Sportsucht kommt häufiger vor, als wir meinen. Die Grenze zwischen ambitioniertem Trainieren und Suchtverhalten ist unscharf. Aber es gibt Signale, wenn’s zu viel wird.
Die Symptome der Sportsucht
Die Symptome der Sportsucht sind die gleichen wie bei anderen Süchten: Steigerung der Dosis, Entzugserscheinungen. Facharzt Claussen sagt: «Die Symptome einer Sportsucht unterscheiden sich nicht von denen anderer Süchte, wie etwa Notwendigkeit einer immer höheren Dosis, Entzugserscheinungen, Bereitschaft zu einem hohen körperlichen Risiko oder starke Beeinträchtigung des sozialen Umfeldes.»
Wenn Menschen trotz Krankheiten oder Verletzungen Sport treiben, ist das ein klarer Hinweis auf eine Sucht. Sonst aber ist eine Diagnose schwierig. Auch deshalb, weil Sportsucht praktisch nie allein auftritt.
«Die Wissenschaft streitet sich darüber, ob es überhaupt eine primäre, alleinige Sportsucht gibt. Meistens sehen wir eine Sportsucht als Bewältigungsstrategie beziehungsweise Komorbidität bei anderen psychischen Erkrankungen wie einer Essstörung oder Depression», sagt Malte Christian Claussen, Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Ursachen und Risikogruppen
Lob und Bewunderung spielen eine grosse Rolle. Weil Sporttreiben positiv bewertet wird und er mit seinen 45 Jahren enorm fit ist, erntet er von allen Seiten Lob und Bewunderung. Kaum jemand aus seinem Umfeld wäre auf die Idee gekommen, dass es sich nicht mehr um ein gesundes Bewegungsverhalten handelt. Ausser die Ehefrau. Seine zunehmende Gereiztheit an sportfreien Tagen oder die Unfähigkeit, eine gemütliche Wanderung zu geniessen, machen ihr Sorgen.
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Claussen sieht die grösste Gefährdung bei Triathleten, dann bei Läufern und Velofahrern. Und er sagt: «Man geht unter Sportlern von zirka 4,5 Prozent Süchtigen aus. Genaue Zahlen sind leider nicht bekannt.» Wer also bei einem Jedermann-Wettkampf die grosse Zahl der Startenden sieht, kann sich ausrechnen, wie viele davon vielleicht sportsüchtig sind.
Sportsucht und Essstörungen
So ist das auch beim Mann, der trotz Bronchitis Velo fährt. Der Sport hat ihm anfangs aus der Depression geholfen, wurde schleichend von der Ablenkung zum Lebensinhalt.
Yvonne Z. leidet an einer Kombination aus Magersucht und Sportsucht und hat letztes Jahr in einem Fitnessstudio Hausverbot erhalten. «Wenn du erst drei Stunden auf dem Velo trainierst und dann zwei Stunden auf dem Stepper, werden die Instruktoren aufmerksam», sagt sie. Ihr Trick: sich bei einer Fitnesskette mit mehreren Studios innerhalb der Stadt einschreiben und innerhalb eines Tages mehrere Orte aufsuchen.
Romina Palm, eine Influencerin und Ex-GNTM-Teilnehmerin, sprach offen darüber, dass das Modeln bei ihr eine Binge-Eating-Störung ausgelöst habe. Fans äussern Bedenken über ihre Beziehung zum Fitness-Influencer Christian Wolf, da seine strikte Ernährung ihre Essstörung triggern könnte.
Behandlung und Hilfe
Süchtige wenden sich jedoch ungern an Ärzte. Und schon gar nicht an Psychiater. Claussen weiss das: «Deshalb habe ich eine sportpsychiatrische Sprechstunde aufgebaut, um die Hürde möglichst klein zu machen.» Die Leute kommen, um über Sportprobleme zu sprechen. Eine Sucht reduziert die Leistung, weil die Regenerationsphasen fehlen. In der Sprechstunde können neben Sportproblemen auch andere Dinge angeschaut werden. «Wenn zum Beispiel eine Essstörung behandelt werden kann, führt das letztlich wieder zu besseren sportlichen Leistungen», sagt Claussen.
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Der sportsüchtige Ehemann wie auch Yvonne Z. sind mittlerweile in psychiatrischer Behandlung. Beide sagen: «Wer selber sportsüchtig ist, erkennt andere Junkies auf den ersten Blick.» Aber für alle, die noch nie mit dieser Erkrankung in Berührung kamen, ist es schwierig, weil die Grenze zwischen ambitioniertem Trainieren und Suchtverhalten unscharf ist.
Wege aus der Sucht
- Nicht allein bleiben: Austausch hilft.
 - Professionelle Hilfe suchen
 
Die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich bietet eine Spezialsprechstunde für Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Sie bietet eine sportspezifische psychiatrische Abklärung und Behandlung. Hier finden nicht nur Sportler professionelle Unterstützung, sondern auch Angehörige, Trainer oder Betreuer. Die Behandlungskosten werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen.
Erfahrungsberichte
Es existiert wenig Literatur zum Thema Sportsucht - und wenn, dann handelt es sich oft um Sachbücher, nicht um Erfahrungsberichte. Ende 2017 ist «Say Yes to Strong» erschienen, verfasst von der deutschen Fitness-Influencerin Antonia Elena. Dort wird ihr Weg aus Magersucht und Sportsucht beschrieben. Das Buch bietet auch Fitnessübungen und Rezepte, die ein gesundes Trainieren und Essen ermöglichen sollen.
Die Schweizerin Morena Diaz bloggt unter www.m0reniita.com ebenfalls über Themen wie Fitnesswahn, Selbstliebe, Körperkult.
Austausch mit anderen
Auf der Seite von Selbsthilfe Schweiz (www.selbsthilfeschweiz.ch) sind keine Selbsthilfegruppen für Sportsüchtige zu finden. Das liegt daran, dass Sportsucht selten allein auftritt. Wer beispielsweise zugleich an einer Essstörung leidet, findet eine Vielzahl an Gruppen in der ganzen Schweiz. Meist trifft man dort andere, die ebenfalls enorm viel Sport treiben.
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Das Buch Toni's Mealprep Küche - Zimmermann, Antonia Elena, bietet schnelle Rezeptideen für die ganze Familie. Antonia Elena teilt auf Instagram ihre Leidenschaft für Sport und Ernährung und dokumentiert dabei offen ihren Weg aus einer Essstörung.
| Autorin | Titel | Inhalt | 
|---|---|---|
| Antonia Elena | Say Yes to Strong | Weg aus Magersucht und Sportsucht, Fitnessübungen und Rezepte für gesundes Training und Essen | 
| Antonia Elena | Toni's Mealprep Küche | 60 High-Protein-Rezepte für die ganze Familie, Meal-Prep-Ideen und Tipps für gesunde Ernährung im Alltag | 
| Morena Diaz | m0reniita.com | Blog über Fitnesswahn, Selbstliebe und Körperkult | 
tags: #Antonia #Elena #Essstörung