Misophonie: Ursachen, Symptome und Therapie

Misophonie ist eine neurologische oder psychische Störung, bei der Betroffene Stress, Abscheu oder Ekel in Verbindung mit bestimmten Geräuschen empfinden. Misophonie bedeutet wortwörtlich „Hass auf Geräusche» (vom griechischen: misos ‘Hass’ und phonia ‘Geräusch’). Bei der Misophonie handelt es sich um ein recht junges Krankheitsbild. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde es durch zwei US-amerikanische Neurowissenschaftler erstmals beschrieben und benannt.

Die Misophonie wird es schon länger, nur wurde die Störung nicht als diese erkannt. Die Misophonie ist auch unter "Selective Sound Sensitivity Syndrome" bekannt. In deutscher Sprache übersetzt, heisst das "selektives Geräuschempfindlichkeits-Syndrom". Durch diese Bezeichnung wird schnell klar, worum es bei dieser Störung geht. Der empfindliche Hörsinn Betroffener reagiert überreizt auf bestimmte Geräusche. Die Lautstärke der Geräusche ist dabei nicht ausschlaggebend.

Was ist der Unterschied zwischen Misophonie und Hyperakusis?

Sowohl Misophonie als auch Hyperakusis sind mit einer Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen verbunden. Dabei ist es gleichgültig, welche Art von Botschaft der Schall transportiert. Die etwas häufiger vorkommende Hyperakusis bezeichnet eine generelle Überempfindlichkeit gegenüber Schallwellen. Bei der Hyperakusis reagieren Menschen aber überempfindlich auf einen Geräuschpegel, der von anderen als völlig normal wahrgenommen wird. Die Reaktion wird also nicht durch bestimmte Geräusche ausgelöst, sondern durch die Intensität eines Tons.

Misophoniker dagegen verbinden bestimmte Geräusche mit einem heftigen emotionalen Reiz. Dabei können theoretisch alle Arten von Geräuschen als Trigger (Auslöser) fungieren. Typisch für Misphonie ist die extreme Abwehrreaktion. Es bleibt bei dieser Störung nicht nur bei einem unangenehmen Gefühl. Misophoniker entwickeln heftige Emotionen des Hasses und der Wut, sobald der Trigger ertönt.

Ursachen der Misophonie

Bisher ist die Misophonie keine akzeptierte Erkrankung. Sie wird noch nicht in den offiziellen Klassifikationssystemen psychischer Störungen und Erkrankungen geführt. Was schlussendlich zu dieser Fehlentwicklung führt, ist noch nicht vollständig erforscht. Die Ursachen einer Misophonie sind noch nicht abschliessend geklärt. In manchen Fällen lässt sie sich auf eine Erfahrung zurückführen, welche Menschen in ihrer Kindheit gemacht haben.

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Auch traumatische Extremsituationen können zu einer Misophonie führen. In beiden Fällen lassen sich die verhassten Geräusche auf eine Verknüpfung des Gehirns zwischen dem Geräusch und einem schlechten Gefühl bei einem Erlebnis zurückführen. Fachleute gehen davon aus, dass die Geräuschintoleranz in diesem Fall auf eine Fehlverknüpfung ohne Trauma zurückzuführen ist, die gewisse Geräusche mit emotionalen Reaktionen verbindet.

Die US-amerikanischen Forscher Pawel und Margaret Jastreboff fanden heraus, dass sich Misophonie überwiegend in der Pubertät entwickelt. Das ist dahingehend logisch, als sich in der Pubertät das Gehirn am stärksten entwickelt. Der Frontalkortex und der auditive Kortex werden in dieser Zeit besonders intensiv ausgebildet. Hirnscans von betroffenen Menschen haben gezeigt, dass die auditive Reizverarbeitung im Gehirn von Misophonikern anders ist, als bei Menschen ohne Störung.

Symptome der Misophonie

Die Symptome der Misophonie sind vor allem durch intensive emotionale und oft negative Reaktionen auf bestimmte Geräusche gekennzeichnet. Starke emotionale Reaktionen: Betroffene erleben häufig Gefühle wie Wut, Hass, Ekel oder extreme Gereiztheit als Reaktion auf bestimmte Alltagsgeräusche, die von anderen Menschen in der Regel als harmlos empfunden werden. Vermeidungsverhalten: Menschen mit Misophonie neigen oft dazu, Situationen oder Orte zu meiden, von denen sie wissen, dass sie dort auf die auslösenden Geräusche treffen könnten.

  • Misophonische Reaktionen treten besonders oft im Zusammenhang mit Essgeräuschen auf.
  • Die Folgen reichen bis hin zu körperlichen Schmerzen.
  • Diese Effekte sind unabhängig von der Lautstärke der Geräusche.

Einem echten Misophoniker gelingt es nicht, sich von seinem Ärger über Essgeräusche zu distanzieren. Wut und Ekel nehmen seine ganze Person ein, er will den Geräuschen um jeden Preis entkommen. In Gedanken greifen Betroffene die Triggerperson häufig körperlich oder verbal an, in die Realität umgesetzt wird dies jedoch in den seltensten Fällen.

Diagnose der Misophonie

Gemäss dem Leiter des Neuropsychologischen Institutes an der Universität Zürich Prof. Lutz Jäncke ist die Misophonie bisher noch sehr selten. Betroffene sollten sich dennoch nicht scheuen, einen HNO Ohrenarzt, Psychotherapeuten oder Verhaltenstrainer aufzusuchen. Um die Symptome von anderen auditiven Störungen abzugrenzen, wird zunächst ein Fragenkatalog abgearbeitet.

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Misophonie und andere Hörsensibilitäten wurden in der Vergangenheit häufig mit ADHS, Hochsensibilität oder Depressionen verwechselt. Die Diagnosemethoden zur Misophonie selbst sind derzeit noch keinem Standard unterworfen. Gängig ist die Verwendung der Misophonia Questionnaire (MQ), um die Symptome und deren Schweregrad zu ermittelt. Der Test besteht aus diversen Fragebögen und Bewertungsskalen:

  • Misophonie-Emotions- und Verhaltens-Skala: Der Fragenkatalog prüft unter anderem, wie stark sich Betroffene der heftigen emotionalen Abwehrreaktion auf ein Geräusch bewusst sind. Als Nächstes werden die vorkommenden Reaktionsmuster eingeordnet. Überprüft werden ausserdem Zusammenhänge mit bestimmten Orten und Menschen. Daneben beleuchtet der Arzt das Reaktionsschema. Möchte ein Betroffener die Flucht ergreifen, sich die Ohren zuhalten oder sogar angreifen, wenn das Trigger-Geräusch hörbar wird?
  • Misophonie-Symptom-Skala: Die Skala bewertet die Empfindlichkeit des Patienten gemessen am normalen sozialen Umfeld. Im Zuge der Prüfung muss sich der Betroffene selbst „im Vergleich zu anderen Menschen“ einordnen und benoten. Daneben werden die Art und Herkunft des Trigger-Geräusches ermittelt (essende Menschen, monotone Wiederholungen, Umweltgeräusche usw.).
  • Amsterdam Misophonia Scale (A-MISO-S): Der letzte Bewertungsbogen ermittelt, wie sehr die empfundene Störung das Alltagsleben eines Menschen beeinflusst. Wie viel Zeit geht durch die Auswirkungen der Störung verloren und inwieweit sind die Lebensqualität und Arbeitsleistung dadurch eingeschränkt?

Weitere Untersuchungsmethoden sind der Misophonia Assessment Questionnaire (MAQ) und die Misophonia Activation Scale (MAS-1). Beide unterscheiden sich jedoch nur in Detailfragen von den bereits vorgestellten Testverfahren.

Therapieansätze bei Misophonie

Die aktuellen Therapie-Ansätze richten sich nach der jeweiligen Fehlentwicklung. Liegt der Verdacht einer Konditionierung vor, arbeitet Psychologen vorzugsweise mit der Gegenkonditionierung. Im Rahmen einer Gegenkonditionierung wird das Essgeräusch eines Apfels (Schmatzen) mit positiven Erlebnissen verbunden. Das Gehirn akzeptiert die neue Information nach einigen Wiederholungen und speichert diese dann als aktuelles Reaktionsmuster ab. Die misophonische Reaktion verschwindet bestenfalls.

Kann die Ursache einer Hassreaktion auf ein Geräusch nicht gefunden werden, arbeiten Therapeuten mit diversen Entspannungsmethoden. Der Patient lernt, die emotionale Reaktion zu kontrollieren. Bestenfalls verschwindet die Störung von selbst, wenn sie nicht mehr ausgelebt wird. Bei unklaren Ursachen und starker Belastung durch Misophonie kann sich eine Hypnosetherapie lohnen.

Der Hypnosetherapeut wird versuchen, die Ursache aufzufinden und Gewohnheiten in mehreren sanften Schritten dauerhaft positiv verändert. Da der Patient in einer leichten Trance ist, können Informationen auftauchen, die sonst von Unterbewusstsein unterdrückt werden.

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Es gibt jedoch Möglichkeiten Gedanken und Handlungen in den Griff zu bekommen. Eine Therapie mit einer geschulten Fachkraft für psychische Gesundheit bietet einen sicheren Raum, um sich über die durch Misophonie verursachten Probleme zu öffnen. In der Therapie können effektive Strategien zum Umgang mit der Krankheit erlernt werden. In der Therapie wird die Gegenkonditionierung eingesetzt, um den Klangauslöser mit einem Lieblingslied, einem Foto eines geliebten Menschen oder etwas, das sich beruhigend anfühlt, zu verbinden. Diese Art der Therapie analysiert die Gefühle, die durch Trigger Geräusche ausgelöst werden.

Umgang mit Misophonie im Alltag

Leichte misophonischen Störungen können mit einer Anpassung des Lebensstils wieder verschwinden. Wer zum Beispiel Stress reduziert, kann allgemeine nervliche Überlastungssymptome verschwinden lassen und ist so beschwerdefrei. Betroffene, die ihre Trigger kennen, können natürlich versuchen, diese so weit wie möglich zu meiden. Selbst wenn das soziale Umfeld eine Störung oder Empfindlichkeit nicht ernst nimmt, müssen Betroffene sich selbst ernst nehmen und so früh wie möglich Hilfe suchen.

Besonders wichtig ist es, die Thematik offen anzusprechen. Erklären Sie Ihrem Umfeld, was Misophonie ist, welche Geräusche bei Ihnen starke Reaktionen auslösen und wie sie sich dabei fühlen. Ansonsten kann eine Misophonie im schlimmsten Falle dazu führen, dass Sie eine Phonophobie entwickeln, also eine Angst gegenüber Geräuschen, und sich von Ihrem Umfeld abkapseln. Vielen Betroffenen hilft es, dass sie einen Namen für ihre Ablehnung von Alltagsgeräuschen haben. Das Wissen, mit dieser Problematik nicht alleine zu sein, kann sehr beruhigend sein.

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