Viele Menschen kennen das Gefühl, wichtige Aufgaben immer wieder aufzuschieben. Dieses Verhalten, oft als harmlose Aufschieberitis abgetan, kann für manche zur echten Belastung werden. Doch was genau führt zu Prokrastination, und ist das Aufschieben wirklich immer schlecht?
Bis zu 80 Prozent der Menschen schieben ständig Dinge auf. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es jedoch falsch, jeden Aufschub gleich als Prokrastination zu bezeichnen. Aufschub kann Teil von Strukturierung und Priorisierung sein. Prokrastination hingegen ist das wiederholte unnötige Verschieben wichtiger Aufgaben, obwohl man Zeit dafür gehabt hätte und weiss, dass es dadurch potenziell schwierig werden könnte.
Die Psychologie des Aufschiebens
Warum fällt es manchen Menschen so schwer, Dinge anzugehen? Die Antwort ist einfach: Weil es menschlich ist. «Wir wählen gern den kurzfristig bequemsten Weg, trotz späterer Nachteile. Durch das Aufschieben wird der anstrengenden Aufgabe mitsamt den verbundenen unangenehmen Gefühlen ausgewichen. Stattdessen werden weniger sperrige oder sogar positive Ersatztätigkeiten ausgeführt», so die Expertin Margarita Engberding.
Prokrastinierenden fehlt es im psychologischen Sinne also an Selbstkontrolle und Selbststeuerung. Dinge, die wir in der Kindheit im besten Fall von unseren Eltern oder dem sozialen Umfeld vermittelt bekommen. Wir lernen, unmittelbare Bedürfnisse aufzuschieben, um erfolgreich zu sein oder an etwas dranzubleiben.
Das Marshmallow-Experiment
Vielleicht haben Sie schon mal etwas vom «Marshmallow-Experiment» gehört. In den 1960er-Jahren verliess Psychologe Walter Michael den Raum, in dem seine kleinen Versuchsteilnehmenden sassen, mit den Worten: «Warte, bis ich wieder da bin und du bekommst noch einen zweiten Marshmallow.» Michael wollte damit Kenntnisse über die Selbstregulierung und Selbststeuerung von Kindern gewinnen. Die Unterschiede zwischen den Kindern, die dem Marshmallow widerstehen konnten, und jenen, die das nicht konnten, waren eindeutig. Erstere zeichneten sich in späteren Versuchen durch hohe Sozialkompetenz, ein gesteigertes Selbstbewusstsein und eine höhere Konzentrationsfähigkeit aus und waren darüber hinaus widerstandsfähiger gegenüber Stress.
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Übrigens: Nur auf die Erziehung oder mangelndes Erlernen von Selbstkontrolle lässt sich das Ganze nicht schieben. Es sind individuelle Faktoren, die bei Betroffenen zur Prokrastination führen. Das Spektrum reicht von Persönlichkeitsmerkmalen bis hin zu äusseren Faktoren. Wenn jemand etwa sehr impulsiv ist und die Aufgabe, die er bekommt, nicht strukturiert ist oder ihm nicht plausibel erscheint, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass er sie aufschiebt.
Die Rolle des Gehirns
Ein Team von Biopsychologinnen und -psychologen der Ruhr-Universität Bochum meint dagegen, die Ursache für das Verhalten in unserem Gehirn gefunden zu haben. Forschende der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dresden haben 2019 eine andere These aufgestellt. Ihrer Auffassung zufolge soll es einen Zusammenhang zwischen der genetischen Veranlagung für einen höheren Dopaminspiegel im Gehirn und dem Hang zum Aufschieben geben.
«Wir konnten beobachten, dass bei Frauen, die genetisch bedingt einen höheren Dopaminspiegel im Gehirn haben, tendenziell eine stärkere Neigung zur Prokrastination vorliegt», so Biopsychologin Caroline Schlüter gegenüber dem «mdr». Der Botenstoff Dopamin regelt nicht nur unser Glücksgefühl. Bei der Prokrastination sei es so, dass man ein Ziel zwar verfolgen sollte, dann aber andere Dinge dazwischenkämen. Weniger Dopamin bewirkt quasi weniger Ablenkung im Gehirn. Es beeinflusst, wie stringent man Handlungsziele verfolgen kann.
Die Studienteilnehmenden mit Hang zur «Aufschieberitis» zeigten eine vergrösserte Amygdala. Dieser Teil ist für die Verarbeitung von Gefühlen zuständig - und steuert, wie ängstlich wir sind. Die Amygdala bestimmt auch, ob wir bestimmte Gegenstände eher mit Belohnung oder Bestrafung verbinden. Ausserdem stellten die Forschenden fest, dass die Verbindung zu einer weiteren Hirnregion, dem sogenannten dorsalen anterioren cingulären Kortex, bei den Aufschieberinnen und Aufschiebern weniger stark ausgeprägt war als gewöhnlich.
Prokrastination in den Geisteswissenschaften
Laut Philosoph John Perry ist Prokrastinieren tatsächlich die Philosophen-Krankheit par excellence. Die Geisteswissenschaft glaubt an die Vernunft und daran, dass wir als vernünftige Wesen nach guten Gründen handeln sollten. Wer es nicht schafft, sich aufzuraffen, ist willensschwach - für Philosophinnen eine schlimme Diagnose.
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Kollegin Barbara Bleisch und Kollege Yves Bossart erklären in einer Folge «Bleisch&Bossart», man könne Prokrastination auch als eine temporale Verweigerungshaltung verstehen: «Das Problem ist ja: Je effizienter man wird, umso mehr wird man zum Reservoir für die Erwartungen anderer. Ich denke oft: Ich müsste einfach mal weniger effizient und pflichtbewusst sein, dann würde man mir auch weniger aufs Auge drücken.» Prokrastination als rebellischer Akt!
Strategien zur Überwindung
Was hilft gegen Prokrastination? Struktur ist ein wichtiger Faktor. Untersuchungen haben gezeigt, dass in Fächern mit weniger Termindruck und weniger strukturierten Vorgaben das Prokrastinieren eher zum Problem wird.
Hier sind einige Tipps, um das Aufschieben zu überwinden:
- Beginnen Sie pünktlich: Setzen Sie sich einen klaren Startpunkt für Ihre Aufgaben.
 - Planen Sie Pufferzeit ein: Berücksichtigen Sie mögliche Unterbrechungen oder Schwierigkeiten.
 - Etablieren Sie ein Einstimmungsritual: Schaffen Sie eine Routine, die Ihnen hilft, in den Arbeitsmodus zu kommen.
 - Schliessen Sie einen Vertrag mit sich selbst ab: Nehmen Sie sich selbst als Vertragspartner ernst und halten Sie sich an Ihre Ziele.
 - Seien Sie realistisch: Setzen Sie sich erreichbare Ziele.
 
Die Bedeutung von Werten und Glaubenssätzen
Um Ihre Entscheidungen selbstbewusst und sicher zu treffen, ist es wichtig, sich Ihrer Werte bewusst zu sein. Nach welchen Grundsätzen wollen Sie leben? Welche Eigenschaften und Einstellungen schätzen Sie am meisten? Diese Werte können Ihnen ein Gefühl von Sicherheit geben und Sie davor bewahren, in Scham oder Selbstzweifeln zu versinken, sobald jemand Ihre Entscheidung hinterfragt.
Wenn Sie sich selbst mit all Ihren guten und schwierigen Seiten annehmen, können Ihnen die Meinungen anderer nicht mehr anhaben. Es geht um intrinsische Motivation und Vertrauen in sich selbst. Jeder hat Schwächen und macht Fehler, aber das, was einen an die Weltspitze bringt, sind seine Stärken.
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Die Rolle der Willenskraft
Menschen streben nach Erfolg. Darüber, ob wir ihn erreichen oder nicht, entscheidet Volition. Psychologen und Managementwissenschaftler halten Volition für wichtigsten Erfolgsfaktor überhaupt. Sie entscheidet darüber, ob wir in der Lage sind unsere Ideen trotz aller Widerstände in die Praxis umzusetzen.
Um Resultate zu erbringen und dabei Volition zu entwickeln, benötigen Sie klare Vorstellungen darüber, welche Ziele Sie auf welche Art und Weise erreichen wollen. Die WOOP-Strategie ist mit der SMART-METHODE eng verwandt.
- O Outcome: Visualisieren Sie das Ergebnis.
 
Glaubenssätze erkennen und verändern
Viele Menschen hadern mit ihrem Leben. Werden sie etwas verändern? Vielleicht. Für gute Veränderungen ist es nie zu spät. Denn heute ist der erste Tag meines zukünftigen Lebens. Andere wiederum verharren in der ungeklärten Situation. - Warum tun sie das?
Dieser Beitrag zeigt, dass der grösste Gegner von Veränderungen zwischen Ihren Ohren sitzt und erklärt, wie Sie ihn erkennen. Ausserdem erhalten Sie konkrete Tipps, um Veränderungen aktiv einzuleiten - für ein erfülltes und reiches Leben.
Die eigenen Gedanken: Blindes Vertrauen ist fehl am Platz. Im Alltag erkennen wir unsere Gedanken als selbstverständliche Wahrheit an. Doch sind sie das tatsächlich? Kennen Sie nagende Selbstzweifel, intensive Sorgen, die sich im Nachhinein als unbegründet erweisen oder die negative innere Stimme, die jede neue Idee im Keim erstickt? Solche Gedanken basieren auf Denkgewohnheiten. Es sind Glaubenssätze, die Ihnen so vertraut sind, dass Sie sie für wahr halten.
Reflexion - Welchen Glaubenssätzen schenken Sie Aufmerksamkeit?
Überlegen Sie: Welche Gedanken tauchen in Ihrem Kopf auf, wenn Sie daran denken, Ihr Leben in einem wichtigen Bereich zu verändern? Das kann ein neuer Job, ein Aufbaustudium oder eine völlig neue berufliche Ausrichtung sein. Sind es ermutigende oder entmutigende Sätze? Schreiben Sie die Aussagen Ihrer inneren Stimme untereinander auf ein Blatt Papier.
Die meisten Glaubenssätze - positive wie negative - stammen aus den Kindertagen. Es sind Sätze, die Sie entweder direkt zu hören bekamen oder sich indirekt durch das Beobachten Ihres Umfelds erschlossen haben.
Welche Glaubenssätze gibt es und was sind gute Glaubenssätze?
Aussagen, die den Menschen ermutigen, ihn trösten und ihm vermitteln, dass er wertvoll ist, werden als «gute Glaubenssätze» bezeichnet.
- Wer wagt, gewinnt.
 - Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
 - Den Tüchtigen gehört die Welt.
 - Ich bin genau richtig, so wie ich bin.
 - Meine Meinung zählt.
 - Ich darf meinen Weg gehen.
 - Ich muss nicht perfekt sein.
 - Ich bin liebenswert.
 - Ich gehöre dazu.
 - Das Leben meint es gut mit mir.
 - Ich darf vertrauen.
 
Negative Glaubenssätze erkennen und auflösen
Im Gegensatz dazu blockieren innere Überzeugungen mit negativem Charakter die persönliche Entwicklung und verhindern Erfolg. Wer eine Aufgabe nicht in Angriff nimmt, weil «es sowieso nicht klappt», wird keine Erfolgserlebnisse sammeln. Der Glaubenssatz wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung und verfestigt sich mit jedem Lebensjahr.
Wie erkenne ich meine negativen Glaubenssätze?
Sie haben jetzt eine Vorstellung davon, wie Glaubenssätze entstehen und welche Arten von Glaubenssätzen es gibt. Jetzt geht es darum, Ihre persönlichen Denkmuster noch besser kennenzulernen.
Alfred Adlers Konzept geht davon aus, dass das Leben alle Menschen vor Herausforderungen stellt, die er lösen muss, um inneren Einklang zu erlangen.
Alfred Adler sagt:«Nun ist aber die Wahrnehmung nie mit einem photographischen Apparat zu vergleichen, sondern sie enthält immer etwas von der Eigenart des Menschen.»[3]Diese Aussage verdeutlicht den aktiven Einfluss des Individuums auf sein Leben. Es geht darum, die menschliche Entwicklung zu verstehen und dieses Wissen positiv zu nutzen. Schuldzuweisungen beispielsweise den Eltern gegenüber lagen nicht in Adlers Interesse. Aussöhnung ist das Ziel.
Zur Reflexion: Glaubenssätze erkennen - fragen Sie nach dem Wozu. Treten Sie mit sich in einen inneren Dialog und achten Sie dabei auf eine wertschätzende und ermutigende Haltung sich selbst gegenüber.
Nun ersetzen Sie die perfektionistischen Aussagen durch ermutigende Sätze. Lassen Sie Ihrer kreativen Ader freien Lauf und erlauben Sie sich eine Prise Humor. Wie wäre es mit diesen Varianten:Ich werde akzeptiert, wenn ich Fehler mache.Ich werde geliebt und anerkannt, so wie ich bin.Wie wäre es mit einer Steigerung: Ich werde geliebt, obwohl ich es verbockt habe.
Wie transformiere ich Glaubenssätze? - Etablieren Sie eigene Werte.
Über die Frage nach dem Wozu können Sie gezielt Glaubenssätze identifizieren und ersetzen. Sie können auch eigene Sätze formulieren, die es Ihnen erlauben, menschlicher, toleranter und wohlwollender mit sich umzugehen. Beispiele:
- Ich nehme mich wichtig und finde heraus, was ich selbst will.
 - Ich darf nachdenken, bevor ich aktiv werde.
 - Ich habe eine eigene Meinung.
 - Ich darf mir Hilfe holen. Dadurch verliere ich nicht mein Gesicht.
 - Ich darf stark sein und zugleich schwach sein.
 - Ich traue meinen Gefühlen und lasse mich von ihnen leiten.
 
Tabelle: Strategien zur Überwindung von Prokrastination
| Strategie | Beschreibung | 
|---|---|
| Klarer Startpunkt | Setzen Sie sich einen festen Zeitpunkt, um mit der Aufgabe zu beginnen. | 
| Pufferzeit | Planen Sie zusätzliche Zeit für unvorhergesehene Unterbrechungen ein. | 
| Einstimmungsritual | Etablieren Sie eine Routine, die Ihnen hilft, in den Arbeitsmodus zu kommen. | 
| Vertrag mit sich selbst | Nehmen Sie sich selbst als Vertragspartner ernst und halten Sie sich an Ihre Ziele. | 
| Realistische Ziele | Setzen Sie sich erreichbare Ziele, um Frustration zu vermeiden. | 
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