Borderline bei Kindern: Symptome und Behandlung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist ein komplexes psychisches Krankheitsbild, das oft missverstanden wird. Menschen, die davon betroffen sind, kämpfen mit intensiven emotionalen Schwankungen, einem instabilen Selbstbild und Herausforderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung gehört zu den häufigsten Persönlichkeitsstörungen: Rund zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der Schweiz leiden darunter.

Auch wenn das Krankheitsbild vielseitig aussieht, gibt es gewisse Hinweise, die auf eine Borderline-Störung hindeuten. Bei Borderline-Symptomen lassen sich grundsätzlich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede erkennen. Das Krankheitsbild der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist vielfältig und zeigt sich in individuellen Symptomen.

Was ist eine Borderline-Erkrankung?

Bei der «Borderline-Krankheit» handelt es sich um eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung. Menschen mit einer Borderlinestörung leiden an ihrer ausgeprägten seelischen Instabilität.

Wenn in der frühen Kindheit ungünstige Einflüsse wie Vernachlässigung, Missbrauch oder fehlende emotionale Unterstützung auf einen Menschen einwirken, kann dadurch die Persönlichkeitsentwicklung gestört werden.

Die Fähigkeit Vertrauen aufzubauen sowie eigene Gefühle zu erkennen und zu kontrollieren, bildet sich nur ungenügend aus. Betroffene spüren sich selbst und ihren Körper schlecht.

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Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) entsteht durch traumatische Einflüsse im frühen Kindesalter. Betroffenen fällt es oft schwer, stabile Beziehungen aufzubauen und ihr Leben ohne ständige Brüche zu führen. Impulskontrollstörungen können zu Drogen- oder Spielsucht, Risikoverhalten oder Selbstverletzungen führen.

Weil Betroffene andere Menschen nicht gut einschätzen und wahrnehmen können, kommt es immer wieder zu Beziehungsabbrüchen. Das gilt auch für Therapien.

Ursachen

Was die Störung verursacht, ist unklar. Man geht davon aus, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen, ebenso aber das soziale Umfeld.

Es gibt Hinweise darauf, dass Veranlagungen in der Familie eine Rolle spielen könnten. Menschen, deren Familienmitglieder BPS oder andere psychische Störungen haben, könnten ein höheres Risiko für die Entwicklung von BPS haben.

  • Abnormale Aktivität oder Veränderungen in bestimmten Gehirnregionen, die Emotionen, Impulskontrolle und die Verarbeitung von Informationen steuern, könnten bei BPS eine Rolle spielen.
  • Ungleichgewichte von Neurotransmittern im Gehirn, wie Serotonin und Noradrenalin, werden mit BPS in Verbindung gebracht. Diese Chemikalien beeinflussen die Stimmung, Emotionen und Impulskontrolle.
  • Traumatische Erfahrungen in der Kindheit, wie Missbrauch, Vernachlässigung oder andere Formen von Trauma, könnten das Risiko für die Entwicklung von BPS erhöhen.
  • Stress, instabile familiäre Beziehungen oder problematische soziale Umstände könnten das Risiko für BPS beeinflussen.
  • Menschen mit BPS können Schwierigkeiten haben, Emotionen zu regulieren und mit intensiven Gefühlen umzugehen. Dies könnte teilweise auf neurobiologische Faktoren zurückzuführen sein.

Symptome

Das Symptomspektrum ist sehr breit und umfasst fast alle möglichen psychiatrischen Symptome. Erst das Gesamtbild, die Intensität und das Muster der verschiedenen Symptome ermöglichen eine Diagnose. Sehr oft ist für eine sichere Diagnose ein längerer zeitlicher Überblick nötig.

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Grund dafür ist, dass nicht die momentane, sondern die längerfristige Funktionsweise eines Menschen auf eine Borderline-Erkrankung hinweist.

Menschen mit dieser Störung können sich oft von einem Extrem zum anderen bewegen und haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu kontrollieren. Sie können sich manchmal sehr glücklich und euphorisch fühlen, dann aber plötzlich traurig, wütend oder ängstlich werden.

Ein früher Einsatz spezifischer Behandlungsmethoden kann die Prognose deutlich verbessern, mit dem Ziel, eine dauerhafte Störung soweit wie möglich zu verhindern.

Typische Symptome der Borderline-Erkrankung:

  • andauernde Instabilität in Bezug auf Gefühle
  • rasch wechselnde, intensive Gefühlszustände wie Angst, Leeregefühl oder Wut
  • häufig dramatisch verlaufende Beziehungen mit hoher emotionaler Intensität
  • Beziehungsabbrüche
  • wiederholte traumatische Erfahrungen
  • Tendenz zu Selbstverletzungen, Risikoverhalten und Suizidversuchen
  • Suchtmittelkonsum, anderes Suchtverhalten und Essstörungen

Weitere Symptome:

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  • Instabile zwischenmenschliche Beziehungen: Menschen mit BPS können Schwierigkeiten haben, stabile und dauerhafte Beziehungen aufrechtzuerhalten. Sie können extrem idealisierende oder abwertende Ansichten über andere haben und starke Stimmungsschwankungen in Bezug auf Menschen in ihrem Leben erleben.
  • Impulsives Verhalten: Impulsives Handeln ohne Rücksicht auf Konsequenzen ist typisch für BPS. Dies kann sich in riskantem Verhalten wie impulsivem Geldausgeben, Drogenmissbrauch, ungeschütztem Sex, unkontrollierten Wutausbrüchen oder Essstörungen äußern.
  • Instabile Emotionen: Starke, intensive und schnell wechselnde Emotionen sind charakteristisch für BPS. Betroffene können sich leicht von Gefühlen der Euphorie zu Wut, Angst oder Traurigkeit bewegen.
  • Angst vor Verlassenwerden: Menschen mit BPS können eine starke Angst vor dem Verlassenwerden haben und extreme Maßnahmen ergreifen, um dies zu verhindern. Gleichzeitig können sie aber auch Menschen aktiv abstoßen, um ihre Angst zu bewältigen.
  • Identitätsstörung: Eine instabile Selbstwahrnehmung und Identität sind häufig. Betroffene können Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Ziele, Werte und Interessen zu definieren.
  • Selbstverletzendes Verhalten: Manche Menschen mit BPS neigen dazu, sich selbst zu verletzen, um mit emotionaler Belastung umzugehen. Dies kann sich in Form von Selbstverletzungen, wie Schnitten oder Verbrennungen, äußern.
  • Stimmungsschwankungen: Intensive und schnelle Stimmungswechsel sind häufig. Diese können von Hochgefühlen bis hin zu tiefen Depressionen reichen.
  • Leere oder Langeweile: Betroffene können ein tiefes Gefühl der inneren Leere oder Langeweile erleben, das sie dazu veranlassen kann, impulsives Verhalten zu zeigen.

Diagnostik

Die Diagnostik einer Persönlichkeitsstörung erfolgt sorgfältig und umfassend. Hierbei werden auch mögliche Begleiterkrankungen berücksichtigt. Neben dem klinischen Befund setzen wir standardisierte testpsychologische Verfahren ein.

Die Diagnose wird von einer Fachperson aufgrund sich wiederholender Symptome und Angaben des Patienten zu seiner Lebensgeschichte gestellt.

In einer aktuellen Untersuchung wird das eigene Erleben des Verhaltens erfragt. Daneben sind aber auch Informationen über die Biographie, die bisherige Lebensbewältigung und Aussagen der Angehörigen sehr wichtig. Zusätzlich können testpsychologische Untersuchungen die Diagnose erhärten.

Die Diagnose von BPS umfasst folgende Schritte:

  • Ein ausführliches Gespräch zwischen dem Psychiater/Psychologen und dem Patienten. Dabei werden Informationen über die Symptome, die Krankengeschichte, familiäre Belastungen und frühere Lebenserfahrungen gesammelt.
  • Die Diagnose von BPS basiert auf den diagnostischen Kriterien des DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen, 5. Auflage) oder anderer diagnostischer Leitlinien. Die Fachperson überprüft, ob die Symptome des Patienten mit den Kriterien übereinstimmen.
  • Es ist wichtig, andere psychische Störungen auszuschliessen, die ähnliche Symptome wie BPS haben könnten. Dazu gehören beispielsweise bipolare Störungen, Depressionen, Angststörungen oder andere Persönlichkeitsstörungen.
  • Die Fachperson beobachtet das Verhalten, die Interaktionen und die emotionalen Reaktionen des Patienten, um Hinweise auf BPS zu finden.
  • Die Symptome sollten über einen längeren Zeitraum hinweg (normalerweise mehrere Jahre) bestehen, um eine Diagnose von BPS zu rechtfertigen.

Behandlung

Die Behandlung einer Borderline-Erkrankung ist manchmal schwierig und dauert wegen der tief verankerten Persönlichkeitsstruktur meist lange an. Inzwischen gibt es zahlreiche erprobte Behandlungsansätze, die zu einer deutlichen Reduktion der Symptome und einem verbesserten zwischenmenschlichen Verhalten führen.

Nach erfolgter Diagnose besprechen wir mit den Betroffenen und ihren Familien einen an den Leitlinien orientierten, individuellen Behandlungsplan. Hierbei legen wir Wert auf eine ausführliche Beratung. Einzeltherapien sind an etablierte Verfahren angelehnt. Darüber hinaus bieten wir die Zusammenarbeit mit externen Institutionen und im Bedarfsfall kurzzeitige Psychopharmakologie an.

In den letzten Jahren sind verschiedene Psychotherapieverfahren für die Borderline-Erkrankung entwickelt worden, die im Einzel- oder im Gruppensetting angewendet werden können. So etwa die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die Schematherapie, die mentalisierungsbasierte Therapie und die übertragungsfokussierte Therapie.

Die Behandlung von BPS umfasst folgende Aspekte:

  • Eine vertrauensvolle und respektvolle Beziehung zwischen dem Behandlungsteam und der betroffenen Person bildet die Grundlage der Behandlung. Eine unterstützende und einfühlsame Atmosphäre fördert das Heilungsumfeld.
  • Verschiedene Formen der Psychotherapie können bei der Bewältigung von Emotionsregulation, zwischenmenschlichen Beziehungen und problematischen Verhaltensweisen hilfreich sein.
  • Training und Techniken zur Emotionsregulation sind zentral, um den Umgang mit intensiven Emotionen zu lernen und selbstverletzendes Verhalten zu reduzieren.
  • Die Entwicklung gesunder zwischenmenschlicher Fertigkeiten kann helfen, stabile Beziehungen aufzubauen und effektivere Kommunikation zu fördern.
  • In einigen Fällen können bestimmte Medikamente wie Stimmungsstabilisatoren oder Antidepressiva zur Linderung von Symptomen eingesetzt werden.
  • Ein unterstützendes soziales Netzwerk kann helfen, Isolation zu reduzieren und das Wohlbefinden zu steigern.
  • Die Entwicklung gesunder Bewältigungsstrategien für Stress, Angst und emotionalen Druck ist von großer Bedeutung.
  • Die Behandlung von BPS erfordert oft eine kontinuierliche Langzeitbetreuung, um langfristige Fortschritte aufrechtzuerhalten.

Persönlichkeitsstörungen können ihren Beginn bereits im Jugendalter haben. Eine valide Stellung der Diagnose ist gemäss aktueller Forschung hier bereits möglich, sollte aufgrund noch nicht abgeschlossener Reifungsprozesse zurückhaltend erfolgen.

Eine häufig im Jugendalter anzutreffende Symptomatik kann sich aus Hochrisikoverhalten (Drogenkonsum, selbstverletzendem Verhalten, wahllose Sexualkontakte), hoher Impulsivität und Wut zusammensetzen. Auch starke Schwankungen in der Stimmung werden von den Betroffenen als sehr belastend und verunsichernd erlebt.

Im Anschluss an eine leitlinienorientierte Erstdiagnostik begleiten wir jugendliche Patientinnen und Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen und ihre Familien therapeutisch. Ziele sind ein informiertes Verständnis der Symptomatik und insbesondere ein verbesserter Umgang mit den Kernsymptomen Wut, Impulsivität und Stimmungsschwankungen.

Im Sinn einer systemisch-orientierten Herangehensweise bieten wir auch den Einbezug des erweiterten Umfelds an (Lehrmeister, Betreuer). In bestimmten Fällen arbeiten wir mit spezialisierten Fachzentren in unserem Haus (Erwachsenenpsychiatrie) sowie in den Nachbarkantonen zusammen.

Rechtzeitig vor dem Austritt wird mit der Planung der Zeit nach dem Klinikaufenthalt begonnen: Dazu gehören Regelung der Arbeits- und Wohnsituation, ggf. Gespräche mit den Angehörigen und Orientierung über die Medikation. Wichtig ist eine geregelte ambulante ärztliche und therapeutische Nachbetreuung, um an den Veränderungen und Fertigkeiten weiterzuarbeiten.

Unterstützung für Angehörige

Auch für das Umfeld ist die Situation belastend. Einerseits kommen oft Schuldgefühle auf. Andererseits ist das Verhalten von Kindern und Jugendlichen mit einer Borderline-Störung für Eltern und Bezugspersonen oft schwer nachvollziehbar. Angehörige müssen ausgeprägte Stimmungsschwankungen aushalten.

Darüber hinaus können sie eine wichtige Stütze sein, indem sie Gefühle benennen, den Spiegel vorhalten und helfen, Emotionen zu regulieren. Angehörige dürfen sich aber auch eingestehen, wenn sie mit der Krankheit überfordert sind und selbst Unterstützung benötigen.

Wie für Betroffene selbst ist es wichtig, einige Dinge über die Besonderheiten der Krankheit zu kennen und «Bescheid zu wissen». Dies hilft, Fehlverhalten vorzubeugen und empathischer auf die Betroffenen eingehen zu können.

Angehörige können dies nutzen und bei den Betroffenen erfragen, was helfen könnte, welche Unterstützung sie anbieten sollen und welche nicht. Dadurch kann die Hilflosigkeit gemindert werden, die gelegentlich entstehen kann im Umgang mit Borderline-Patientinnen und -Patienten in einer Krise.

Falls möglich, sind anhaltende, verlässliche Beziehungen wichtig, die nicht nach einem Konflikt gleich aufgegeben werden. Dies erfordert von Angehörigen oftmals viel persönliche Resilienz.

Dabei hilft es möglicherweise auch, sich als Freundin oder Freund selbst psychotherapeutisch beraten zu lassen.

Zusammenfassung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine oftmals belastende, aber behandelbare Erkrankung. Es ist wichtig, dass Menschen mit Borderline die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, und dass das Thema weiterhin entstigmatisiert wird.

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