Humor als Therapie bei psychischen Erkrankungen

Dass Lachen gesund ist, sagt schon der Volksmund. Aber auch die Lachforschung beschäftigt sich mit diesem Thema und findet immer wieder Hinweise darauf, dass Humor die körperliche und psychische Gesundheit verbessert. Vor allem in schwierigen Situationen, wie der aktuellen Corona-Krise, trägt er dazu bei, Ängste zu reduzieren und eine optimistische Grundstimmung zu fördern.

Der Züricher Psychologe und Psychotherapeut Doktor Peter Hain erklärt zunächst einmal, was unter Humor zu verstehen ist: "Humor leitet sich ab vom griechisch-lateinischen Begriff humores und beschreibt den gesunden Zustand eines Menschen, bei dem sich die Körpersäfte im Gleichgewicht befinden und gute Laune vorliegt."

Die körperlichen Auswirkungen des Lachens

Lachen ist also nur eine Möglichkeit, Humor Ausdruck zu verleihen. Beim Lachen werden sehr viele Muskeln im Körper beansprucht, die anschliessend wieder entspannt werden - das hat die gleichen Effekte wie ein bewusstes Entspannungstraining. "Da beim intensiven Lachen mehr Sauerstoff in den Körper strömt, kann sich dies positiv auf den Fettstoffwechsel, das Immunsystem, den Hormonhaushalt und auf die Senkung des Blutdrucks auswirken", so Hain.

Der US-Mediziner Lee Berk konnte in einer Studie nachweisen, dass der Kortisolspiegel seiner Probanden sank, nachdem sie einen lustigen Comicfilm angesehen hatten. Befindet sich dauerhaft zu viel des Stresshormons Kortisol im Blut, fördert dies körperliche Beschwerden.

Willibald Ruch, Lachforscher an der Universität Zürich, fand heraus, dass Lachen akute Schmerzen lindern kann. In einem Test sollten Probanden vor, unmittelbar nach und zwanzig Minuten nach einer Folge Mister Bean ihre Hand in Eiswasser halten. Nach dem Film dauerte es deutlich länger, bis die Teilnehmer die schmerzende Kälte empfanden. Der amerikanische Wissenschaftsjournalist Norman Cousins konnte durch regelmässige lustige Videos nachweislich eine deutliche Schmerzlinderung seiner chronisch-entzündlichen Erkrankung Morbus Bechterew erlangen.

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Humor als Bewältigungsstrategie in Krisenzeiten

Aber mit Humor sind nicht nur Witze und herzhaftes Lachen gemeint, sondern auch eine humorvolle optimistische Grundhaltung. "Eine wohlwollende, distanzierte, aber liebevolle Haltung sich selbst und seinen Problemen gegenüber sorgt für mehr Leichtigkeit, reduziert Angst und fördert die psychische Gesundheit", bemerkt Hain.

Gerade in Krisenzeiten ist Humor ein wichtiges Hilfsmittel, um den Mut nicht zu verlieren, um eine gewisse Distanz und nicht zuletzt eine positiv stimmende Ablenkung zu schaffen. Dies bestätigt auch Professor Lukas Radbruch von der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Bonn: "Humor bietet eine Form der Bewältigung. Es ist ein Ausdruck dafür, sich nicht unterkriegen zu lassen. Auf unserer Station darf auch gelacht werden. Es ist wichtig, diesen Raum auch für Angehörige und Mitarbeiter zu öffnen, denn Humor kann extrem viel Kraft geben."

Zusammen mit der Stiftung "Humor hilft heilen" wird seit 2017 in einem Forschungsprojekt an der Uniklinik untersucht, wie sich Humor auf Wohlbefinden, Symptomlast und Stimmung der schwerkranken Patienten auswirkt. Im Zuge dessen verbreiten zwei Humor-Therapeuten durch Klamauk und Improvisation eine heitere Grundstimmung auf der Station. "Wichtig ist aber auch, dass man es respektiert, wenn Patienten gerade nicht zum Lachen zumute ist, schliesslich haben sie gute Gründe dafür. Dazu ist von Seiten der Ärzte und Schwestern Feingefühl erforderlich", so Radbruch.

Individuelle Unterschiede im Humor

Psychotherapeut Hain weist jedoch darauf hin, dass jeder seinen eigenen Sinn für Humor entdecken und gezielt fördern sollte: "Man muss herausfinden, was tut mir gut, was passt zu mir. Sich selbst zum Schmunzeln zu bringen und liebevoll zu behandeln ist wichtiger, als dauernd herzhaft zu lachen."

Wer also momentan ohnehin zu Hause ist, kann die Zeit nutzen, um sich etwas Gutes zu tun, sei es durch Cartoons, Filmkomödien, Witze, Stand-up-Comedy oder heitere Literatur. Auch Lachen in der virtuellen Gruppe ist hilfreich: Über Video-Anrufe kann gemeinsam gekichert werden oder man nimmt an Online-Live-Sessions für Lach-Yoga oder Lach-Meditationen teil.

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Dagegen sind verletzende Witze auf Kosten anderer oder Zynismus eher kränkend und weniger gesundheitsfördernd. Genauso sollte man es respektieren, wenn jemandem aus gegebenem Anlass gerade nicht zum Lachen zumute ist. Professor Radbruch hält die wichtigste Grundvoraussetzung fest, nämlich dass man sich Humor nicht verbietet, egal in welcher Situation man gerade steckt.

So fasst Satiriker George Bernhard Shaw das Thema Humor sehr gut zusammen: "Das Leben hört nicht auf, lustig zu sein, wenn Menschen sterben; genauso wenig wie es aufhört, ernst zu sein, wenn Menschen lachen."

Also: Ja, bitte, auch jetzt darf gelacht werden! Das macht die Situation nicht nur erträglicher, sondern man unterstützt damit zusätzlich die eigene Psyche sowie das körpereigene Immunsystem.

Humor in Gesprächen über psychische Erkrankungen

Wörterbücher definieren den Humor übereinstimmend als die kognitive Fähigkeit, Nicht-Übereinstimmendes wahrzunehmen und heiter darauf zu reagieren. Ein weiteres Anwendungsfeld des Humors ist der soziale Raum. Er vermag als Kommunikationsmittel peinliche oder konfliktträchtige Situationen zu entschärfen, das Gruppengefühl zu stärken und hierarchische Gräben zu überwinden.

Besonders im Alter vermag Humor günstig zu wirken. Einzelstudien zeigen eine verbesserte soziale Integration, Problemlösungsfähigkeit und Lebenseinstellung bzw.

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Humor verbindet im Gehirn Erkenntnis, Emotion und Belohnung. Der präfrontale Cortex erkennt die Komik eines Witzes oder einer Situation. Das limbische System sorgt für die emotionale Bewertung.

Humor führt zu einem kurzfristigen Anstieg der Herzfrequenz und des Blutdruckes.

Comedy kann etwas, was andere Formen der Kommunikation nicht können; viele Menschen gleichzeitig aufklären, sie das Hier und Jetzt geniessen lassen und sie zum Lachen bringen. Dabei therapieren sich die Comedians häufig noch selbst, verarbeiten ihre eigenen Themen und zeigen, dass auch an den beschissensten Situationen etwas Lustiges zu finden ist.

So wird der Negativität, Traurigkeit, Erschöpfung und Angst die Kraft genommen, zumindest für eine Weile. Auch mein Lieblingscomedian und Multitalent Teddy Teclebrhan ist der Meinung, dass Humor heilen kann.

Im Interview mit André Bosse sagt er: «Man kann Probleme nicht weglachen, aber man kann sie mithilfe des Lachens verarbeiten. Humor bietet die Chance eines Perspektivwechsels: Schauen wir uns den Mist doch mal aus einem anderen Blickwinkel an, mit einer gewissen Leichtigkeit. Nach dem Motto, schweres Thema, leichter Zugang. […] Für mich hat das Lachen etwas mit Heilung zu tun. Es hilft dabei, bestimmte Phasen im Leben zu bestehen, Themen zu bewältigen: Man geht tief rein, empfindet Schmerz - und das Lachen hilft, das zu verarbeiten und da wieder rauszukommen. Um das Klischee umzudrehen: Es kann sogar krank machen, nicht zu lachen. Nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Klar, das hängt eh zusammen.

Humor als persönliche Bewältigungsstrategie

Die Autorin Silvia Aeschbach hatte mehr als 300 Panikattacken. Eine Panikattacke ist für den Betroffenen die Hölle. Über 300 Mal hatte Silvia Aeschbach bereits solche Attacken: 300 Mal Todesangst, 300 Mal Panik, 300 Mal Zittern.

Erst eine Psychotherapie, die Aeschbach Anfang der 90er-Jahre machte, brachte die erhoffte Wende. Und auch Antidepressiva halfen ihr.

Mittlerweile hat Silvia Aeschbach noch etwa zwei Panikattacken pro Jahr. Ihre Angststörung hat sie auch in ihrem Buch «Leonardo DiCaprio trifft keine Schuld» verarbeitet.

Auf dem Therapieplan stand: Reden, reden und nochmals reden, mit seiner Frau, seinem Hausarzt, mit Freunden und Betroffenen. Nach anderthalb Jahren Pause ging Rindlisbacher zurück auf die Bühne. Die Depression ist bis heute eine einmalige Episode geblieben. Heute ist er überzeugt, dass er einer neuen Depression aus dem Weg gehen könnte. Er ist auf der Hut. Er beobachtet sich und seinen seinen Körper genau, sagt er.

Man kommt nicht umhin dabei an den viel zitierten traurigen Clown zu denken. Haben Sie selber oder Ihr Umfeld psychische Probleme? Zögern Sie nicht, Hilfe anzunehmen.

Die Rolle des Humors in der Psychiatrie

In der Schweizer Psychiatrie muss sie sich erst noch etablieren wie Jahre zuvor die Spitalclowns in der Kinderabteilung der Krankenhäuser oder in Altersheimen. Eine Ausnahme macht die auf Depressions-, Burn-out- und Suchterkrankungen spezialisierte Privatklinik in Meiringen.

Antje Kollath, Psychologin in der Meiringer Klinik, arbeitet in ihren Therapien bewusst mit dem spontan entstehenden Humor während eines Gesprächs zwischen Klient und Psychologe. «Gerade Angstzustände können über den Humor besser abgebaut werden. Eine gefühl- und humorvolle Bemerkung kann wie ein Spiegel wirken, wobei das Bild leicht und nicht belastend auf den Klienten zurückgeworfen wird und ihm sein Angstempfinden sicht- und begreifbar macht», erklärt sie.

Die Psychologin setzt den Humor aber nur bei bestimmten psychischen Krankheitsbildern ein: «Humor ist vor allem bei Patienten mit Burn-out, Depressionen oder Angstzuständen gut einsetzbar. Schwieriger ist dies bei denjenigen mit Schizophrenie.» Sie ist aber überzeugt, dass Humor und eine gewisse Situationskomik nie fehl am Platz sind. «Humor ist, neben den medizinischen Grundlagen der Psychiatrie und Psychologie, sicherlich ein gutes Alternativmedikament», sagt Kollath.

Beobachtungen erfahrener Ärzte zeigen aber, dass Humor den Heilungsprozess begünstigen kann. Klinikleiter Soyka sieht sogar die Möglichkeit, Humor bei Schizophrenen einzusetzen. Er führt aus, dass psychotisch Erkrankte, zu denen die Schizophrenen gehören, an wahnhaften Gedanken, Sinnestäuschungen und Ängsten leiden und «konkretistisch» denken.

Dennoch stimme für ihn die Behauptung, dass Schizophrene keinen Humor hätten, nicht ganz: «Psychotische Patienten, die sich ihren Humor als Eigenschaft bewahrten, haben eine deutlich bessere Chance, wieder gesund zu werden. Davon bin ich überzeugt!»

Weil es auf die Grundhaltung des Patienten ankomme, sei eine locker-humorvolle Atmosphäre zwischen Arzt und Patient nicht immer möglich, sagt der Meiringer Oberarzt Sebastian Dittert. Seine Patientin Muriel Müller* jedenfalls ist offen und lacht bereits beim Treffen mit ihrem Vertrauensarzt. Der Depressionspatientin und vierfachen Mutter geht es nach einem neunwöchigen stationären Klinikaufenthalt in Meiringen wieder gut. «Dies ist, neben den medizinischen Behandlungsmethoden, ganz sicher auch auf die humorvolle Haltung meines Arztes zurückzuführen», sagt sie.

«In schwierigen Situationen kann der zurückhaltende Humor eine Brücke von Arzt zu Patient bilden und helfen, die Kluft zu überwinden», findet Dittert. Humor habe generell eine positive Wirkung auf das Wohlbefinden und schaffe Vertrauen. «Das Lachen und Scherzen mit dem Pflegepersonal hat befreiend gewirkt und die Zusammenarbeit gefördert», bestätigt Patientin Müller. Auch Kritik lasse sich mit Humor besser aufnehmen. «Durch eine ungezwungene, scherzhafte Bemerkung fühle ich mich nicht persönlich angegriffen.»

Zynismus als Bewältigungsmechanismus

«Wenn ich den Humor nicht hätte, wäre ich nicht mehr da», sagt der 51-jährige Zürcher Marco Brunori, Verfasser des Büchleins «Lieber von Picasso gemalt als von der Depression gezeichnet.» Brunori war jahrelang Anästhesiepfleger, bevor ihn die Depression aus dem Berufsalltag katapultierte. Seit seiner Jugendzeit lebt er mit teils schweren Depressionen und hat mehrere Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken hinter sich. Er zeichnet seit Jahren Cartoons, darunter auch viele, die sich mit dem Thema Depression auseinandersetzen.

Darf man sich denn über die Depression lustig machen oder gar zynisch sein? «Man darf nicht nur, man muss sogar!», ist Brunori überzeugt. «Ich werde immer zurücklächeln, wenn mich die schwarze Begleiterin anlacht.»

Für ihn seien ehrliche Lebensbetrachtungen wichtiger als wohl gemeinte, aber unsinnige Ratschläge Gesunder. Er stehe deshalb auf zynische, aber ehrliche Sprüche, sagt Brunori und zitiert einen: «Kaum ist man über den Berg - schon gehts bergab.»

Man müsse selbst etwas dazu beitragen, um dem «Geisterleben» während einer Depression zu entwischen, findet Brunori. Ratschläge, man solle sich doch zusammenreissen, nützten genauso wenig, wie sich unter einer Decke zu verkriechen. «Genau dazwischen liegt der Humor. Er ist eine Möglichkeit, mit sich selbst und anderen wieder in Kontakt zu treten.»

Humor als Stressmanagement-Technik

Arbeitsbedingter Stress entsteht durch psychische Überbelastung der Beschäftigten - dies bedeutet, dass die Anforderungen an die durch Stress belasteten Personen höher sind als deren Bewältigungsmöglichkeiten. Dies kann langfristig ernsthafte gesundheitliche Folgen für die Arbeitnehmer mit sich bringen - und in der Konsequenz nicht zu vernachlässigende wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber. Bewiesen ist, dass Humor als Stressabbau wirkt.

Stress ist somit eine der grössten Gefahren für unsere Gesundheit und auch für unsere unternehmerische Produktivität. Nicht nur offensichtliche Symptome wie Verspannungen, die sich mit einem Wärmekissen und einer Massage relativ einfach behandeln lassen, werden durch Stress verursacht. Nein - Stress kann ernsthafte und langfristige Schäden anrichten, sei es in psychologischer (Burnout) oder körperlicher Hinsicht (Herzinfarkt).

Medizin und Psychologie beschäftigen sich zu sehr mit der Frage, was uns krank macht und wie wir wieder gesund werden. Interessanterweise hat es hierzu spannende Forschungen gegeben, die herausgefunden haben, dass Humor ein wahres Dopingmittel ist, das uns gesund hält und in der Tat lebensverlängernd wirken kann!

Humor ist eine der wichtigsten Techniken im modernen Stressmanagement. Dabei geht es nicht darum, witzig zu sein, sondern um den spielerischen und positiven Umgang mit beruflichen Herausforderungen. Wer lernt, Humor strategisch und lösungsorientiert zu nutzen, kann in Stresssituationen gelassen und souverän agieren. Ausserdem werden Teamgeist, gegenseitige Akzeptanz und Rücksicht gestärkt.

Wer also lernt, auch schwierigen Situationen eine humoristische Seite abzugewinnen, fördert die körperliche Regeneration.

Lachen schafft eine Distanz zwischen Ihnen und dem Problem. Und glauben Sie mir: Jeder hat Sinn für Humor. Hängen Sie sich Cartoons neben Ihren Schreibtisch - die Ironie und der Sarkasmus wird Sie auch in verzwickten Situationen zum Schmunzeln bringen, auch wenn Ihnen das Lachen droht zu vergehen. Oder hängen Sie eine Pinnwand in Ihrem Büro auf, auf der Sie die besten Gags und Sprüche aus Ihrem Team festhalten.

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