Gemüse gegen Depressionen: Wie Ernährung die Stimmung beeinflusst

Längst sind sie zur Volkskrankheit mutiert: Depressionen, Angstzustände und andere psychische Leiden sind keine seltene Ausnahmeerscheinung mehr, sondern betreffen mittlerweile richtig viele Menschen.

Die Ernährung wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit des Körpers, sondern auch auf das psychische Wohlbefinden aus. Es gibt wissenschaftliche Hinweise darauf, dass bestimmte Lebensmittel unsere Laune entscheidend beeinflussen können.

Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Depressionen

Laut der Psychiaterin und Spitzenköchin Uma Naidoo hat gesunde Ernährung einen grossen Einfluss auf unsere seelische Gesundheit. Wer sich gesund ernähre, stärke somit auch sein Gehirn.

Tatsächlich hilft laut einer gross angelegten Studie gesunde Ernährung sogar besser als jedes Anti-Depressivum. Denn gesunde Ernährung beeinflusst unser Denken und unsere Stimmung. Bei der besagten Studie konnten die Symptome bei mehr als 32 Prozent der Probanden gelindert werden.

Die Rolle von Ballaststoffen

Nicht nur unser Körper, auch die Psyche profitiert von Ballaststoffen. So zeigte eine neue Studie aus Korea, dass durch eine ausreichende Zufuhr das Risiko für Depressionen verringert wird. Die Forscher werteten dafür Daten von 5'700 Probandinnen aus. Im Fokus stand der Zusammenhang zwischen der Ballaststoffaufnahme und Depressionen bei Frauen in den Wechseljahren.

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Interessant: Der positive Einfluss wurde nur vor der Menopause beobachtet, danach verpuffte die Wirkung. Ein möglicher Grund könnte laut der Forscher das Darmmikrobiom sein. Denn Ballaststoffe vergrössern die Vielfalt der Darmbakterien.

Für Erwachsene wird eine Mindestaufnahme von 30 Gramm empfohlen. Ein weiterer positiver Effekt von Ballaststoffen ist, dass sie gut sättigen. Das vor allem, weil sie Wasser binden können und dadurch im Magen aufquellen. So fühlt man sich lange satt.

Kohlenhydrate und Stimmung

Beispielsweise scheinen sich Kohlenhydrate auf die Stimmung auszuwirken: Studien zeigten, dass eine Ernährung mit wenig Kohlenhydraten Gefühle von Ungeduld, Anspannung und Ärger verstärken können. Hingegen konnte bei einer ausgewogenen Ernährung mit ausreichend Kohlenhydraten eine positivere Stimmung und besserer Schlaf beobachtet werden.

Die Bedeutung des Mikrobioms

Zudem gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass ein direkter Zusammenhang besteht zwischen der Ernährung und der individuellen Zusammensetzung der Bakterien im Darm, dem so genannten Mikrobiom. Dieses wiederum scheint auch Einfluss zu haben auf die psychische Verfassung.

Verschiedene Studien zeigten, dass sich das Mikrobiom von Menschen mit psychischen Erkrankungen vom Mikrobiom psychisch gesunder Menschen unterscheidet. Untersuchungen zeigten beispielsweise eine bestimmte mikrobielle Signatur, die auf depressive Symptome hinweist. Zudem sind Darmbakterien an der Synthese chemischer Botenstoffe beteiligt, die mit Depressionen in Verbindung gebracht werden.

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Relativ unbestritten ist heute, dass das eigene Mikrobiom über die Ernährung langfristig beeinflusst werden kann: Eine vielseitige, abwechslungsreiche Ernährung mit möglichst vielen verschiedenen pflanzlichen Lebensmitteln und vielen Ballaststoffen - also viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse und Samen - unterstützen das Mikrobiom. Auch fermentierte Lebensmittel wie Naturjoghurt, Sauerkraut, Kefir oder Kimchi sind hilfreich.

Was hilft: Die "Regenbogen-Diät" und fermentierte Speisen

Naidoo setzt bei ihrer Ernährungsberatung beispielsweise auf fermentierte Nahrung - das sind Lebensmittel, bei denen enthaltener Zucker von Bakterien, Hefen und Pilzen verstoffwechselt worden ist. Oft erhalten die Lebensmittel dann einen sauren Geschmack, wie zum Beispiel bei eingelegtem Gemüse. Auch Joghurt ist ein fermentiertes Produkt.

«Fermentierte Nahrung kann helfen, Entzündungen zu lindern», sagt Naidoo. Ausserdem empfiehlt sie die sogenannte «Regenbogen-Diät»: Das heisst, man nimmt unterschiedliche Farben von Gemüse und Obst zu sich - eben in allen Farben des Regenbogens. «Es geht dabei nicht um die unterschiedlichen Farben, sondern um die verschiedenen Mikroben, die sie in unser Verdauungssystem bringen».

Mikroben sind winzig kleine Lebewesen, die nur unter dem Mikroskop erkennbar sind. Sie sind für unsere Darmflora unerlässlich.

Was nicht hilft: Zucker, Salami, Alkohol

Auch wenn der Fokus einer gesunden Ernährung vor allem auf Gemüse liegt, gehe es nicht darum, Fleisch komplett aus dem Speiseplan zu verbannen. Allerdings sollte man dies in Massen tun und von verarbeiteten Fleisch-Produkten wie beispielsweise Salami die Finger lassen. Sie erhält Nitrate - und die fördern Depressionen.

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Zucker macht nicht nur dick, sondern schädigt laut Naidoo auch das Gehirn. Auch wenn er nicht das gleiche Suchtpotenzial wie Drogen habe, sei er trotzdem problematisch: «Er kommt in sehr vielen Gerichten vor, wo man ihn gar nicht vermutet, beispielsweise in Ketchup, Salatsaucen oder in Pommes frites.»

Naidoo setzt weniger auf Verbote, sondern vielmehr auf ein gesundes Mass: auch beim Thema Alkohol. «Unter bestimmten Umständen kann Rotwein sogar hilfreich für die Gesundheit sein». Aber: Zu viel Alkohol schädige das Gehirn - und auch von zuckerhaltigen Cocktails sollte man eher die Finger lassen.

Die Mittelmeerdiät als Vorbild

Die Forschung hat zudem gezeigt, dass eine mediterrane Ernährungsweise das Risiko für Depressionen senken kann. Diese Ernährung zeichnet sich aus durch reichlich Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, Olivenöl, Vollkorngetreide, Fisch und mageres Fleisch wie Hühnchen. Ein Grund dafür könnten die vielen ungesättigten Omega-3 Fettsäuren sein, die nicht nur die Stimmung heben, sondern auch sonst viele gesundheitliche Vorteile bieten.

Eine an die Mittelmeerkost angelehnte Ernährung mit viel Gemüse, Salat, Kräutern, Obst, Hülsenfrüchten, Nüssen, pflanzlichen Ölen und Fisch kann einen positiven Einfluss auf das Risiko für Depressionen haben. Das liegt daran, dass die Mittelmeerkost mit hochwertigen Kohlenhydraten, pflanzlichem Eiweiss, ungesättigten Fettsäuren wie Omega-3-Fettsäuren, B-Vitaminen, Mineralien wie beispielsweise Magnesium und Antioxidantien einen guten Nährstoffmix liefert.

Hochverarbeitete Lebensmittel wie Hamburger oder Fertigpizza führen zu einer höheren Einnahme von Zusatzstoffen und Kalorien bei gleichem Nährstoffgehalt wie Mittelmeerkost. Zudem schaden diese Nahrungsmittel auf Dauer der Darm- und Herzgesundheit, was einen negativen Einfluss auf die Psyche haben kann.

Lycopin in Tomaten gegen Depressionen

Lycopin in Tomaten könnte helfen, Depressionen zu lindern, denn Gemüse spielt eine wichtige Rolle für die psychische Gesundheit. Das zeigt eine neue Studie.

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Lycopin eine Reduktion depressiver Symptome haben kann.

Lycopin ist ein starkes Antioxidans: Es schützt Zellen vor oxidativem Stress und zeigt in Tierstudien neuroprotektive Effekte. In einer im Fachjournal Food Science & Nutrition veröffentlichten Studie erhielten Mäuse unter chronischem Stress Lycopin. Die behandelten Tiere zeigten weniger depressive Symptome und verbessertes Sozialverhalten.

Lycopin beeinflusst den BDNF-TrkB-Signalweg im Gehirn. Dieser ist wichtig für Resilienz und die Verarbeitung positiver Informationen. Klinische Antidepressiva wirken ebenfalls über diesen Mechanismus. Die Forscher betonen, dass Lycopin im Vergleich zu klassischen Antidepressiva eine höhere Sicherheit aufweist.

Die Aufnahme von Lycopin gelingt am besten über erhitzte Tomatenprodukte wie Tomatenmark oder getrocknete Tomaten. Frische Tomaten enthalten zwar auch Lycopin, jedoch in geringerer Konzentration.

Weitere Studien zu Gemüse und psychischer Gesundheit

Auch andere Untersuchungen zeigen, dass ein hoher Konsum von Obst und Gemüse das Risiko für Depressionen senken kann. Eine Metastudie der University of New South Wales untersuchte fast 3500 Zwillinge. Sie zeigt: Wer viel Gemüse isst, erkrankt seltener an Depressionen.

Wasserlösliche Ballaststoffe können die Serotoninproduktion steigern und Entzündungen hemmen. Das berichtet das «Institut für betriebliches Gesundheitsmanagement».

Praktische Tipps für eine stimmungsaufhellende Ernährung

Gewisse Lebensmittel schlagen auf unsere Stimmung, andere heben die Laune. «Für unsere Psyche ist es jedoch noch viel wichtiger, wie wir essen», sagt Professor Gregor Hasler.

  • Kochen Sie selbst! Verwenden Sie dazu frische Nahrungsmittel - besonders Gemüse, keine Fertigprodukte, vermeiden Sie viel Zucker oder Salz. Selbstgekochte Gerichte sind voller wichtiger Nährstoffe für den Körper. Fühlt sich der Körper genährt, spürt dies auch die Psyche.
  • Essen Sie ausgewogen. Ihr Körper und Ihre Psyche benötigen täglich Mineralstoffe, Vitamine, gesunde Fette, Proteine und Ballaststoffe. Vermeiden Sie es, ständig das Gleiche zu essen. Das macht einerseits den Darm träge. Er hat kaum Arbeit, um komplexe Nährstoffe aus der Nahrung zu lösen.
  • Nehmen Sie sich Zeit fürs Essen. Ohne Handy oder Fernseher und nicht zwischen Tür und Angel. Setzen Sie sich hin und kauen Sie bewusst - aktivieren Sie dabei Ihre Sinnesorgane: Schmecken und riechen Sie, was auf Ihrer Zunge und an ihrem Gaumen liegt. Nehmen Sie die Textur der Nahrung wahr.
  • Achtsamkeit im Leben. Die wirkungsvollste Massnahme sieht die Expertin in mehr Achtsamkeit im Leben. Studien haben gezeigt, dass mehr Achtsamkeit lebensverlängernd wirkt.

Nahrungsmittel, die die Stimmung aufhellen können

  • Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren: Unser Gehirn benötigt bestimmte Fettsäuren, damit es richtig funktioniert - und damit auch unser Wohlbefinden steuert. Zu den wichtigsten dieser Fettsäuren zählen Omega-3 und Omega-6. Neben weiteren gesundheitlichen Vorteilen erhöhen diese Fettsäuren den Spiegel des Glückshormons Serotonin. Die Forschung empfiehlt 1-2 Mal in der Woche fetten Seefisch zu essen oder Fisch- bzw. Algenöl einzunehmen.
  • Probiotika: «Wir sehen in unserer jüngsten Studie, dass sich Probiotika positiv auf die Stimmung auswirken», sagt Psychiaterin Undine Lang.
  • Vitamin D und B-Vitamine: Vitamin D unterstützt die Produktion des Stimmungshormons Serotonin. Zudem helfen die B-Vitamine unserem Nervensystem - und damit unserer Psyche. Zu den Nervenvitaminen zählen u.a. B1, B6, B12 und B9. Letzteres ist uns als Folsäure besser bekannt. Folsäure finden Sie in dunkelgrünem Blattgemüse, Bohnen, Erbsen, Nüssen, Orangen, Bananen oder Zitronen.
  • Komplexe Kohlenhydrate: Kohlenhydrate haben nicht unbedingt den besten Ruf. Dabei sind sie wahre Beruhigungskost - wenn es die richtigen sind. Dank ihrer komplexen Struktur arbeitet der Körper langsamer und länger, um die Stärke - also Zucker - aus der Nahrung zu gewinnen. Dieser sanfte Anstieg wirkt sich positiv auf die Psyche aus. Besonders pflanzliche Lebensmittel wie Früchte oder Gemüse beinhalten viel Ballaststoffe. Diese helfen dem Körper, den Zucker aus der Nahrung langsamer aufzunehmen.

Die Darm-Hirn-Achse

Aber auch Magen und Darm spielen eine wichtige Rolle für unsere psychische Gesundheit. Denn Bauch und Kopf stehen im ständigen Austausch miteinander: Schätzungen zufolge umgeben den Magen-Darm-Trakt mehr Nervenzellen, als im Rückenmark zu finden sind.

Bestimmte Bakterien in unserem Darm produzieren verschiedene neurochemische Verbindungen, die unser Gehirn für die Regulierung physiologischer, mentaler und stimmungsbezogener Prozesse verwendet. Hierzu gehören Botenstoffe wie das Glückshormon Serotonin, Neurotransmitter, die beruhigend auf uns wirken (z.B. GABA) oder Neuromodulatoren.

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