In einer neuen Arbeitswelt, mit stetigem technologischem Wandel, können die Jungen manchmal den Alten voraus sein.
Beim Mentoring im klassischen Sinne werden junge Mitarbeitende in einem Unternehmen von einem erfahrenen älteren Mitarbeiter als Mentor begleitet. Doch warum nicht die Rollen tauschen?
Der umgekehrte Typ des klassischen Mentorings wurde erstmals 1999 von Jack Welch, dem ehemaligen CEO von General Electric, eingeführt. Er paarte die Top-Manager mit Juniors als Mentoren und stellte damit die gesamte Firma auf den Kopf. Mittlerweile ist Reverse Mentoring international ein Begriff.
Das Ziel dabei ist, einen gegenseitigen Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen den Generationen zu schaffen, von dem beide profitieren: Sowohl ältere Mitarbeitende in der Rolle der Mentees als auch jüngere Mentoren können voneinander lernen. Letztere vermitteln beispielsweise digitales Know-how und profitieren im Gegenzug vom reichen Erfahrungsschatz ihrer älteren Kolleginnen und Kollegen, wie Leadership Skills und praktisches Fachwissen.
Gleichzeitig erhalten beide einen Einblick in die Wertvorstellungen, Weltanschauungen und Trends der jeweiligen Generation des anderen.
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Welche Rolle haben die Mentorinnen und Mentoren während des Prozesses der Transformation zu den Arbeitswelten 4.0 und im Zuge der Digitalisierung? Eine grosse, so bescheinigen es die Fachleute und Zukunftsforscher/innen. Die Gewinnerinnen und Gewinner der Transformation sind diejenigen, denen es gelingt, die Menschen auf den neuen Weg mitzunehmen. So lautet eines der wichtigsten Ziele der Führungsfachleute der Zukunft. Profitieren werden in diesem Zusammenhang auch Berufsleute wie die Betrieblichen Mentorinnen und Mentoren sowie Führungspersonen, die im Tagesgeschäft auch als Coaches glänzen können.
Diese Meinung vertritt auch Anne M. Schüller, Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmenstransformation. Anne M. Schüller (2015 in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen) zählt die Elite der Wirtschaft zu ihrem Kundenkreis. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus (www.anneschueller.de) und sie sieht im Reverse Mentoring ein grosses Potenzial.
Wichtige Aspekte für erfolgreiches Reverse Mentoring
Wenn Sie Reverse Mentoring in Ihrem Unternehmen einsetzen, oder selbst an einem Reverse Mentoring Programm teilnehmen möchten, lohnt es sich, folgende Punkte zu beachten:
- Die ältere Person profitiert am meisten von ihrem jüngeren Mentor, wenn dieser über mehr Erfahrung im jeweiligen Bereich verfügt. Typisch sind deshalb Themen, die den technologischen Fortschritt betreffen, wie Internet und Social Media.
 - Neben der Zielsetzung und Themenwahl ist die Passung des Tandems wichtig. Um Diversität zu erreichen, können unterschiedliche Persönlichkeiten aus verschiedenen Regionen und Fachbereichen miteinander ins Gespräch gebracht werden. Dies erhöht aber auch das Risiko für Konflikte und kann bestehende Hierarchien verstärken.
 - Besonders das umgekehrte Rollenverhältnis stellt eine Herausforderung dar. Um eine gute Passung und ein hohes Commitment von beiden Seiten sicherzustellen, sollten Charakterstärken und individuelle Unterschiede im Vorfeld abgeklärt werden.
 
Damit das Programm intern angenommen wird, braucht es Popularität. Stellt sich als erstes ein Mitglied der Geschäftsleitung als Mentee zur Verfügung, folgen dem naturgemäss auch andere Führungskräfte. So wurden bei der österreichischen Bank Austria in der ersten Programmrunde den acht Vorständen der Bank acht Millenials zugeordnet. In der zweiten Runde kamen 30 Manager der zweiten und dritten Führungsebene mit jungen Mitarbeitenden zusammen, die zu dem Zeitpunkt nicht älter als 35 Jahre waren.
Der Mentee benötigt nicht nur ein starkes Interesse an den dargebotenen Themen sondern auch persönliche Souveränität. Psychologische Barrieren sind nicht zu unterschätzen. Sich von einem Jüngeren etwas sagen zu lassen, ist nicht immer ganz leicht. Generationenkonflikte haben viele Facetten, die zum Teil auch durch reine Biochemie erklärt werden können. Einerseits gibt es den Vater-Sohn-Komplex, der ja auch bei Unternehmensnachfolgethemen eine ursächliche Rolle spielt. Findet das Reverse Mentoring geschlechterübergreifend statt, ist zudem zu beachten: Für ein ausgeprägtes Alphagehirn sind jüngere Frauen vor allem eins: Beute oder Beta.
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Das Programm kann zeitlich unlimitiert oder als fest umrissenes Projekt laufen. Entsprechende Software-Programme können bei der Abwicklung helfen. Der organisatorische Aufwand umfasst die Konzeption als solche, die Erstellung eines Leitfadens, die Durchführung interner Marketingmassnahmen, die Auswahl und Qualifizierung geeigneter Mentoren, die Akquise und Sensibilisierung der Mentees, Kick-off-Veranstaltungen, Followup-Massnahmen, das Messen und die Dokumentation der Erfolge sowie das Streuen von Erfolgsgeschichten in internen und externen Medien.
Fünf Tipps für die Umsetzung von Reverse Mentoring
- Das Mentoring-Tandem sollte abteilungs- und hierarchieübergreifend zusammengesetzt sein. In grösseren Unternehmen übernimmt meist eine koordinierende Stelle, etwa die Personalentwicklung, das Matching. Dazu können zum Beispiel Speed Datings durchgeführt werden. Wie bei der Partnersuche gilt es dabei herauszufinden, ob man zusammenpasst. Die Teilnehmenden lernen sich in einem etwa fünfminütigen Gespräch kennen. Danach wechseln sie Tisch für Tisch zum jeweils nächsten potentiellen Partner.
 - Die Tandems setzen ihre Schwerpunkte selbst und bestimmen Umfang und Frequenz der Treffen. Neben dem konkreten Umgang mit vernetzter Software, mit Apps, mit sozialen Netzwerken, dem Web und neuen Technologien kann es auch um die Einstellung und Haltung der jungen Generation im Allgemeinen gehen. Ferner können Arbeitswelt und Lebensweise der Millenials sowie Zeitgeist und angesagte Trends zur Sprache kommen.
 - Der Mentor braucht nicht nur eine hochgradige fachliche Expertise, sondern auch Verständnis, Einfühlungsvermögen, Kommunikationstalent und diplomatisches Geschick. Er muss zwar gut erklären können, seinen Mentee-Partner vor allem aber selbst machen lassen, wenn es um digitale Anwendungen geht. Da der Mentor in aller Regel jung ist, ist ein Vorabtraining in Sachen Mentoring-Methodik überaus sinnvoll. Dieses kann von einem erfahrenen Mentor gegeben werden.
 
Die Rolle der Personalentwicklung
Der kontinuierliche Wandel in der Berufswelt führt zu einem massiven Bedeutungszuwachs der Personal- und Organisationsentwickler/innen. Diese unterstützen und steuern wichtige Prozesse, die massgeblich zur Erreichung der Unternehmensziele und zum Unternehmenserfolg beitragen: Aktuelle Beispiele dafür sind die Implementierung von agilen Arbeitsformen wie Smart Working und Portfolioarbeit sowie der Einsatz neuester (Social-)Lerntechnologien wie Personal Learning Environment, Micro Learning, Mobile Learning und Video Learning.
Stehen im Unternehmen wichtige strategische Veränderungen an? Implizieren diese Veränderungen erweiterte Anforderungen an die Kompetenzen der Mitarbeitenden? Dann muss das bei der Planung eines strategischen Personalentwicklungskonzeptes und entsprechenden Prozessen berücksichtigt werden.
Personalentwickler/innen müssen in der Lage sein, die Ist-Situation der Personalentwicklung in einem Unternehmen zu analysieren und Gaps in Bezug auf den Sollzustand zu eruieren. Sie sollten stets auch den Trends auf der Spur sein: Wohin entwickeln sich die Arbeitswelt und das Umfeld? Gibt es demographisch relevante Änderungen? Wie sehen die Entwicklungsbedürfnisse der Mitarbeitenden aus und welche Maschinen und Software werden im Unternehmen künftig im Einsatz sein?
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