Psychische Belastung durch Ex-Partner: Einblicke und Hilfestellungen

Fast jede zweite Frau erlebt in ihrer aktuellen oder einer früheren Beziehung psychische Gewalt. Zu diesem Schluss kam 2014 eine Studie der European Union Agency for Fundamental Rights. NGOs gehen von einer grossen Dunkelziffer in diesem Bereich aus, da die meisten Fälle nicht angezeigt werden.

Unter häuslicher Gewalt versteht man körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt innerhalb einer Familie oder in einer aktuellen oder aufgelösten Paarbeziehung. Beispiele für häusliche Gewalt können sein:

  • Körperliche Gewalt an Kindern durch die Eltern
  • Drohungen oder psychische Gewalt in der Partnerschaft
  • Stalking durch den Ex-Partner oder die Ex-Partnerin
  • Vergewaltigung in der Ehe
  • Sexuelle Übergriffe in der Familie
  • Misshandlung durch betreuende oder pflegende Angehörige
  • Gewalt durch Kinder an ihren Eltern
  • Androhung oder Durchsetzung einer Zwangsheirat

Was ist psychische Gewalt?

Als psychische Gewalt in Beziehungen gilt Beleidigungen, Erniedrigungen, Drohungen, Anschreien, Stalking, Einschüchterungen, Morddrohungen, Erzeugen von Schuldgefühlen, Verbote, Gaslighting und Kontrolle.

Der Fall Marlene: Eine Überlebende berichtet

Fast täglich wird Marlene herabgesetzt und abgewertet - mehr als zehn Jahre lang. Von ihrem eigenen Mann. Sie ist Überlebende von psychischer Gewalt.

«Als ich das erste Mal Gewalt in dieser Beziehung erlebte, habe ich es als Eifersucht abgetan. Das war ganz am Anfang», sagt Marlene. «Ich habe an einem Fest mit einem anderen Mann geplaudert, dessen Frau stand daneben». Marlenes Mann hat sie dafür mit zwei Tagen Schweigen bestraft.

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Zu Beginn der Beziehung überschüttet Marlenes Mann sie mit Liebe - auch «Love-Bombing» genannt. «Er hat mir den roten Teppich ausgerollt: Mich ausgeführt, auf Händen getragen und tagtäglich mit Komplimenten überschüttet», erzählt Marlene. «Love-Bomber» haben das Ziel, ihre Partner und Partnerinnen emotional von sich abhängig zu machen. Das kann sich in zwei Richtungen entwickeln: Entweder die Beziehung endet abrupt und einseitig, oder man findet sich irgendwann in einer toxischen Beziehung wieder. Bei Marlene geschieht letzteres.

Die Eifersucht des Mannes nimmt immer mehr zu. Schleichend passt Marlene ihr Verhalten an. Geht weniger oft aus. Wenn, dann in Gruppen mit Frauen. Sie schickt ihrem Mann Fotos, mit wem sie wo ist und zieht sich auf keinen Fall aufreizend an. «Damit er keinen Grund hat, wütend oder eifersüchtig zu sein. Aber eigentlich konnte ich anziehen, was ich wollte. Es war nie Recht». Er beschimpft sie, demütigt sie. Warum sie das alles mitmacht? Sie wollte geliebt werden, um jeden Preis. Bedingungslos.

Von aussen nimmt das niemand wahr. Sie sind eine Familie aus der Oberschicht - gebildet und finanzstark. «Wir galten als sehr schönes Paar. Später mit unseren süssen Kindern dann als perfekte Familie», sagt Marlene. Der Schein trügt. Zu Hause herrschen Angst und Gewalt. Je älter die Kinder werden, desto übler wird es. «Langsam tröpfelte es von ihm: Du taugst zu nichts, du kannst nichts, du bist nichts». Tag für Tag, Jahr für Jahr. Er redet ihr ein, sie sei psychisch krank. Sagt ihr, sie soll sich umbringen. Sie zweifelt, geht in Therapie, ist aber gesund. Irgendwann kommen auch die Kinder dran. Irgendwann gibt es auch Schläge. «Aber das weniger», so die Mutter. Sie dokumentiert die Fälle, die körperlichen und die emotionalen.

«Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, befand ich mich in einer Art Überlebensmodus», so Marlene. Doch irgendwann streikt ihr Körper und sie muss ins Krankenhaus. Da wacht sie auf. Fängt an zu reden, informiert sich und realisiert, was ihr und ihren Kindern seit Jahren widerfährt. Marlene wendet sich an verschiedene Fachpersonen. Eine davon sagt ihr, «wenn Sie überleben wollen, müssen Sie einen Eheschutz einreichen».

Das Eheschutzverfahren regelt gerichtlich die Folgen einer Trennung, wenn sich Partner und Partnerin nicht selbst oder mithilfe von Fachstellen einigen können. Und das tut sie am Ende auch. Der Mann muss ausziehen. Seither kann Marlene wieder atmen, «auch wenn ich weiss, dass der behördliche Kampf noch lange nicht zu Ende ist».

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Anzeige von psychischer Gewalt

In der Tat kann es schwierig sein, psychische Gewalt anzuzeigen. Häusliche Gewalt, wozu auch die psychische in Beziehungen gehört, kann generell nur über konkrete Strafbestände definiert werden.

19'978 Fälle von häuslicher Gewalt registrierte die Polizei 2022 in der Schweiz. 70.2 Prozent der Betroffenen sind Frauen. Von Amtes wegen verfolgt werden müssen folgende Offizialdelikte: einfache Körperverletzung, wiederholte Tätlichkeiten, Ehrverletzung, Drohung, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung.

«Doch wie zeigt man so etwas an, wenn die physische Gewalt nicht so schlimm ist? Wenn die Haut halt nur rot und nicht blau ist?», fragt Marlene.

Hilfestellungen für Betroffene

Sind Sie Opfer häuslicher Gewalt geworden? Wissen Sie nicht mehr wie es weitergehen soll und haben Angst? Wissen Sie nicht, mit wem Sie reden und an wen Sie sich wenden können? Oder ist eine Ihnen nahestehende Person von häuslicher Gewalt betroffen und Sie möchten helfen?

Sie haben das Recht, die eheliche Wohnung zu verlassen. Wenn Sie Opfer von häuslicher Gewalt sind, haben Sie einen Anspruch auf Hilfe und Betreuung nach Opferhilfegesetz, auch wenn sie keinen Strafantrag stellen.

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Als Gewaltbetroffene haben Sie selbstverständlich auch das Recht, die Kinder mitzunehmen. Die Polizei kann gewaltausübende Personen für 10 Tage wegweisen.

Das Frauenhaus ist Anlaufstelle für Frauen in Krisensituationen oder wenn Sie sich trotz Wegweisung des Täters unsicher und bedroht fühlen. Sie können beim Bezirksgerichtspräsidium Eheschutzmassnahmen beantragen, am besten mit Unterstützung einer Anwaltsperson. Schutzmassnahmen regeln zum Beispiel die Obhut der Kinder, die Zuweisung der Wohnung und die Leistung von Unterhaltsbeiträgen.

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