Seit Einführung der integrativen Schule melden sich vermehrt Lehrpersonen, welche eindrücklich von enorm belastenden Situationen im Unterricht schildern. Besonders auffällig scheint, dass seit ein paar Jahren zunehmend Fälle auch von jüngeren Schülerinnen und Schülern mit heftigen, unkontrollierbaren Verhaltensauffälligkeiten in der Schule auftreten.
Das Spektrum der geschilderten problematischen Verhaltensweisen reicht dabei von unkontrolliertem Herumschreien und länger andauernden Arbeitsverweigerungen über das Herumwerfen von Gegenständen und heftige, verbale Ausfälligkeiten sowie Bedrohungen bis hin zu körperlichen Tätlichkeiten und verletzenden Beissattacken. Durch solch regelmässiges «Austicken» der betreffenden Kinder und Jugendlichen wird die Durchführung des üblichen Regelunterrichts oftmals nicht nur erschwert, sondern geradezu sabotiert.
Ursachen für auffälliges Verhalten
Es gibt immer einen Grund für das auffällige Verhalten des Kindes. Diesen gilt es herauszufinden, um am Verhalten zu arbeiten. Die Gründe für das auffällige Verhalten sind dabei so verschieden, wie die Betroffenen selbst. Es kann sein, es kann unter- oder überfordert sein oder traumatische Fluchterfahrungen gemacht haben.
Nicht immer muss das Problem mit der Schule, sondern mit dem Daheim zusammenhängen. Es kann auch sein, dass deren Sozial- und Selbstkompetenz wegen der unterrichtsfreien Zeit während Covid-19, gelitten haben. Verhaltensauffälligkeiten sind Teil des Schulalltags, wie es das Sprichwort sagt: «Alle haben ihr Päckchen zu tragen». Kinder und Jugendliche sind mit einer Situation überfordert, nicht wissen, wie sie damit umzugehen und sie zeigen es in auffälligem Verhalten.
Strategien und Massnahmen im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten
Hier sind einige wichtige Schritte und Massnahmen, die Lehrpersonen ergreifen können:
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- Gespräche mit den Erziehungsberechtigten: Die «Eltern» sind von Anfang an zu orientieren, wenn ihr Kind im Unterricht verhaltensmässig stark auffällt. Auch über weitere Schritte und Abklärungen sind sie zu informieren.
- Information der Schulleitung: Die Schulleitung ist unbedingt auch von Anfang an über verhaltensmässige Schwierigkeiten mit einzelnen Schülerinnen und Schülern in Kenntnis zu setzen.
- Beizug der SSA: Die Schulsozialarbeit kann von der Lehrperson um Unterstützung angefragt werden und wird danach ein Erstgespräch mit den betreffenden Schülerinnen und Schülern durchführen.
- Beizug des SPD und / oder der FFI: Die Fachpersonen des Schulpsychologischen Dienstes und der Fachstelle Förderung und Integration stehen für Unterrichtsbesuche und beratende Gespräche unterstützend bereit. Während der SPD vertiefende Abklärungen mit den Schülerinnen und Schülern anbietet, steht die FFI u.a. für individuelle Beratungen der Lehrperson bezüglich der Unterrichtsgestaltung usw. zur Verfügung.
- Beizug der KIS (Kriseninterventionsstelle): Ein betroffenes Schulkind kann dort ein Timeout von ca. drei Monaten belegen (KIS extern) oder ein Schulkind, eine Gruppe oder die Klasse erhält Unterstützung durch eine:n Heilpädago:in von KIS vor Ort. Die Form der Unterstützung wird anlässlich eines Klärungsgespräches gemeinsam vereinbart.
- Einreichung einer Meldung für mögliche Kindswohlgefährdung beim KJD (KESB-Vorstufe): Die gegenüber der FSS oftmals geschilderten verbalen Bedrohungen und ausgeführten Tätlichkeiten durch die betreffenden Schülerinnen und Schüler rechtfertigen nach Einschätzung der FSS eine solche Meldung in den meisten Fällen. Nach der Einreichung einer solchen behördlichen Meldung wird die Familiensituation sozialpädagogisch abgeklärt und die Familie erhält erzieherische Unterstützung durch eine Fachperson. Die KESB kann bei Bedarf auch «unterstützende Erziehungsmassnahmen» anordnen. Erfahrungen der FSS und der KESB zeigen, dass in den letzten Jahren solche Gefährdungsmeldungen von der Schule leider oft viel zu spät oder gar nicht vollzogen wurden. Ziel einer solchen Meldung ist es nie, die involvierten Eltern oder die Familie zu bestrafen, sondern das spezifische Kind auf seinem Weg zu einer allseits gut verträglichen Sozialisation endlich wieder vorwärts zu bringen.
- Temporärer Schulausschluss: Laut den aktuell gültigen gesetzlichen Regelungen kann die Schulleitung Schülerinnen und Schüler in begründeten Fällen während maximal fünf Tagen von der Schule wegweisen (Verordnung 410.130, §30, Absatz 1, g). Die Klassenlehrperson selbst ist hingegen nicht ermächtigt, einen solchen Ausschluss alleine vorzunehmen.
- Timeout-Angebote vor Ort: Die FSS fordert seit vielen Jahren, dass an allen Schulstandorten eine solche „temporäre Lerninsel“ für Schülerinnen und Schüler mit massiven Verhaltensauffälligkeiten während der gesamten Unterrichtszeit zur Verfügung stehen muss.
- Antrag Verstärkte Massnahmen (VM): Schülerinnen und Schüler mit massiven Verhaltensauffälligkeiten können zweimal pro Jahr am sogenannten „Runden Tisch“ für das standardisierte Abklärungsverfahren (SAV) angemeldet werden. Der Antrag lautet auf die Bewilligung von «Verstärkten Massnahmen» (VM), was entweder eine qualifizierte Assistenzperson beim Verbleib in der Regelklasse oder einen Übertritt in die schulischen Spezial-Angebote zur Folge hätte.
- Meldepflicht und Strafanzeige: Hier gilt es zwischen Bedrohungen und Tätlichkeiten zu unterscheiden. Verbale Bedrohungen und angedrohte Tätlichkeiten sind meldepflichtig - gegenüber den Erziehungsberechtigten, der vorgesetzten Schulleitung (auch zuhanden der Stufenleitung Volksschulen) sowie den für die staatliche Fürsorgepflicht verantwortlichen Behörden (s. 7.: KJD resp. KESB). Bei tatsächlich verübten Tätlichkeiten (wie z.B. bei Bissen, aber auch bei anderen nachweisbaren Verletzungen z.B. infolge Tretens) kommt zu diesen drei Meldepflichten noch die Einreichung einer Anzeige bei der Kantonspolizei hinzu.
Die FSS empfiehlt ihren Mitgliedern unbedingt, darauf nicht z.B. aufgrund von «pädagogischen Überlegungen» zu verzichten. Denn es geht dabei gar nicht hauptsächlich um die Bestrafung der Täterinnen und Täter, sondern um die Klärung von möglichen Folgekosten. Im Falle einer Anzeige würden stattdessen die Erziehungsberechtigten des tätlich gewordenen Kindes oder Jugendlichen haftbar gemacht. Die Opferhilfe beider Basel berät beim Einreichen einer allfälligen Anzeige sehr kompetent und kostenfrei. Es besteht hinsichtlich «Opferschaft» also kein juristisch relevanter Unterschied, ob die Täterschaft nun erwachsen oder noch ein Kind resp. jugendlich war.
Kündigungsschutz bei Krankheit
Wenn eine Lehrperson aufgrund solch hoher disziplinarischer Belastungen im Unterricht bedauerlicherweise erkranken sollte, verfügt sie über dieselben personalrechtlichen Rechte und Pflichten wie bei allen anderen Krankheitsursachen. Im Falle einer ärztlichen Krankschreibung kann sie als beim Kanton unbefristet angestellte Person z.B. mindestens 365 Tage weiter Lohn beziehen, ohne dass sie deswegen eine Kündigung riskiert.
Das Luzerner Modell zum Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten
Stufe 3 des Stadtluzerner Modells zum Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten zeigt auf, was zu tun ist, wenn Störungen durch auffälliges Verhalten den Unterricht bereits nachhaltig stören.
Wie an den Luzerner Schulen mit der Thematik umgegangen wird, hängt auch von der zuständigen Gemeinde, der Schulleitung und weiteren Faktoren ab. Beispielsweise bietet ein Stufenmodell bei Verhaltensauffälligkeiten an, welches von der Schulunterstützung erarbeitet wurde. Es wird festgelegt, welcher Auffälligkeit wie kommuniziert und gehandelt werden muss. Wenn alle Stricke reissen - werden neben zuständigen Lehrpersonen, Schulleitung und Erziehungsberechtigten auch aussenstehende Stellen beigezogen.
Die Rolle der Schule St. Karli
Wendela Martens und die Schule St. Karli suchen manchmal mögliche Gründe für das Verhalten eines Kindes heraus. An der Schule St. Karli wird auch dafür gesorgt, dass die Lehrpersonen unterstützt werden. «Die betriebliche Gesundheitsförderung und das Augenmerk darauf, wie Lehrpersonen in schwierigen Zeiten gesund bleiben, ist uns sehr wichtig», sagt Wendela Martens.
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Für ein Kind der Schule St. gibt es manchmal mögliche Gründe für das Verhalten eines Kindes heraus. Im Familienklassenzimmer profitieren Kinder in schwierigen schulischen Situationen von einer engen Zusammenarbeit der Schule mit den Erziehungsberechtigten. Das Projekt lässt Schule und Familie voneinander lernen. Mehrere Gemeinden im Kanton Luzern bieten ein solches Unterstützungsangebot an.
Auch die Schule St. Karli hat laut Wendela Martens gute Erfahrungen gemacht mit dem Familienklassenzimmer. Es zeigte sich, dass die Mutter eine Vorbildfunktion einnehmen und die Mutter hatte einen guten Einfluss auf ihr Kind. Zusammenarbeit im Team ist beim Umgang mit auffälligem Verhalten sehr wichtig.
Das Schulhaus St. Karli legt den Fokus auf eine integrative Haltung. Diese zeigt sich unter anderem beim Schulmotto: UBUNTU. Die Schule St. Karli übersetzt UBUNTU in «Ich bin, weil wir sind». «Dazu wurde in diesem Schuljahr ein Ubuntu-Maskottchen gestaltet. Es wurden Ideen ausgedacht und es wurde dann von unserer Lehrperson Textiles Gestalten genäht», erklärt Wendela Martens.
Kommt dazu, dass bei der Schule St. endet. Wendela Martens erklärt, «als Sozialraum orientierte Schule leben wir nach dem Sprichwort «Es braucht ein ganzes Dorf - bei uns also ein Quartier - um ein Kind zu erziehen». sich die Schulleitung, die Schulsozialarbeit und weitere schulische Stellen mehrmals pro Jahr mit Akteuren aus dem Quartier. dazu beitragen kann, dass Auffälligkeiten angegangen werden können». eines Systems versteht und Verantwortung übernimmt, so kann sich die Schule stark machen».
Die Schule St. Karli verfügt seit 2020 über das Label «Sozialraumorientierte Schule». Schulen mit diesem Label bilden Netzwerke und arbeiten Hand in Hand mit allen Beteiligten im Sinne eines umfassenden Bildungsverständnisses.
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Nicht alles, was nicht zumutbar ist, muss das Kind die Schule verlassen.