Lernen durch Wiederholung: Psychologie und Definition

Das folgende Kapitel stellt die sogenannten klassischen Lerntheorien und ihre Autoren in kurzen Zusammenfassungen vor. Anfänglich haben sich diese Theorien vor allem auf das Verhalten von Tieren bezogen; auf den Menschen wird als Spezialfall eines Tieres geschlossen.

Klassische Konditionierung

Die klassische Konditionierung ist eine der Grundlagen des lerntheoretischen Modells und besagt, dass einem natürlichen, meist angeborenen, sogenannten unbedingten Reflex durch Lernen ein neuer, bedingter Reflex hinzugefügt werden kann. Entdeckt wurde der bedingte Reflex durch den in Sankt Petersburg lebenden Physiologen Iwan Pawlow (1849-1936). Dieser untersuchte in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts die Physiologie des Verdauungsapparates in Tierexperimenten (und zwar an Hunden). Dafür hatte er mit seinen Mitarbeitern Instrumente und Prozeduren zur genauen quantitativen Bestimmung des Speichelsekrets entwickelt.

Ein Reflex ist eine ungelernte Reaktion, wie Speichelfluss, Pupillenkontraktion etc. Das Futter ist der unkonditionierte Stimulus (UCS). Der Speichelfluss in Reaktion auf das Futter wird als unkonditionierte Reaktion (UCR) bezeichnet, weil er mit einem unkonditionierten Stimulus assoziiert ist. Wenn nun ein UCS (z. B. Futter) oft genug mit einem neutralen Stimulus kombiniert wird, wird dieser neutrale Stimulus schliesslich die Reaktion auslösen, die ursprünglich nur mit dem UCS assoziiert war (in diesem Falle Speichelfluss). Wenn z. B. jedesmal eine Glocke ertönt, wenn dem Hund Futter präsentiert wird, dann wird schliesslich die Glocke als konditionierter Stimulus (CS) die Reaktion des Speichelns auslösen. Dies ist nun eine konditionierte Reaktion (CR).

Die klassische Konditionierung ist die Grundlage für die Verhaltenstherapie, deren Techniken angewendet werden, um Ängste, Zwangshandlungen oder angstähnliche Symptome zu behandeln.

Beispiel für klassische Konditionierung (nach Zimbardo & Gerrig, 2008): Stelle dir vor, du bist im Kino und siehst dir einen Horrorfilm an. Als der Held sich einer geschlossenen Tür nähert, wird die Musik des Soundtracks düster und bedrohlich. Du hast plötzlich das Gefühl, aufschreien zu wollen: «Geh nicht durch diese Tür!» Du bemerkst zwischenzeitlich, dass dein Puls rast und dass du fürchterlich schwitzst. Aber warum? Irgendwie hat dein Körper gelernt, eine physiologische Reaktion (rasender Puls) zu produzieren, wenn ein Umweltereignis (beispielsweise angsterregende Musik) mit einem weiteren (unheimliches visuelles Ereignis) assoziiert ist. Diese Art des Lernens wird als Klassisches Konditionieren bezeichnet. Es handelt sich um eine Grundform des Lernens, wobei ein Stimulus oder Ereignis das Auftreten eines anderen Stimulus oder Ereignisses vorhersagt. Der Organismus lernt eine neue Assoziation zwischen zwei Stimuli - einem Stimulus, der zuvor die Reaktion nicht hervorrief, und einem Stimulus, der die Reaktion natürlicherweise hervorruft.

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John B. Watson und seine Kollegin Rosalie Rayner versuchten im Experiment mit dem «kleinen Albert» nachzuweisen, dass viele Furchtreaktionen als eine Paarung eines neutralen Stimulus mit etwas natürlich Furchtauslösendem verstanden werden können (Zimbardo und Gerrig, 2008). Watson und Rayner (1920) trainierten Albert, Furcht vor einer weissen Ratte zu haben, die er ursprünglich gerne mochte, indem sie das Erscheinen der Ratte mit einem aversiven UCS paarten - ein lautes Geräusch direkt hinter ihm, das durch Schlagen mit einem Hammer auf einen Stahlstab erzeugt wurde. Alberts Furcht entwickelte sich in nur sieben Konditionierungsdurchgängen. Als Albert lernte, vor dem gefürchteten Stimulus zu fliehen, erweiterte sich die emotionale Konditionierung zu einer Verhaltenskonditionierung.

Weitere Lerntheorien und ihre Vertreter

  • Edward L. Thorndike (1874-1949): Gilt als Pionier der amerikanischen Lerntheorien. Lernen ist die Bildung von Assoziationen (Verknüpfungen) zwischen Stimuli oder Situationen (S) und Reaktionen (R). Das von Thorndike 1911 formulierte Effektgesetz macht den Erfolg des Verhaltens, auf das hin ein angestrebter Zustand eintritt, für die Fixierung der Handlung verantwortlich.
  • John B. Watson (1878-1958): Ist der Begründer des amerikanischen Behaviorismus. Psychologie aus der Sicht des Behavioristen ist ein rein objektiver Zweig der Naturwissenschaften. Ihr theoretisches Ziel ist die Vorhersage und Kontrolle von Verhalten. Introspektion bildet keinen essenziellen Teil ihrer Methoden.
  • B.F. (Burrhus Frederic) Skinner (1904-1990): Seine behavioristische Lerntheorie basiert auf dem Konzept der operanten (oder instrumentellen) Konditionierung. Verhaltensänderungen sind das Ergebnis individueller Reaktionen auf Ereignisse (Stimuli) in der Umgebung eines Individuums. Verstärkung ist das wichtigste Element in Skinners S-R-Theorie. Bestrafung nennt man Konsequenzen, die das Auftreten eines Verhaltens unwahrscheinlicher machen.
  • Clark L. Hull (1884-1952): Seine Lerntheorie stellt in einem stark formalisierten System die Beziehungen dar, die zwischen Eingangs-, intervenierenden und Ausgangsvariablen bestehen sollten. Das zentrale Element des Hull’schen Ansatzes ist die Verstärkungstheorie.
  • Edwin R. Guthrie (1886-1959): Postuliert: «Stimulusmuster, die zurzeit einer Reaktion aktiv sind, tendieren dazu, wenn sie wiederholt werden, diese Reaktion auszulösen». Wesentlich ist vielmehr die räumlich-zeitliche Nähe zwischen dem Reizmuster und der erfolgreichen Handlung (Kontiguitätsprinzip). Wiederholungen festigen das Gelernte durch Herausbilden von Gewohnheiten.

Gedächtnisleistung und Lernen

Damit Informationen dauerhaft im Langzeitgedächtnis gespeichert werden, müssen im Gehirn die neuronalen Netzwerke dauerhaft umgebaut und erweitert werden. Dieses Phänomen wird als synaptische Plastizität bezeichnet. Durch regelmässiges Wiederholen von Lerninhalten, wird der Hippocampus dazu angeregt, Informationen wiederholt an die Assoziationsarealen der Grosshirnrinde zu senden und somit das neue Wissen im Langzeitgedächtnis zu speichern.

Der Speicher vom Kurzzeitgedächtnis ist begrenzt. Bereits im Jahre 1956 hat der Psychologe George Miller beschrieben, dass das Kurzzeitgedächtnis nur 7 +/- 2 Informationseinheiten auf einmal speichern kann. Miller nannte diese Zahl «die magische Zahl». Es macht Sinn, das neue Gelernte innerhalb der ersten Stunde mehrmals zu wiederholen. Zusätzlich muss in grösseren Zeitabständen ebenfalls repetiert werden. Genauer ausgedrückt, gibt es eine gewisse Anzahl an Wiederholungen, welche für die Überführung eines Lerninhaltes ins Langzeitgedächtnis eingeplant werden sollte.

Empfohlene Wiederholungsintervalle:

  1. Wiederholung: nach ca. 10 Minuten
  2. Wiederholung: nach ca. 1 Stunde
  3. Wiederholung: nach ca. 1 Tag
  4. Wiederholung: nach ca. 1 Woche
  5. Wiederholung: nach ca. 1 Monat

Lernstrategien für Erwachsene

Während wir als Kinder und junge Erwachsene mit Rückenwind lernen, fällt es uns im Lauf des Lebens zunehmend schwerer, uns neue Fähigkeiten anzueignen. Wir sind ein Leben lang lernfähig: Trauen Sie sich immer wieder, Neues zu lernen, und bleiben Sie dran - Ihr Gehirn wird es Ihnen danken.

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Zwar ist es wichtig, dass wir einen Lernstoff oft wiederholen. Sture Repetition bringt aber wenig. Denn unser Gehirn mag es gerne bunt und liebt es, wenn es vielseitig stimuliert wird. «Erfolgreich lernen bedeutet, unterschiedliche Hirnareale miteinander zu verknüpfen», sagt auch Nora Raschle. Wollen wir uns beispielsweise biologisches Wissen dazu aneignen, wie Zellen funktionieren, lesen wir vielleicht zuerst einen Text dazu, zeichnen danach eine detaillierte Skizze oder machen eine Mindmap, suchen nach sprachlichen Vergleichen, Analogien und Bildern - etwa eine Zelle ist aufgebaut wie eine Fabrik oder wie eine Stadt - und diskutieren das Gelernte mit anderen. Durch diese vielseitige Auseinandersetzung mit einem Thema wird das Wissen nachhaltiger im Informationsnetzwerk in unserem Kopf abgespeichert.

Auch das richtige Üben will gelernt sein. Durch eine vielseitige Auseinandersetzung mit einem Thema wird das Wissen nachhaltiger im Informationsnetzwerk in unserem Kopf abgespeichert. Unterschiedliche neuronale Netzwerke sind auch an unserem Gedächtnis beteiligt, das als Informations- und Wissensspeicher für das Lernen zentral ist.

Selbstführung und Lernen

Gesellschaftliche Trends und technologische Entwicklungen haben einen grossen Einfluss auf die Arbeitswelt. Damit verändern sich auch die Anforderungen an Berufstätige. Hier kommt Selbstführung ins Spiel. Tag täglich machen wir uns tausende Gedanken, nicht alle davon sind hilfreich. In der Übung positiver Self-Talk geht es darum, sich der eigenen positiven Gedanken bewusst zu werden und diese weiter zu fördern. Übung macht den Meister!

Hier sind einige Tipps, wie Sie Ihr Lernen verbessern können:

  1. Kurze Lerneinheiten: Bauen Sie viele kurze Einheiten ein, da die neuronalen Strukturen auch während der Pausen aktiv sind.
  2. Lernort: Wenn Lern- und Abrufort übereinstimmen oder sich ähneln, fällt es leichter, sich zu erinnern.
  3. Kategorisierung: Kategorisieren Sie Lerninhalte, um Zusammenhänge leichter zu erinnern.
  4. Visualisierung: Visualisieren Sie den Lernstoff durch Eselsbrücken, Tabellen oder Mind-Maps.
  5. Zeitlicher Abstand: Lernen Sie ähnliche Inhalte mit zeitlichem Abstand, um Verwechslungen zu vermeiden.

Die Bedeutung von Wiederholung

Was häufig auftritt und relevant ist, lernen wir gut. Deswegen ist das Wiederholen ein effizientes Lernprinzip. Wir vergessen die Informationen, die wir nicht wiederholen, relativ schnell. Demzufolge ist es eine Mär zu glauben, man würde sein Leben lang alles behalten, wenn man es einmal gelernt habe. Man behält es nur dann, wenn man es immer wieder benutzt. Man kann sogar seine Muttersprache verlernen.

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Für gesunde Menschen, die nicht unter neurologischen Schäden leiden, empfehle ich, sich in bestimmten Perioden oder Zeiträumen schlichtweg auf bestimmte Sachen zu konzentrieren. Setz dir Kopfhörer auf, lies den Text ganz konzentriert. Du guckst nicht hoch, nicht runter, nicht zur Seite - und machst in diesen 15 Minuten nichts anderes. Und dann musst du den Inhalt des Texts gleich wiedergeben und die wichtigsten Wörter herausschreiben. Dann überprüft man, ob das Niedergeschriebene mit dem Lernstoff übereinstimmt. Pausen sind dabei wichtig. Also Sie repetieren eine psychologische Funktion, indem Sie sie wiederholt durchführen. Und noch kontrollieren. Das ist der Trick. Diese Methode empfehle ich für Kinder und für Erwachsene.

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