Rauchen birgt vielfältige Gesundheitsrisiken, von Lungenkrebs über COPD bis hin zum Herzinfarkt. Doch zählen auch psychische Erkrankungen dazu? Bisher hat kaum jemand an diesen Zusammenhang gedacht. Raucher leiden häufiger unter Depressionen als Nichtraucher.
Zusammenhang zwischen Rauchen und Depressionen
Wissenschaftler vom Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz sind möglicherweise auf einen solchen Zusammenhang gestossen. Als Grundlage dienten ihnen Daten der Gutenberg-Gesundheitsstudie, die seit 2007 läuft und mehr als 15.000 Teilnehmende im Alter von 35 bis 74 Jahren einschliesst.
Ergebnisse der Studie
- Rauchende Teilnehmer litten häufiger unter Symptomen von psychischen Erkrankungen, darunter Angst- und Schlafstörungen.
- Aktuelle Raucherinnen und Raucher berichteten mit einer um 43 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit von Depressionssymptomen im Vergleich zu Nichtrauchern.
- Im mehrjährigen Studienverlauf traten bei ihnen Depressionssymptome um 50 Prozent häufiger neu auf.
- Je länger die Teilnehmenden nicht mehr rauchten, desto seltener gaben sie an, unter Depressionssymptomen zu leiden.
- Je länger und je mehr die Tabakkonsumenten rauchten, desto häufiger entwickelten sie psychische Symptome.
Dennoch sind all diese Befunde noch kein Beweis dafür, dass Rauchen tatsächlich das Depressionsrisiko erhöht. Es ist auch denkbar, dass psychisch labile Menschen eher zu Zigaretten greifen, die sowohl entspannend als auch anregend wirken. Wie bei Alkoholika könnten sich Rauchen und Depressionen gegenseitig zu einem Teufelskreis verstärken. Es könnte auch ein gemeinsamer, noch unentdeckter Faktor zugrunde liegen, beispielsweise eine genetische Disposition, die beides begünstigt.
Wie Rauchen die Psyche beeinflussen kann
Die Hinweise für einen ursächlichen Zusammenhang sind stark genug, dass die Mainzer Kardiologen weiterforschen wollen. Rauchen schädigt die Gesundheit in vielfältiger Weise, und eine schlechte körperliche Verfassung belastet auch die Psyche. Das Nervengift Nikotin wirkt direkt im Gehirn, und die übrigen Giftstoffe, die der Raucher mit jedem Zug an der Zigarette aufnimmt, könnten das Denkorgan beeinträchtigen.
Die Autoren schreiben, dass Ursache wahrscheinlich rauchbedingte strukturelle und funktionelle Veränderungen des zentralen Nervensystems sind. Die enthaltenen Toxine erzeugten oxidativen Stress, der Entzündungsprozesse fördert. Zudem könne Rauchen das sogenannte cholinerge System beeinträchtigen, welches über den Botenstoff Acetylcholin zahlreiche Prozesse im zentralen Nervensystem beeinflusst, darunter Gedächtnisbildung, Aufmerksamkeit und auch den Schlafrhythmus.
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Die Auswirkungen des Nikotinentzugs
Der Glaube, dass Rauchen Stress und andere mentale Probleme lindert, ist noch immer verbreitet. So mancher Raucher fürchtet, dass seelische Belastungen zunehmen, wenn er auf Nikotin verzichtet. Auch die Sorge, dass die Reizbarkeit durch den Entzug die zwischenmenschlichen Beziehungen belastet, treibt viele um. Tatsächlich aber ist eher das Gegenteil der Fall.
Rauchen ist eine Sucht, und Süchte bedeuten Stress. Das tägliche Hamsterrad von zwanghaftem Verlangen nach einer Zigarette, das kaum gestillt immer wieder neu aufflammt, beeinträchtigt das Wohlbefinden. Entzugssymptome sind unter anderem Stress, Niedergeschlagenheit und verstärkte Ängste, gegen die der Raucher anraucht. Wer jedoch den Nikotinentzug einmal überwunden habe, finde sich in einem stabileren psychischen Zustand wieder.
Seelische Stabilität nach dem Rauchstopp
Wissenschaftler um Gemma Taylor von der University of Bath's Addiction & Mental Health Group werteten im Rahmen einer Cochrane Studie 102 Beobachtungsstudien zu diesem Thema mit insgesamt rund 170.000 Teilnehmern aus. Das Ergebnis: Raucher, die es schafften, sechs Wochen auf Zigaretten zu verzichten, fühlten sich weniger gestresst, ängstlich und depressiv als Teilnehmer, die weiterhin rauchten. Sie berichteten von mehr positiven Gefühlen und gaben an, sich psychisch insgesamt besser zu fühlen. Auch ihre sozialen Beziehungen litten nicht unter dem Nikotinentzug.
Vom positiven Effekt des Rauchstopps auf die Psyche profitieren der Metastudie zufolge auch Menschen mit diagnostizierten psychischen Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Verzicht auf Zigaretten mentale Probleme verschlimmert.
Mentale Belastung von Rauchern
Eine Erhebung der britischen Organisation PublicHealth England ergab, dass Raucher im Schnitt mental stärker belastet sind als Nichtraucher. Unklar ist, ob psychisch labile Menschen eher zu Rauchen beginnen oder ob Rauchen die seelische Balance beeinträchtigt. In der Pandemie hat sich das Problem in jedem Fall verschärft: Litten 2019 noch 1,6 Millionen britische Raucher unter Angststörungen, stieg die Zahl im Coronajahr 2020 um 50 Prozent auf 2,4 Millionen.
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Ärztliche Hilfsmassnahmen bei der Tabakentwöhnung
Laut epidemiologischen Untersuchungen greifen vor allem junge Frauen aus sozial schwächeren Schichten und oft auch Immigrantinnen aus Osteuropa häufiger zur Zigarette. Frauen werden als neue Risikotypen für tabakbedingte Krebs-, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen erkannt. Ärztinnen und Ärzte haben eine bedeutende Aufgabe beim Gelingen der Tabakentwöhnung.
Es hat sich als wenig hilfreich erwiesen, wenn ärztliche Ratschläge als Belehrungen über Gesundheitsrisiken empfunden werden. Wenn aber konsequente ärztliche Begleitung angeboten und die heutigen Therapiemöglichkeiten besprochen werden, sind viele RaucherInnen motiviert, eine Nikotin-Entwöhnung durchzuhalten.
Therapiemöglichkeiten
Zu den Behandlungsoptionen der ersten Wahl bei Nikotin-Entwöhnung gehören die Nikotin-Ersatz-Therapie, Bupropion und Vareniclin. Hier eine Übersicht:
| Therapie | Beschreibung | Wirksamkeit |
|---|---|---|
| Nikotin-Ersatz-Therapie (NRT) | Verschiedene Applikationsformen (Kaugummi, Pflaster, Nasenspray oder Dragee) | Langzeiterfolg (Odds Ratio 1,77, 95%-KI 1,66-1,88) |
| Antidepressiva (Bupropion) | Unterstützung während der Rauchentwöhnung | Verdoppelt die Erfolgsrate (Odds Ratio: 1,94; 95%-KI 1,72-2,19) |
| Vareniclin | Partieller Agonist gegen den ␣42Nikotin-Rezeptor | Überlegen gegenüber Plazebo, Bupropion und NRT |
Sind bereits mehrere Rauchstoppversuche unternommen worden, sollte bei dem neuen Versuch grundsätzlich auf die Substanz zurückgegriffen werden, die bereits spürbar Dranggefühle unterdrücken konnte.
Unterstützung für leichte Raucher
Auch leichten Rauchern sollte eine unterstützende Behandlung angeboten werden, da die meisten bei Rauchstoppversuchen Nikotin-Drang empfinden und schon mehrere Versuche unternommen haben, das Rauchen ganz aufzugeben.
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Rauchstopp während der Schwangerschaft
Während der Schwangerenvorsorge sollte die unterstützte Nikotinentwöhnung mit der Patientin besprochen werden, um Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht der Kinder zu verringern. Sofern für die Nikotin-Entwöhnung speziell geschulte Ärzte oder Gesundheitsberater verfügbar sind, sollte den Patientinnen in jedem Fall eine unterstützende Verhaltenstherapie angeboten werden.
Umgang mit Entzugserscheinungen
Die Entzugserscheinungen treten nach weniger als 24 Stunden auf und erreichen ihren Höhepunkt nach 3 Tagen. In den darauffolgenden 2-4 Wochen lassen sie allmählich nach. Zu den häufigsten Entzugserscheinungen gehören:
- Craving (unwiderstehliches Rauchverlangen)
- Schwindel und Kopfschmerzen
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Gereiztheit
- Stimmungsschwankungen
- Schlafstörungen
- Husten
- Gewichtszunahme
- Verdauungsschwierigkeiten
Es gibt verschiedene Strategien, um mit diesen Entzugserscheinungen umzugehen, darunter Ablenkungstechniken, Entspannungsübungen und der Einsatz von Nikotinersatzprodukten.
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