICD-10 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein umfassend überarbeitetes und erweitertes Klassifikationssystem auch für psychische Störungen vorgelegt. Der Entwicklung der ICD-11 ging ein langjähriger Prozess der Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen weltweit voraus. Heute finden sich dort auch die neuen Leitlinien auf Englisch. Die Entwicklung zentrierte sich, wie schon bei der ICD10, um die klinisch-diagnostischen Leitlinien (engl. Clinical Descriptions and Diagnostic Guidelines, CDDG). Im Unterschied zur ICD-10 wird es jedoch keine Forschungskriterien geben. Anwendung kamen beziehungsweise in der Forschung vor allem DSM präferiert wurde.

Die Entwicklung der ICD-11 wurde durch drei zentrale Zielvorstellungen geleitet:

  • «applicability - feasibility: easy to use»
  • «clinical utility - in the hands of all», d. h. die möglichst hohe Übereinstimmung unterschiedlicher Urteiler.
  • «utility - added value: renders useful information», d. h. der klinische Nutzen in der Anwendung.

Für die Entwicklung der ICD-11 wurden verschiedene Studien weltweit konzipiert. Besonders zu erwähnen sind die internetbasierten Feldstudien sowie die klinikbasierten Studien. Erstere zielten darauf ab, die Nützlichkeit der vorgeschlagenen Änderungen zu bewerten. Die zweite Gruppe von Studien fokussierte darauf, den klinischen Nutzen der ICD-11 im Kontext der Praxis zu beurteilen. Zu den Ergebnissen der Studien findet sich eine Zusammenfassung bei Fabrazzo (6), Reed et al. (7) und Reed (11).

Neuerungen der ICD-11

Als Ergebnisse aller Bemühungen sind grundlegende Veränderungen gegenüber der ICD-10 zu erkennen, die unterteilt werden können in strukturelle und inhaltliche Veränderungen.

Strukturelle Veränderungen

Zu den strukturellen Veränderungen zählen z. B.:

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  • die gesamte ICD-11, auch in anderen medizinischen Disziplinen, mit Erweiterung der Kodierungsmöglichkeiten von 14 000 auf 55 000
  • Gruppierung der Störungen nach ihrer empirischen Evidenz und klinischen Bedürfnissen sowie kulturund landesspezifischen Bedürfnissen
  • Neustrukturierung der Darstellung einzelner Störungsgruppen
  • Organisation entlang der Entwicklungsperspektive, beginnend bei neuronalen Entwicklungsstörungen bis zu neurokognitiven Störungen
  • «Life span approach», d.h. Gruppierung der Störungen nach gemeinsamen Symptomen, unabhängig davon, zu welcher Lebenszeit sie auftreten können (z. B. Trennungsangst jetzt bei «furchtbezogenen Störungen»).

Inhaltliche Veränderungen

Zu den inhaltlichen Veränderungen zählen z. B.:

  • meinsame Kennzeichen der jeweiligen Störung (ähnlich den diagnostischen Kriterien in der ICD-10)
  • In der Regel Verzicht auf Cut-off-Werte bzw. Symptomauszählung sowie Dauer der Symptomatik
  • Einbeziehung kulturrelevanter Aspekte
  • verstärkte Berücksichtigung dimensionaler Ansätze innerhalb eines immer noch kategorialen Systems
  • Umgruppierung von Störungen in andere Kapitel der ICD-11 (z. B. Schmerzstörungen nach Kapitel 8 Krankheiten des Nervensystems)
  • eigene Kapitel für bestimmte Störungsbereiche (07: Schlaf-Wachstörungen, 17: Zustände mit Bezug zur sexuellen Gesundheit u. a.

Auf einige dieser Neuerungen soll nachfolgend kurz genauer eingegangen werden. (ICD-10: 10 Kapitel F0 - F9). 15 Subkapitel wurden neu eingeführt. pen zusammengefasst, bezogen auf die Metastruktur (z. B. Angst- und furchtbezogene Störungen, Zwangsstörungen oder verwandte Störungen) als auch auf der Störungsebene (z. B. Autismus-Spektrum-Störung). Auffällig sind auch die von der ICD-10 deutlich abweichende Kodierungsebenen. Das alphanumerische System reicht jetzt von 1A00.00 bis ZZ9.Z.ZZ. Die Kapitel werden an 1. staben gekennzeichnet, die nachfolgenden mit Buchstaben und Zahlen.

bestimmte Störung (Kategorie) wie z. B. 6A70.2 für Einzelne mittelgradig depressive Episode mit psychotischen Symptomen. Zusatzcodes (Extension codes): Kodierung von Zusatzinformationen wie z. B. XS5W für chronisch leichtgradig insomnische Störung. Zusatzcodes können jedoch nie allein, sondern nur in Verbindung mit Stammcodes verwendet werden (z. B. 6A70.2 & XS5W) Explizite Kodierungsbeispiele finden sich auch in Tabelle 2. Die in der ICD-10 stringenten und dadurch auch leicht lernbaren Kodierungsebenen sind in der ICD-11 unter dem Aspekt der Digitalisierung und einer möglichst differenzierten Kodierung aufgegeben worden, was erhöhte Anforderungen an die Nutzer stellt, unter Zuhilfenahme von entsprechenden digitalisierten Angeboten.

In die ICD-11 wurden zudem eine Reihe neuer Störungsgruppen aufgenommen, die in Tabelle 3 enthalten sind. Die Anzahl ist überschaubar, entspricht den klinischen Erfahrungen und Bedürfnissen sowie neueren Erkenntnissen der Forschung. Das betrifft zum Beispiel die komplexe PTSD als Reaktion auf überdauernde Extrembelastung mit über die PTSD-Symptomatik zusätzlichen Symptomen oder die verzögerte Trauerreaktion als persistierende Trauerreaktion von mindestens 6 Monaten mit Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen. Exemplarisch zu nennen ist auch das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnene pathologische Spielen als persistierendes Muster von Spielverhalten über mindestens 12 Monate mit daraus resultierenden Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen. Alle Störungsgruppen werden nach einer einheitlichen Struktur dargestellt. Das stellt im Vergleich zur ICD-10 eine deutliche Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit dar.

heitlich bei den Störungen, oft wenig informativ und beinhalten meist nur Differenzialdiagnosen und dazugehörige Begriffe. Besonders zu erwähnen in der ICD-11 sind auch die jeweiligen Abgrenzungen zur «Normalität», Verlaufscharakteristika, Präsentation im Entwicklungsverlauf und kulturspezifische Manifestationen. Nachfolgend einige Neuerungen und Veränderungen bei ausgewählten Störungskapiteln:

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  • Neuronale Entwicklungsstörungen: u. a. gruppierung, Integration der Intelligenzstörungen, ADHS ab 12 Jahren möglich; Autismus-Spektrum-Störungen (ohne Asperger-Syndrom)
  • Affektive Störungen: u. a. ist Manie keine eigene Störungskategorie mehr, Unterscheidung von vier affektiven Episoden
  • Angst-und furchtbezogene Störungen: u. a. eigenständige Gruppe mit Trennungsangst und selektiver Mutismus
  • Zwangsstörungen und verwandte Störungen: u. a. eigenständige Gruppe, neue Störungen Hypochondrie, Hoarding
  • Störungen, die spezifisch stressassoziiert sind: u.a. eigenständige Gruppe, neu aufgenommen komplexe PTSD, verzögerte Trauerreaktion
  • Störungen durch Substanzen oder Verhaltenssüchte: u. a. Erweiterung des Spektrums von Störungen, Vereinfachung, veränderte Begrifflichkeiten, neu nicht-stoffgebundene Störungen
  • Persönlichkeitsstörungen und zugehörige Persönlichkeitsmerkmale: grundlegende Neukonzeptualisierung, Aufgabe von Subtypen (vgl. im Detail Artikel Schmeck in dieser Ausgabe)
  • Schizophrenie und andere primäre psychotische Störungen: u. a. Aufgabe der Subtypen, dafür Einführung von «specifiers», weitestgehend Aufgabe Erstrangsymptome nach K. Schneider, umfassende Beschreibung der Wahnstörungen.

Die ICD-11 ist weiterhin überwiegend kategorial konzipiert. Es gibt jedoch bei einer Reihe von Störungen die Möglichkeit mittels der bereits erwähnten «specifiers», eine zusätzliche Differenzierung im Hinblick auf Symptom-, Verlaufs oder Schweregradpräsentationen vorzunehmen. So lässt sich beispielsweise bei den Zwangsstörungen der Grad der Einsicht in die Symptomatik kodieren, bei der Schizophrenie der Verlauf und Schweregrad sowie Spezifizierungsmöglichkeiten für die im Vordergrund stehende Symptomatik (z. B. Episode der Schweregrad sowie das Vorliegen von psychotischen Symptomen. Es wird kein multiaxiales System mehr geben, jedoch werden die darin enthaltenen Informationen, wie im DSM-5, auch erfassbar sein. So finden sich im Kapitel 24 für Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen oder zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen, die alten Z-Kodierungen der ICD-10 wieder. Explizit zu verweisen ist auf die akute Stressreaktion (QE84) oder auch der unkomplizierte Trauerfall (QE62), die hier abgebildet werden, aber auch auf das Burnout-Syndrom (QD85), das weiterhin keine eigenständige Störung darstellt, jedoch im Gegensatz zur ICD-10 definiert ist. Weiterhin findet sich hier auch die akzentuierte Persönlichkeitszüge der ICD-10 (jetzt: QE50.7 Persönlichkeitsproblematik).

ICD-11 und DSM-5: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die Systeme der WHO, die ICD, sind weltweit verbindliche Nomenklaturen zur Klassifikation aller Erkrankungen, inklusive der psychischen Störungen, finden jedoch seit jeher in der Forschung im Gegensatz zu den Systemen der APA, den DSM-Versionen, weniger Beachtung. DSM fokussiert zudem auch nur auf die psychischen Störungen. DSM hat jedoch auch, speziell bezogen auf DSM-5, den Anspruch ein «prozedurales Manual» zu sein mit Beschreibungen von Regeln und Richtlinien zur Diagnosestellung und stellt somit vom Anspruch her ein klinisch- und forschungsrelevantes System dar.

Da die Systeme der WHO und der APA beides anerkannte Klassifikationssysteme darstellen, wurde bei der Entwicklung der ICD-11 der Versuch einer «Harmonisierung» im Hinblick auf eine gemeinsame Metastruktur unternommen, wozu eine «advisory group» (u. a. Experten aus allen WHO-Regionen, Vertreter von Fachgesellschaften) sowie eine «DSM-ICD harmonisation coordinatory group» eingerichtet wurde. Dennoch bestehen weiterhin Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten, auf die nachfolgend kurz hingewiesen werden soll.

Der Versuch, bei der Entwicklung beider Systeme eine möglichst grosse Konvergenz zu erreichen, zeigt sich bereits bei der Entwicklung des DSM-5 darin, dass im Manual immer auch die entsprechenden ICD-10-Kodierungen aufgeführt werden. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass automatisch eine vollständige Übereinstimmung zwischen beiden Systemen vorliegt. Es gilt jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die spezifischen Symptom-, Zeit- und Verlaufskriterien für die einzelnen Störungen tatsächlich erfüllt sind!

treffen vor allem die affektiven Störungen und depressive Störungen im DSM-5, die in der ICD-11 beide unter affektive Störungen zusammengefasst sind. Störungen, sondern im gesonderten Kapitel Schlaf-Wach-Störungen bzw. Zustände mit Bezug zur sexuellen Gesundheit. im anderen enthalten sind (z. B. ICD-11 komplexe PTSD; DSM-5 schizophreniforme Störung) - Störungen mit deutlichen Unterschieden in beiden Systemen (z. B. schizoaffektive Störung) - Störungen mit geringen Unterschieden in beiden Systemen (z. B. ADHS) - Störungen mit fast identischen Definitionen in beiden Systemen (z. B. einzelne depressive Episode. Die Unterschiede zwischen den Systemen sind im Lauf der Zeit geringer geworden.

ICD-10/-11 werden aber vermutlich auch zukünftig primär in der Praxis eingesetzt, vor allem auch deshalb, da es für ICD-11 keine Forschungskriterien geben wird.

Somatoforme Störungen

Somatoforme Störungen machen sich bemerkbar durch körperliche Beschwerden, die die betroffene Person sehr klar beschreiben kann, für die es aber bei medizinischer Untersuchung keine organische Ursache gibt. Auffallend bei somatoformen Störungen sind wiederholte Arztbesuche der Betroffenen mit der Aufforderung nach gründlicher Anamnese. Ein negatives Ergebnis bringt die Erkrankten dazu, frustriert die nächste Ärztin oder den nächsten Arzt aufzusuchen, mit deren Diagnose sie dann wieder unzufrieden sind. Die Betroffenen fühlen sich unverstanden und werden zunehmend verzweifelt. Ihr Krankheitsbild besteht oft schon über Jahre, depressive Zustände oder Depressionen können sich entwickelt haben, bis das Thema endlich von der psychischen Seite angegangen wird.

Somatoforme Störungen machen sich mit verschiedensten Krankheitsanzeichen bemerkbar. Meist handelt es sich um Symptome, die vom vegetativen Nervensystem ausgehen, also von der betroffenen Person nicht willentlich gesteuert oder kontrolliert werden können. Manche Erkrankte klagen auch über Schweißausbrüche, Hitzewallungen oder allgemeine Unruhe. Die Hypochondrische Störung betrifft Männer wie Frauen. Obwohl körperlich gesund, sind sie davon überzeugt, an einer schwerwiegenden Krankheit zu leiden. Sie überinterpretieren bestimmte körperliche Symptome und sind mit den Diagnosen der behandelnden Ärztinnen und Ärzte immer unzufrieden.

Bei einer Somatisierungsstörung haben die Erkrankten anhaltende Beschwerden wie Müdigkeit, Magen-, Darm-, Blasen- oder Herzbeschwerden. Die Leiden halten seit mindestens einem halben Jahr an und die Störungen werden vom vegetativen Nervensystem verursacht. Bei der Somatoformen Schmerzstörung klagen die Betroffenen über einen anhaltenden, schweren Schmerz in einem Körperteil, für den es keine körperliche Ursache gibt. Schmerzort und -charakter können wechseln, die Schmerzen können zu Schlafstörungen führen und den gesamten Alltag beeinträchtigen. Im Arztgespräch lassen die Erkrankten psychische Ursachen als mögliche Auslöser nicht zu.

Für eine Somatoforme Störung kommen eine ganze Reihe von Ursachen in Betracht und man muss immer von einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren ausgehen. Eine genetische Prädisposition kann möglicherweise existieren, weil in manchen Familien gehäuft Somatoforme Störungen zu beobachten sind. Traumatische Erlebnisse in der Kindheit oder auch das Aufwachsen mit einem chronisch kranken Familienmitglied, das infolgedessen mehr Zuwendung erhielt, können die Entstehung einer Somatoformen Störung begünstigen.

eine nicht unerhebliche Rolle bei der Entwicklung des Krankheitsbildes. Normale Körperprozesse werden sensibel wahrgenommen, interpretiert und als ein Anzeichen einer ernsthaften Krankheit bewertet. Die Aussagen der Ärztin oder des Arztes können nicht wirklich beruhigen, die nächste Ärztin oder der nächste Arzt wird aufgesucht. Die Selbstbeobachtung verstärkt die Beschwerden noch, immer neu hinzugezogene Fachleute und Diagnosen tragen nicht zur Deeskalation bei. Menschen mit einer ängstlichen und selbstunsicheren Persönlichkeitsstruktur, die sich häufiger ausgeliefert und wertlos fühlen, sind anfälliger für eine Somatoforme Störung.

Somatoforme Störungen machen sich bemerkbar über körperliche Symptome, die die erkrankte Person nicht willentlich zu beeinflussen oder zu steuern vermag. Die von ihr beschriebenen Erscheinungen sind wirklich vorhanden und werden nicht vorgetäuscht. Meist konzentrieren sie sich auf ein Organ, das sie als Zentrum der Beschwerden angeben, was aber auch im Laufe der Zeit wechseln kann.

Es ist gar nicht so einfach bei einer Somatoformen Störung eine richtige Diagnose zu stellen. Wenn Sie sich beim ersten Auftreten Ihrer Beschwerden an Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt wenden, werden diese zunächst einmal sorgfältig alle körperlichen Ursachen ausschliessen wollen. Zur Untersuchung des Kopfes können zum Beispiel die Magnetresonanztomografie oder die Computertomografie beigezogen werden. Die eingehenden Untersuchungen und die dann geäusserte Erklärung, dass sie nichts Organisches finden können, können natürlich schon zu einer ersten Missstimmung im Arzt-Patienten-Verhältnis führen.

Wenn eine Somatoforme Störung unbehandelt bleibt, dann besucht die betroffene Person meist viele Ärztinnen und Ärzte. Sie nimmt teure Diagnostik in Anspruch, die sie aber nicht beruhigt, sondern ihr Vertrauen in die Medizinerinnen und Mediziner mit der Zeit untergräbt und sie in ihren Überzeugungen immer weiter bestärkt. Es können Krankschreibungen bis hin zu Arbeitsunfähigkeit folgen.

Einer Somatoformen Störung kann man nicht vorbeugen. Wenn diese Erkrankung in Ihrer Familie schon vorgekommen ist, dann sollten Sie hellhörig sein und sich frühzeitig selbst informieren. Eine gewisse Sensibilität dafür, dass körperliche Beschwerden durchaus auch eine seelische Komponente haben, hilft frühzeitig psychologische Unterstützung zu bekommen.

Wenn Sie bei sich somatoforme Symptome beobachten, dann besprechen Sie mit uns in aller Ruhe die seelischen Aspekte Ihrer Beschwerden. Wenn auf der körperlichen Ebene nichts gefunden werden kann, zögern Sie nicht zu uns zu kommen. Der Verlauf einer Somatoformen Störung hängt auch vom Verhalten der Ärztinnen und Ärzte ab. Fokussieren diese sich lange Zeit nur auf die körperliche Diagnostik und schreiben die erkrankte Person krank, kann sich die Störung schnell chronisch werden. Ein Blick auf mögliche psychische Ursachen ist bei den beschriebenen Symptomen immer ratsam.

Zu den Häufigkeiten Somatoformer Störungen gibt es nur Schätzungen. Wahrscheinlich leidet gut ein Fünftel aller Menschen, die ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt aufsuchen, an dieser Störung. Nach einer Studie sind davon rund 60 Prozent Frauen. Gelingt es den Ärztinnen und Ärzten, die erkrankte Person zur Mitarbeit zu bewegen und die psychische Komponente der Störung in den Blick zu nehmen, ist viel gewonnen. Meist beginnt die Somatoforme Störung zwischen dem 16. und dem 30. Lebensjahr, oft um das 25. Lebensjahr herum. Laut Ärzteblatt wird die Mehrheit der Betroffenen, die sich keiner Therapie unterziehen, meist nach drei Jahren aufgrund der Beschwerden arbeitsunfähig.

Eine somatoforme Störung sollte möglichst frühzeitig behandelt werden, damit sich die Symptome nicht verfestigen. Wichtige Grundlage für die therapeutische Arbeit ist ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen den Erkrankten und uns. Bleiben Sie dafür offen, die psychischen Ursachen hinter Ihren Beschwerden wahrzunehmen.

SCL und IDCL

SCL und IDCL sind aufeinander bezogen, erfüllen aber unterschiedliche Zwecke: Die Symptom Checkliste (SCL) ist ein Screening-Verfahren, das beim ersten, kurzen Patientenkontakt eine vorläufige diagnostische Zuordnung zu den Diagnosekriterien der ICD-10 erlaubt. Es basiert auf den „Klinisch-diagnostischen Leitlinien“ zum ICD-10 Kapitel V (F). Das mitgelieferte Glossar enthält genaue Definitionen der im ICD-10 System verwendeten Fachbegriffe.

Die 32 Internationalen Diagnosen Checklisten (IDCL) berücksichtigen zusätzlich die „Forschungskriterien“ zum ICD-10 Kapitel V (F). Mit ihrer Hilfe können, nach einer sorgfältigen Erhebung der Kriterien, sehr präzise Diagnosen im Sinne der ICD-10-Klassifikation gestellt werden. Es liegen ein Manual und Listen für die wichtigsten und häufigsten psychischen Störungen vor, u. a.

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