Depression: Ursachen, kein Lebensmut und Hilfe

Viele Menschen haben im Verlauf ihres Lebens Suizidgedanken. Solche ungewohnten Gedanken zu haben, kann im ersten Moment erschrecken: «Werde ich jetzt verrückt?», «Was geschieht mit mir?», «Wo führt das nur hin, wenn ich so was denke?». Suizidgedanken sind eine normale Reaktion auf hohen Leidensdruck.

Suizidgedanken als Reaktion auf Leidensdruck

Wenn Menschen über längere Zeit hohem Leidensdruck ausgesetzt sind oder einen traumatischen Schicksalsschlag erleben, dann tauchen häufig Gedanken auf wie: «Ich will hier raus!», «Ich halte das nicht mehr aus!», «Wofür lohnt es sich überhaupt noch zu leben?», «Am besten wäre es, nicht mehr da zu sein.», «Wenn es mich nicht gäbe, ginge es allen besser!». Das eigene Leben zu beenden, erscheint als (einzig) mögliche Befreiung aus der Krise.

Gespräche mit vielen Betroffenen zeigen jedoch, dass die meisten Menschen mit Suizidgedanken nicht sterben möchten, sondern sich nach einem Ausweg aus der Krise, nach Ruhe und Frieden sehnen. Die Erfahrung zeigt auch, dass schwere Krisen mit Suizidabsichten in aller Regel vorbeigehen. Die Häufigkeit und Intensität von Suizidgedanken kann stark schwanken.

Ursachen von Suizidgedanken

Die Gründe für Suizidgedanken sind bei jedem Menschen anders. Sehr häufig geht Suizidgedanken ein längerer Leidensweg voraus. Auf diesem Weg wurden schon viele Dinge zur Verbesserung der Belastungssituation ausprobiert, die aber keine oder kaum Erleichterung brachten. Manchmal tauchen Suizidgedanken aber auch akut nach einem einschneidenden Lebensereignis auf, ohne dass ein längerer Leidensweg vorausging (z.B. nach einer Scheidung oder dem Verlust der Arbeitsstelle).

Grosser Leidensdruck führt dazu, dass man kaum mehr einen klaren Gedanken fassen kann und darum auch in seinen Handlungsmöglichkeiten und Problemlösefähigkeiten stark eingeschränkt ist. Oder es fehlt einfach die Kraft - man mag nicht mehr. In einer suizidalen Krise werden die Suizidgedanken immer drängender und die Widerstandskraft gegen diese Gedanken nimmt ab. In diesem verzweifelten Zustand kann es geschehen, dass auch scheinbar kleine Vorkommnisse einen Suizidversuch auslösen.

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Nicht selten stehen Suizidgedanken in Zusammenhang mit einer Depression oder mit anderen psychischen Erkrankungen. Diese Erkrankungen sind behandelbar und häufig heilbar. Es ist wichtig, sich professionelle Hilfe zu holen, denn je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird, umso besser wirkt die Behandlung. In aller Regel führt eine Psychotherapie oder eine Kombination von Psychotherapie und Medikamenten zu einer deutlichen Besserung und zu einer Abnahme der Suizidgedanken. Auch darum ist es wichtig, dass Sie bei Suizidgedanken aktiv werden und sich Hilfe holen.

Chronische Erkrankungen und ihre psychischen Folgen

Chronische Erkrankungen ziehen eine Vielzahl an psychischen Folgen nach sich. Die wahrgenommene Belastung einer chronischen Erkrankung ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die Unterschiede begründen sich in Persönlichkeitsfaktoren, dem sozialen Umfeld sowie den individuellen Ressourcen und Vulnerabilitäten. Chronisch erkrankt zu sein bedeutet einen Kontrollverlust, was Stress auslöst und Hilflosigkeit verursacht. Dieser Stress kann wiederum den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflussen, was zu mehr Stress führen kann.

Die Diagnose ruft viele Unsicherheiten hervor bezüglich der eigenen Identität und Lebensplanung. Von Betroffenen muss eine grosse Anpassungsleistung erbracht werden, um mit der Krankheit umgehen zu können. Eine chronische Erkrankung führt zu wahrgenommenen und tatsächlichen Einschränkungen, deren Folgen genauso herausfordernd sein können, wie die körperlichen Symptome. Als Folge der Erkrankung können sich Schwierigkeiten im Umgang mit dem Gesundheitssystem, familiäre, finanzielle, soziale und psychische Probleme entwickeln. Durch die Erkrankung kann es sein, dass sich die berufliche Situation ändert und Anpassungen im sozialen Umfeld erfolgen müssen.

Herausforderungen chronischer Erkrankungen

Chronisch Erkrankte haben mit einem Gefühl der Verletzung ihrer körperlichen Integrität zu kämpfen. Die Erkrankung bedroht ihr Selbstbild und je nach Erkrankung ihr Leben. Es ist schwierig zu akzeptieren, dass die Erkrankung irreversibel ist und je nach dem progredient verläuft. Zudem gilt es auch, mit der reduzierten körperlichen Leistungsfähigkeit klarzukommen. Chronische Schmerzen sind Teil vieler chronischer Erkrankungen und stellen eine Belastung dar, deren Bewältigung viel Energie benötigt. Zudem sehen sich viele Betroffene therapeutischen Massnahmen ausgesetzt, die sie zum Teil aversiv erleben. Dazu kommt gleichzeitig die Abhängigkeit vom medizinischen System.

All dies kann zu Gefühlen der Hilflosigkeit, Wut, Scham, Depression und Angst führen. In diesem Zusammenhang kommt es oft zu Depressionen, Angststörungen, Anpassungsstörungen und Körperschemastörungen. Um Entscheidungen bezüglich des weiteren Vorgehens treffen zu können, bedarf es verlässlicher Informationen. Durch die psychische sowie körperliche Beeinträchtigung ist der Entscheidungsprozess ohnehin erschwert. Daher ist der Bedarf nach Informationen besonders gross.

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Es kann eine grosse Belastung sein, Entscheidungen bezüglich der Behandlung treffen zu müssen. Es kann Angst auslösen, über verschiedene Krankheitsverläufe, Komplikationen und Nebenwirkungen nachzulesen. Deshalb ist eine gute Beratung durch den Arzt für viele Betroffene eine Entlastung. Aufgrund der Abhängigkeit vom Gesundheitssystem ist eine vertrauensvolle Beziehung zum Arzt bei chronisch Kranken besonders wichtig. Häufige Ärztewechsel werden belastend wahrgenommen. Dennoch kann es unter Umständen lange dauern, bis die Betroffenen einen Arzt finden, dem sie voll vertrauen. Sie wünschen sich, als ganzheitliche Person wahrgenommen zu werden und Bedenken bezüglich der Behandlung ausdiskutieren zu können. Dies ist ein wichtiger Faktor für eine gute Compliance und Therapieadhärenz.

Wenn Kinder depressiv werden

Wenn ein Kind depressiv wird, stellt das die ganze Familie vor eine grosse Herausforderung. Die Suche nach der Ursache hilft oft wenig. Eine Lebenskrise kann durch ein traumatisches Erlebnis ausgelöst werden, sie kann aber auch wie der Blitz aus heiterem Himmel über einen hereinbrechen.

Wer sich seiner selbst sicher ist, kennt seine Schwächen und Stärken, seine Sympathien und Antipathien. Tatsächlich hat sie sich aber nicht selbst verloren. Sie hat «nur» den Kontakt zu sich verloren und fühlt sich vorübergehend wie gelähmt. All ihre Talente, Erfahrungen, Ziele und Träume existieren noch, aber sie kann sie nicht fühlen und hat deshalb auch keinen Zugriff darauf.

Bei einem Psychologen beispielsweise ist es wichtig, dass die Chemie zwischen ihm und der Patientin stimmt und dass er in der Lage ist, Anna zu vermitteln, dass er den Schlüssel zu ihrem Wohlbefinden hat. Anna braucht einen externen Gesprächs- oder Sparringpartner, der geduldig und bereit ist, sie in ihrem Tempo zu führen. Anna soll ihre Gedanken über einen Selbstmord mit den Eltern teilen, bevor sie weitere Schritte plant. Wenn ihr Arzt ein modernes Antidepressivum verschrieben hat - wir nennen es im Volksmund «Happy Pill» - und dieses nach drei bis fünf Wochen nicht oder nur wenig hilft, braucht es eine medikamentöse Alternative.

Da Anna ihre Identität verloren hat, ist nun die Depression ihre ganze Identität. Es ist wichtig, dass das Gleiche nicht auch den Eltern und den Geschwistern passiert. Sie müssen immer daran denken, dass Anna viel mehr ist als ihre Depression. Obwohl das sehr schwierig ist, müssen die Eltern alles versuchen, um zu verhindern, dass die Depression ihrer Tochter zu ihrem «Projekt» wird. Natürlich braucht Anna die Zuwendung und Fürsorge ihrer Familie, aber es sollte nicht so sein, dass die Eltern ihr eigenes Leben auf Stand-by schalten, bis ihre Tochter sagt, dass es ihr besser geht.

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Mein Vorschlag ist deshalb, dass sie Anna einen «Deal» anbieten: Ihre Tochter soll ihre Gedanken über einen Selbstmord mit den Eltern oder dem Psychologen teilen, sobald sie auftauchen und bevor sie weitere Schritte plant. Ansonsten sind die Schlüsselwörter jetzt Geduld und Integration. Vielleicht ist es nächste Woche vorbei oder es dauert noch viele Monate. In dieser Zeit müssen die Eltern lernen, ihre eigene Hilflosigkeit und Verzweiflung zurückzuhalten und ihr eigenes Leben zu leben, damit diese Gefühle nicht auch ihr Leben zum Stillstand bringen. Sie dürfen an ihre Tochter glauben, so wie sie es immer getan haben.

Erfahrungsbericht einer Mutter

Ihr Kind lebt seit einigen Jahren mit einer depressiven Erkrankung. Sie kennen die Anzeichen, welche auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes hinweisen und möchten Ihr Kind so gut es geht durch die Phasen von leichten bis schweren Depressionen begleiten. Als Angehörige ist die Begleitung von Betroffenen oft sehr aufzehrend. Sie müssen darauf achten, selbst nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen.

Seit dieser Zeit lebt meine Tochter mit dieser Krankheit von leichter bis hin zu schweren Depressionen und Angststörungen. Sie war deshalb auch in fachärztlicher Behandlung. Ihr Zustand spitzte sich um die Zeit der Examensprüfung zu, sie berichtete mir von Suizidgedanken. Das machte mich sehr betroffen und ich fürchtete, dass sie in eine unkontrollierbare Situation geraten könnte. Wir sprachen sehr offen über dieses Thema und auch über die katastrophalen Folgen eines misslungenen Suizidversuches. Sie versprach mir, es nicht zu tun.

Die Situation geriet jedoch ausser Kontrolle und so passierte das Unfassbare. Meine Tochter sah keinen anderen Ausweg mehr, sich von den Qualen der Depressionen, dieser fürchterlichen Krankheit, zu befreien und unternahm ihren ersten Suizidversuch mit dramatischem Ausgang. Sie überlebte diesen Suizidversuch knapp und brauchte viele Monate für ihre Rehabilitation als Paraplegikerin.

Alles, wirklich alles mir Mögliche hatte ich unternommen, um sie zu unterstützen, zu motivieren, sie aufzubauen, ihr zu zeigen, dass das Leben weitergeht und noch so viel Schönes bereithält. Damit wollte ich ihr die Botschaft geben: «Ich bin bei dir und begleite dich, auch wenn es schwierig ist.» Und jetzt das? Was war passiert?

Um negative Gefühle zu verarbeiten, nutze ich das Schreiben oder den Austausch mit anderen Betroffenen. Zum anderen ist auch die eigene Reflexion sehr wichtig. Das heisst, die Angst oder Panik davor führt Sie selbst in die Krankheit. Stattdessen machen Sie sich bewusst, dass Sie selbst es nicht hundertprozentig verhindern können, wenn ein an Depressionen erkrankter Mensch nur etwas mehr dem Leben abgewandt als zugewandt den Freitod sucht. Selbst wenn Sie noch so viel Kraft, Zeit und Aufmerksamkeit Ihrem an Depressionen erkrankten Kindes gegenüber aufwenden: einen Suizid zu verhindern, das gelingt nicht einmal einer Fachperson.

Das bedeutet für Sie: Achten Sie bei der Begleitung Ihres Kindes vor allem auf Ihr inneres Gleichgewicht, Ihre Gesundheit, ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und grenzen auch Sie sich ab, denn Sie haben ein Recht auf Ihr eigenes Leben. Geraten Sie nicht unnötig in Schuldgefühle, das ist eine Falle, aus der Sie sich nur mühevoll wieder herausmanövrieren können.

Wie man Depressionen erkennt und was man dagegen tun kann

Sie brauchen therapeutische Hilfe, denn Sie leiden offensichtlich an einer Depression. Grob unterscheidet man zwischen endogenen und reaktiven Depressionen. Die erste Störung trifft einen wie eine körperliche Krankheit, ohne erkennbare Ursache. Manchmal wechseln solche depressiven Zustände mit euphorischen ab, dann spricht man von einer bipolaren Störung. Zur Behandlung sind Medikamente unerlässlich.

Bei der reaktiven Depression lässt sich ein Auslöser erkennen. Das seelische Tief ist eine Reaktion auf eine schmerzhafte und belastende Lebenserfahrung. Oft ist es der Verlust eines geliebten Menschen durch Tod oder eine Trennung. Aber auch eine langandauernde Überforderung durch widrige Lebensumstände kann in eine solche reaktive Depression münden.

Für Menschen, die von Depressionen betroffen sind, ist das Leben ein einziger Kampf, um nur den Alltag zu überstehen. Am Morgen fehlt die Kraft, aus dem Bett zu steigen. Ankleiden, in die Stadt fahren und einkaufen scheinen unüberwindliche Hindernisse zu sein. Selbstvorwürfe, Gedanken des Versagens, Gefühle der Wertlosigkeit belasten die Betroffenen. Schliesslich kommen Zweifel am Sinn und am Wert des Lebens überhaupt auf.

Gemäss Seligman kann man nur in eine solche Sackgasse geraten, wenn man ein tief verankertes Gefühl der eigenen Hilflosigkeit hat. Und diese Überzeugung kommt nicht von ungefähr - die hat man erworben. Musste man irgendwann Situationen erleben, in denen man tatsächlich keine Kontrolle über bedrohliche Ereignisse hatte, kann einen das derart entmutigen, dass man sich auch in bewältigbaren Situationen nichts mehr zutraut.

Symptome der erlernten Hilflosigkeit sind ein Verlust an Initiative und Willensstärke, ein Verlust der Überzeugung, dass Handlungen etwas bewirken können, eine verringerte Aggressivität und weniger Durchsetzungsvermögen, Appetit- und Gewichtsverlust und Störungen im Sexual- und Sozialverhalten. Wer sich nichts zutraut, kann auch die Erfahrung nicht machen, dass er sein Leben und sein Schicksal beeinflussen kann. In der Therapie muss dies durchbrochen werden. Die Betroffenen müssen nach und nach wieder Selbstwirksamkeitserfahrungen machen.

Die Depression wirkt sich auf viele Bereiche des Erlebens aus und verursacht bei den Betroffenen häufig einen hohen Leidensdruck. Alles wirkt schwer, schwierig, zäh, anstrengend. Meist ist eine depressive Verstimmung Ausdruck eines Unglücklichseins mit dem aktuellen Leben, beruflich oder privat. Häufige Auslöser sind Trennungen, Scheidungen, Pensionierungen, Kündigungen, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Mobbing oder suchtmittelabhängige Kinder.

Bleiben die schweren Gedanken und Gefühle aber über eine längere Zeit bestehen, oder treten immer wieder auf, handelt es sich um eine Erkrankung. Jeder Dritte leidet einmal in seinem Leben an einer solch schwereren Form der Depression. Im Denken: Viele Betroffene machen sich Sorgen, berichten über Gedankenkreisen und Grübeln. Dabei sehen sie vieles negativ, haben Ängste, Schuld-oder Minderwertigkeitsgefühle.

Im Fühlen: Viele Betroffene empfinden keine Freude mehr. Im Willen: Eine Depression wird auch als Erkrankung des Willens bezeichnet: Man kann nicht wollen, d.h. Im Körper: Häufig treten Schlafstörungen auf, man findet keinen Schlaf oder schläft zu viel. Auch der Appetit kann gestört sein und es kommt zu Gewichtsschwankungen. Depressive Verstimmungen sind mit den heutigen therapeutischen Methoden gut behandelbar.

Wie kann man den Betroffenen helfen?

Für Partner, Familienangehörige und Freunde eines depressiven Menschen ist es häufig schwer, mitzuerleben, wie schlecht es dieser Person geht. Sie fragen sich, wie sie bei Depressionen am besten helfen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen mit Depressionen den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern:

  • Unterstützung beim Arztbesuch: Ist jemand über einen längeren Zeitraum hinweg niedergeschlagen, freudlos und antriebslos, ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen.
  • Geduld haben: Angehörige unterstützen den Patienten durch Geduld und Verständnis. Machen Sie sich bewusst, dass das Verhalten des Betroffenen nicht gegen Sie gerichtet ist, sondern Teil einer depressiven Phase ist.
  • Hoffnung statt Druck machen: Setzen Sie einen depressiven Menschen nicht mit Bemerkungen wie "Nun reiss dich doch ein bisschen zusammen" unter Druck - denn "Zusammenreissen" ist bei einer Depression nicht möglich.
  • Gut gemeinte Ratschläge vermeiden: Seien Sie vorsichtig mit gut gemeinten Ratschlägen. Gerade Menschen mit schweren Depressionen erleben in einer nicht vertrauten Umgebung ihre Freudlosigkeit manchmal noch weitaus schmerzhafter.
  • Suizidgedanken ernstnehmen: Wenn Menschen mit einer Depression davon sprechen, sich das Leben zu nehmen, ist das ein ernstzunehmendes Warnsignal!

Depressionen in der Pubertät

Die Pubertät ist eine Zeit der Veränderung. Psychische Erkrankungen wie Depressionen treten gehäuft auf. «Eine behandlungsbedürftige Depression hat am Ende nur ein Bruchteil von ihnen», beruhigt Experte Di Gallo. Rund drei Prozent der Kinder und fünf Prozent der Jugendlichen, also etwa eine Person pro Klasse, leiden daran. Das Fatale: Häufig bleiben die Symptome unerkannt - insbesondere, wenn sie mit dem Eintritt in die Pubertät zusammentreffen.

Gleichzeitig sei diese Lebensphase eine Zeit, in der sich gehäuft psychische Störungen entwickelten. «Negative Gedanken über die eigene Person», so Di Gallo, «können ein Baustein für die Entstehung von Depressionen sein.» Eine Untersuchung der Universität Zürich hat gezeigt, dass Pubertierende besonders rasch auf negatives Feedback reagieren. Während der Pubertät fallen solche negativen Empfindungen auf besonders fruchtbaren Boden.

Jetzt gleicht das Gehirn einer Grossbaustelle: Unwichtige Nervenverbindungen werden gekappt, wichtige ausgebaut. Nicht alle Hirnanteile entwickeln sich dabei gleich schnell. Das limbische System und die Amygdala - beides Hirnstrukturen, die Belohnung und Emotionen verschlüsseln - gedeihen schneller als das Stirnhirn. Dieses Ungleichgewicht macht Heranwachsende anfällig für riskantes Verhalten.

Psychiater und Psychologen haben die Kriterien für eine Depression klar umrissen. «Wenn Heranwachsende sich mindestens zwei Wochen am Stück von Freunden, Schule, Familie zurückziehen, ihre Freizeitaktivitäten vernachlässigen und ungewohnt bedrückt sind, muss man von einer depressiven Phase ausgehen», so Experte Di Gallo. Dennoch ist die Diagnose nicht immer einfach: «Es gibt keine eindeutigen Laborwerte oder Anzeichen des Gehirns im Kernspin», erklärt Klinikdirektor Di Gallo. Eine Depression wird in erster Linie anhand der Symptome diagnostiziert.

Untersuchungen zeigen, dass Kinder, die in schwierigen sozialen Bedingungen aufwachsen, gefährdeter sind für psychische Krankheiten. Auch eine genetische Veranlagung spielt eine Rolle. Ist ein Elternteil depressiv, erhöht sich das Risiko des Kindes, zu erkranken, auf 20 Prozent, sind beide Eltern betroffen, auf 50 Prozent. «Die genetische Veranlagung ist aber nicht allein für die Entwicklung von Depressionen verantwortlich», stellt Di Gallo klar. Zu den inneren Faktoren müssen äussere kommen. Einer der häufigsten Gründe ist die Trennung der Eltern.

Heute stünden De­pressionen mehr im Blickpunkt, seien gesellschaftsfähiger geworden und würden deshalb häufiger diagnostiziert, meint der Kinder­psychiater. So seien die meisten Kinder und Jugendlichen zwar leistungswillig. Eine Mitschuld tragen auch die neuen Medien. Beispiel Cybermobbing: Früher wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Heute verbreiten sich Beleidigun­gen und Gerüchte anonym und rasend schnell im Netz.

Das ständige Herumtippen am Smartphone oder Bildschirm verändert ihren Tag- und Nachtrhythmus. «Die exzessive nächtliche Nutzung elektronischer Medien ist ein Risikofaktor für Schlafstörungen und Depressionen», erklärt Susanne Walitza, Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Zürich. Diese Risikofaktoren lassen sich jedoch positiv beeinflussen, meint die Expertin. «Elterliche Zuwendung, klare Grenzen und ein strukturierter Tagesablauf in Kindheit und Jugend beugen vor.»

Die Therapie jugendlicher Depressionen unterscheide sich kaum von der depressiver Erwachsener, erklärt Walitza, da sich auch die Symptome sehr ähnelten. «Im ersten Schritt klären wir die Jugendlichen über die Erkrankung auf.» Bei leichten Störungen helfe eine Gesprächs- und Verhaltenstherapie, in schwereren Fällen unterstützt durch Medikamente. «Typisch für Depressive ist, dass sie oft alles schwarz sehen und negativ bewerten», erklärt die Kinder- und Jugendpsychiaterin. «In der Therapie bringen wir Ereignisse und Empfindungen in einen realistischen Kontext.» Auch ein stationärer Aufenthalt kann hilfreich sein. Einfach mal rauskommen aus dem deprimierenden Umfeld, weg von den traurigen Gedanken und den Grübeleien.

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