Dieser Artikel behandelt die Aufnahmebedingungen in der geschlossenen Psychiatrie Heidelberg im Kontext eines Urteils des Bundesgerichts (6B_459/2013 vom 13. Januar 2014). Das Urteil befasst sich mit der Frage, wer als sachverständige Person im Sinne von Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB gelten kann, insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung der Schuldfähigkeit und die Anordnung von Massnahmen.
Sachverständige Begutachtung: Anforderungen und Qualifikation
Art. 20 StGB schreibt vor, dass eine "sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen" angeordnet wird, wenn ernsthafter Anlass besteht, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln. Art. 56 Abs. 3 StGB bestimmt, dass sich das Gericht beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 und 64 (StGB) sowie bei der Änderung der Sanktion nach Artikel 65 (StGB) auf eine "sachverständige Begutachtung" stützt.
Die Frage, wer als sachverständige Person in diesem Sinne gelten kann, ist nicht abschliessend geklärt. Grundsätzlich sind die Kantone im Rahmen des Bundesrechts befugt, Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Gutachter festzulegen (Art. 47 Abs. 2, Art. 122 Abs. 2 und Art. 123 Abs. 2 BV). Im Kanton St. Gallen beispielsweise sind die Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Gutachter nicht geregelt.
Anforderungen an Gutachter
Die Aufgabe eines Gutachters ist es, eine aktuelle klinische Diagnose zu erstellen und zu begründen. Dabei ist auf ein internationales Klassifikationssystem (ICD oder DSM) abzustellen. Im Hinblick auf die Frage der Schuldfähigkeit ist die rückgeschlossene Diagnose für den Tatzeitpunkt unter Bezugnahme auf die psychiatrischen Klassifikationssysteme zu begründen. Es ist zu prüfen, ob die Störung auf die psychosoziale Kompetenz und das rechtsrelevante Handlungsvermögen im Tatzeitpunkt eine Wirkung zeitigte. Zu beurteilen ist, wie sich die Störung von erheblicher Schwere auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit auswirkte.
Der Gutachter hat in der Folge die Legalprognose zu bestimmen. Sie ist nicht lediglich eine psychiatrische Angelegenheit. Vielmehr handelt es sich um ein rechtliches, soziales, gesetzliches, medizinisches und psychologisches Thema. Psychiatrische Kriminalprognosen erfordern einerseits solide psychiatrische Kenntnisse und Erfahrungen. Andererseits müssen sachverständige Personen über eingehendes kriminologisches Wissen verfügen und auf dem neusten Stand der Ergebnisse der aktuellen Prognoseforschung sein.
Lesen Sie auch: Informationen zur geschlossenen Psychiatrie
Psychiater oder Psychologe?
Die Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches führt zu Art. 18 des Entwurfs (entspricht Art. 20 StGB) aus, das Gutachten sei in aller Regel von einem Psychiater zu erstellen. Auch in der parlamentarischen Beratung wurde davon ausgegangen, dass es sich beim Sachverständigen um einen Psychiater handelt. Zu Art. 57 Abs. 1 des Entwurfs (entspricht Art. 56 Abs. 3 StGB) erklärt die Botschaft, dass die Person des Gutachters bewusst nicht auf Psychiater eingeschränkt wurde. Relevant sei, dass der Sachverständige zu den aufgeworfenen Problemen kompetent Stellung nehmen könne. Angesichts der hohen Anforderungen an ein Gutachten werde dieses in der Regel von einem Psychiater erstellt werden müssen.
Bezüglich der Diagnosestellung ist der Fachliteratur zu entnehmen, dass bei Verdacht einer endogenen (von unbekannter Ursache) oder exogenen (körperlich begründeten) Psychose die Fachkompetenz des psychiatrischen Sachverständigen unzweifelhaft ist. Für alle übrigen Störungen und Erkrankungen, insbesondere für die Persönlichkeitsstörungen, intellektuellen Defizite (...), psychoorganischen Syndrome, affektiven Bewusstseins- und Wahrnehmungseinengungen usw., ist sowohl der klinisch-forensische Psychologe als auch der Psychiater sachkompetent.
Obwohl nichtärztliche Sachverständige nicht krankhafte Störungen diagnostizieren können, ist für die Gutachtenerstellung eine medizinische Ausbildung der sachverständigen Person vorauszusetzen. Nur diese gewährleistet, dass eine körperliche oder organische Ursache einer allfälligen psychischen Störung oder Krankheit festgestellt oder ausgeschlossen werden kann. Im Gegensatz zum nichtärztlichen Psychologen verfügt ein Facharzt für Psychiatrie und Psychologie über ein Medizinstudium sowie eine Ausbildung zum Facharzt. Auch die in der Regel erforderliche körperliche Untersuchung des Exploranden kann nur von einem Arzt vorgenommen werden.
Bisherige Rechtsprechung
Das Bundesgericht hat sich bisher nicht dazu geäussert, ob auch ein Psychologe eine "sachverständige Person" im Sinne von Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB ist. Ein älterer Entscheid aus dem Jahr 1958 deutet darauf hin, dass ein Gutachten zur Schuldfähigkeit von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu erstellen ist ("fachärztliches Gutachten", "psychiatrische Begutachtung"; BGE 84 IV 137). In BGE 127 IV 154 führte das Bundesgericht zum alten Recht aus, das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen einer Massnahme nach aArt. 43 StGB und den Strafen bildet der "Geisteszustand des Täters", also eine ärztlich-psychiatrische Indikation. Das Gesetz verpflichtet den Richter, seinen Entscheid über Verwahrungs-, Behandlungs- und Pflegebedürftigkeit aufgrund von Gutachten über den körperlichen und geistigen Zustand des Täters zu treffen. Damit verweist es für die psychischen Störungen und deren Behandlung ausdrücklich auf die lex artis der ärztlichen Wissenschaften (E. 3d S. 158).
Die strafrechtliche Literatur spricht sich dafür aus, dass Gefährlichkeitsgutachten bzw. Gutachten nach Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB in aller Regel von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu erstellen sind.
Lesen Sie auch: Aufnahme in die Geschlossene Psychiatrie Duisburg
Lesen Sie auch: Diagnose und Behandlung von Schwindel
tags: #geschlossene #psychiatrie #heidelberg #aufnahmebedingungen