Depressive Störungen stellen ein zunehmendes Problem unserer Zeit dar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostiziert, dass Depressionen in den kommenden Jahrzehnten zur zweitwichtigsten Ursache für Krankheitsausfälle und Einschränkungen der Lebensqualität avancieren werden. Schätzungen zufolge leiden zu einem bestimmten Zeitpunkt 5-7 Prozent der Bevölkerung an einer Depression, wobei im Laufe des Lebens sogar jeder vierte Mensch (20-25 Prozent) betroffen ist.
Eine depressive Verstimmung tritt oft in den Wintermonaten auf, wenn die kürzeren Tage und das nasskalte Wetter aufs Gemüt schlagen. Betroffene sind über einen längeren Zeitraum hinweg niedergeschlagen, antriebs- und lustlos, erschöpft und traurig. Physische Symptome können Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Probleme sein. Die andauernde schlechte Stimmung kann wiederum dazu führen, dass betroffene Personen ihre sozialen Kontakte einschränken und in der Folge immer einsamer werden. Besonders anfällig für eine depressive Verstimmung sind ältere Menschen. Frauen leiden ebenfalls häufiger unter den typischen Symptomen für eine Depression als Männer.
Im Leben erfährt jeder Mensch Phasen von Traurigkeit oder Energielosigkeit, beispielsweise nach dem Verlust eines Familienmitglieds oder einem Misserfolg. In der Regel kann mit solchen Ereignissen umgegangen werden. Es gibt jedoch Situationen, die nur schwer aus eigener Kraft bewältigt werden können. Die ernstzunehmende Krankheit Depression ist kein Zeichen von persönlicher Schwäche und kann nicht mit Ratschlägen oder Willenskraft überwunden werden.
Vielfältige Ursachen und Risikofaktoren
Wie eine Depression entsteht, ist bis heute noch nicht vollständig geklärt. Mediziner gehen davon aus, dass dabei immer mehrere Faktoren zusammenspielen. Dazu gehören biologische, genetische und psychosoziale Auslöser. Wie gross der Einfluss der verschiedenen Faktoren ist, ist von Fall zu Fall verschieden.
Die Ursachen für eine depressive Verstimmung sind vielfältig - dazu zählen zum Beispiel Stress oder belastende Ereignisse wie Trennung oder der Tod eines geliebten Menschen. Fachpersonen unterscheiden zwischen leichten, mittelschweren und schweren Depressionen. Die depressive Verstimmung und somit die saisonal abhängige Depression oder die Winterdepression zählen zu den leichten bis mittelschweren Depressionen. Auch leichte Verstimmungen können sehr belastend sein.
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Als Auslöser wirken oft sehr belastende Ereignisse, Verluste oder Überforderungssituationen, auf welche Betroffene sensibler reagieren als andere Personen. Als grundlegendes Paradigma wird in der klinischen Psychologie das Vulnerabilitäts-Stress-Modell verwendet. Die Vulnerabilität beschreibt dabei die individuelle Anfälligkeit eines Menschen, an einer psychischen Störung zu erkranken. Diese kann unter anderem genetisch aber auch durch Lernerfahrungen wie zum Beispiel kindliche Traumata oder emotionale Vernachlässigung bedingt sein.
Bei erhöhter Vulnerabilität reichen bereits geringere aktuelle oder chronische Belastungen aus, um einen Krankheitsausbruch zu bewirken, während bei geringer Vulnerabilität die Belastungen dementsprechend grösser sein müssen. Diese Schwelle zum Krankheitsausbruch wird durch unterschiedliche Risiko- und Schutzfaktoren (zum Beispiel die soziale Unterstützung aus dem Umfeld) beeinflusst.
Genetische Einflüsse
Es gibt familiäre Häufungen von depressiven Erkrankungen, die auf eine erbliche Belastung mit erhöhtem Erkrankungsrisiko schliessen lassen. Dieses Risiko steigt mit dem Verwandtschaftsgrad: Geschwister und Kinder (Verwandte ersten Grades) werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 10-20% selbst krank. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass trotz dieser Belastung die Wahrscheinlichkeit gesund zu bleiben deutlich höher ist (80-90%). Somit wird nicht die Erkrankung selbst vererbt, sondern das erhöhte Risiko, auf Belastungen mit einer Depression zu reagieren.
Zwillings- und Adoptionsstudien haben gezeigt, dass Depressionen auch eine genetische Wurzel haben. Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist um 50 Prozent höher, wenn andere Blutsverwandte ersten Grades bereits erkrankt sind. Wenn also etwa eine Mutter an einer depressiven Störung leidet, ist dies ein Risikofaktor für das Kind - besonders dann, wenn die Störung bereits in einem frühen Alter auftrat.
Die genetische Veranlagung spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Depressionen. Die unterschiedlich hohen Risiken zwischen Menschen lassen sich zu bis zu 40 Prozent durch die Gene erklären.
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Es ist anzunehmen, dass die vielen verschiedenen Ausprägungen und Unterformen von Depressionen möglicherweise mit individuellen Mustern solcher Genvarianten zu tun haben könnten. Derartige Genvarianten spielen nicht nur für die Anfälligkeit und individuelle Ausprägung von Depressionen, sondern auch für medikamentöse Therapien aller Art eine Rolle.
Vulnerabilität und Resilienz
Die Vulnerabilität, zu deutsch Verletzlichkeit, beschreibt, wie anfällig ein Mensch für eine seelische Störung ist. Bei Menschen mit hoher Vulnerabilität zieht schon wenig Stress möglicherweise eine Depression nach sich. Ist die Vulnerabilität dagegen gering, schaffen es Menschen, auch sehr belastende Ereignisse gut zu bewältigen. Solche Personen bezeichnet man als resilient, also widerstandsfähig.
Nicht nur die objektive Schwere der Belastung entscheidet also, ob ein Mensch an einer Depression erkrankt, sondern die Fähigkeit, mit ihr umzugehen. Erheblichen Einfluss haben dazu die Erfahrungen, die ein Mensch in seinem Leben gemacht hat. Ein besonders grosses Risiko, eine Depression zu entwickeln, haben beispielsweise Personen, die traumatische Erlebnisse wie Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit erlebt haben. Entscheidend ist aber auch, welche Fähigkeiten ein Mensch erworben hat, um mit belastenden Situationen fertig zu werden.
Stress als Auslöser
Stress spielt bei der Entstehung einer Depression eine entscheidende Rolle. Umgekehrt verursacht eine Depression auch selbst Stress - beispielsweise, weil durch die Erkrankung viel Lebensqualität verloren geht. Manche Lebensphasen sind per se mit verstärktem Stress verbunden. Dazu gehören beispielsweise die Pubertät oder der Eintritt in die Rente. In solchen Phasen steigt daher das Depressionsrisiko.
Unser Körper reagiert auf jede äussere und innere Anforderung mit psychischen und körperlichen Reaktionen, sei dies eine kurzfristige sportliche Herausforderung, eine kurze Lärmbelastung oder längerfristige Stresssituationen wie eine hohe Arbeitsbelastung oder andauernde soziale Konfliktsituationen. Herausforderungen, die eine aktive und erfolgreiche Bewältigung erlauben, können positive Gefühlen auslösen und Spass machen, obwohl (oder weil) Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet werden und positive Energie mobilisiert wird.
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Allerdings verursachen auch positive Ereignisse Stress: So steigt bei einer Beförderung, der Geburt eines Kindes oder einer Hochzeit ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken.
Tatsächlich berichten Menschen mit Depressionen oft von schwierigen Ereignissen vor Ausbruch der Krankheit. In vielen anderen Fällen taucht eine Depression hingegen scheinbar aus dem Nichts auf.
Langandauernde Stresssituationen hingegen, die zu Überforderung und Verlust der eigenen Kontrolle führen, verursachen und etablieren negative Gefühle und Denkmuster mit hohen Werten des Stresshormons Kortisol. In bestimmten Gehirnregionen (dem sogenannten limbischen System, das für die Regulation unserer Gefühle zuständig ist) kommt es hierbei zu einer Überaktivität des für die Emotionsregulation wichtigen Mandelkerns (Amygdala).
Auf der hormonellen Ebene kommt es hierdurch zusätzlich zu einer krankmachenden, dauerhaften Aktivierung des Stresshormonsystems (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System = HPA-System). Das negative individuelle Erleben und Verarbeiten des stressreichen Ereignisses oder mehrerer davon (z.B.
Fehlregulation der Stresshormone
Andere Erklärungsansätze bezüglich der Ursache von Depressionen sehen eine Fehlregulation der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol im Mittelpunkt. Insbesondere hat man bei depressiven Menschen einen erhöhten Cortisolspiegel festgestellt. Ein solcher kommt als Auslöser einer Depressionserkrankung infrage, aber auch als deren Folge.
Studien haben herausgefunden, dass Menschen mit Depressionen häufig eine gestörte Regulation der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol haben. Das führt unter anderem dazu, dass die Konzentration des Cortisols im Gehirn stark ansteigen kann. Zu viel Cortisol kann dann wiederum zu Symptomen führen, die für eine Depression typisch sind.
Veränderter Stoffwechsel der Nervenbotenstoffe
Seit geraumer Zeit ist bekannt, dass der Stoffwechsel der Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter) Serotonin, Noradrenalin und Dopamin bei Depressionen verändert ist. An den Kontaktstellen der Neurone im Gehirn, den Synapsen, sind die Bestände dieser Transmitter erschöpft, sodass die Informationsübermittlung von Neuron zu Neuron gestört ist.
So ist ein gestörter Noradrenalin- oder Serotoninspiegel im Gehirngewebe möglicherweise mitverantwortlich für eine Depression. Sind diese Botenstoffe nicht im Gleichgewicht, stört das den Austausch zwischen den Nervenzellen. Und das wiederum beeinflusst Gefühle und Gedanken negativ.
Hormonelle Einflüsse
Frauen erkranken etwa doppelt so häufig an einer Depression wie Männer. Eine mögliche Erklärung ist, dass Frauen aufgrund hormoneller Schwankungen gefährdeter sind. Solche Hormonschwankungen treten etwa im Laufe des Menstruationszyklus sowie während und nach einer Schwangerschaft auf.
Eine Ursache dafür kann der Hormonhaushalt sein. Nach der Geburt eines Kindes sind ungefähr 10 bis 15 Prozent der Frauen von einer postpartalen Depression betroffen. Diverse Hormone wie zum Beispiel Progesteron, Östrogen und Schilddrüsenhormone sind dabei im Ungleichgewicht.
Weitere Risikofaktoren
- Negative Denkmuster: Menschen, die schlecht von sich und über die Welt denken und für die Zukunft schwarz sehen, werden eher depressiv. Ein gutes Selbstwertgefühl und Optimismus schützen hingegen vor Depressionen.
 - Körperliche Erkrankungen: Manche körperlichen Krankheiten begünstigen eine Depression. Besonders Erkrankungen des Gehirns sowie Hormonstörungen beeinflussen die Gefühlswelt.
 - Medikamente und Drogen: Die Einnahme bestimmter Medikamente schlägt gelegentlich ebenfalls auf die Stimmung.
 
Therapeutische Ansätze
Die Depression kann sowohl von der körperlichen, biologischen Seite als auch von der psychischen und psychosozialen Seite her entstehen und behandelt werden. Alle diese Ursachen, seien sie nun angeboren oder durch die Umwelt (z.B. Belastungen in Beruf und Familie) bedingt, können zu chronischem Stress und zur pathologischen Überaktivität des Stresshormonsystems führen.
Die aktuellen Antidepressiva unterstützen die erschöpften Transmittersysteme und verbessern den Informationsfluss zwischen den Neuronen. Gleichzeitig korrigieren sie das aus der Balance geratene HPA-Stresssystem und vermindern die hohen Kortisolwerte.
Psychotherapien arbeiten mit den ins Negative verschobenen Denkmustern und Interpretationen von Stresssituationen und können dadurch beim HPA-System korrigierend eingreifen. Durch die Normalisierung der Kortisolwerte steigt die Neubildung (Neurogenese) von Neuronen im limbischen System wieder an.
Die neuesten Erkenntnisse verlangen umso mehr, dass die komplexe Krankheit Depression ganzheitlich angegangen und therapiert wird. Dies geschieht durch eine individuell optimierte Kombination von medikamentöser Therapie und Psychotherapie sowie entsprechenden Begleitmassnahmen (Sport, Gruppentherapien, Selbsthilfe etc.).
Es ist deshalb zu betonen, dass depressive Episoden konsequent und genügend lang behandelt werden sollen, bis alle Restsymptome überwunden sind und der Patient seine vollständige Funktionalität wiedererlangt hat.
Hilfe suchen
Wenn Sie den Verdacht haben, an einer Depression zu leiden, zögern Sie nicht, Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt anzusprechen! Hausärzt*innen sind häufig die ersten Ansprechpartner und können bei Bedarf an Fachärzt*innen und Psychotherapeut*innen überweisen. Hilfe, Beratung und Kontakte erhalten Sie ausserdem durch den sozialpsychiatrischen Dienst an Ihrem Wohnort.
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