Psychologie Experiment Aufbau: Beispiele und Konzepte

Wenn du in deiner Abschlussarbeit aus der Theorie hergeleitete Hypothesen überprüfen und dafür Daten erheben möchtest, kannst du dich auch der Methodik des wissenschaftlichen Experiments bedienen. Ein Experiment ist eine gezielte Untersuchung, bei der bestimmte Bedingungen festlegt oder verändert werden, um herauszufinden, wie sich diese auf ein bestimmtes Ergebnis auswirken. Dabei werden die Reaktionen oder Ergebnisse beobachtet und gemessen, um eine Frage zu beantworten oder eine Hypothese zu überprüfen.

Bei einem Experiment handelt es sich um eine wissenschaftlichen Regeln folgende Untersuchungsanordnung, durch die unter künstlich erzeugten Bedingungen Versuchsergebnisse generiert werden. Bei einer experimentellen Versuchsanordnung steht also die Überprüfung von Kausalzusammenhängen im Mittelpunkt. Konkret geht es um die Untersuchung des Einflusses einer bestimmten unabhängigen (UV) auf eine bestimmte abhängige Variable (AV).

Um sicherzustellen, dass gemessene Veränderungen der AV tatsächlich auf die UV zurückgehen und nicht auf andere Einflussfaktoren, müssen spezielle Vorkehrungen getroffen werden: Hierfür kannst du einerseits auf mehrere Gruppen von Versuchspersonen zurückgreifen, andererseits etwaige Störfaktoren gezielt eliminieren oder kontrollieren.

Experimente können sowohl im natur- als auch im geisteswissenschaftlichen Bereich durchgeführt werden, wobei sich die genaue Versuchsanordnung davon abhängig unterscheiden kann.

Arten von Experimenten

Das Laborexperiment findet in einem künstlich geschaffenen Kontext («Labor», häufig einfach ein geeigneter Raum) statt, in dem sich alle denkbaren Einflussfaktoren verlässlich konstant halten und Störfaktoren ausschließen lassen. Zu den Vorteilen zählen die beliebige Wiederholbarkeit und die hohe interne Validität.

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Beim Feldexperiment verbleiben beide Gruppen (Versuchs- und Kontrollgruppe) in ihrer angestammten sozialen Umgebung, was zu einer hohen externen Validität und entsprechender praktischer Relevanz solcher Versuche führt.

Das «echte» Experiment bezeichnet die idealen Rahmenbedingungen eines Experiments, die aber in der Praxis nie vollständig erreicht werden können. Das Laborexperiment stellt die bestmögliche Annäherung dar, das Quasi-Experiment wird häufig als Alternative gewählt.

Das «echte» Experiment zeichnet sich durch die bestmögliche Beschreibbarkeit der Versuchsbedingungen, Wiederholbarkeit, beliebige Variation der unabhängigen Variablen sowie Kontrolle von Störfaktoren aus.

Quasi-experimentelle Forschungsdesigns sind zwar Laborexperimenten sehr ähnlich, erfüllen deren Standards aber nur zum Teil. Insbesondere ist bei der Aufteilung der Parallelgruppen keine Randomisierung (Zufallsaufteilung) möglich, wodurch Störvariablen durch den Versuchsleiter nicht gänzlich eliminiert werden können.

Feldstudie vs. Feldexperiment

Sowohl Feldstudien als auch Feldexperimente werden unter natürlichen Bedingungen durchgeführt, um das natürliche Verhalten der Versuchspersonen zu untersuchen. Im Gegensatz dazu existieren Experimente, die unter künstlichen Bedingen stattfinden: Laborexperimente.

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Im Gegensatz zu Feldexperimenten wird bei Feldstudien auf die Manipulation der unabhängigen Variablen verzichtet. Der Unterschied zwischen den Methoden liegt hauptsächlich in der Manipulation der Variablen und der Verwendung einer Kontrollgruppe.

Beispiel einer Feldstudie: Ein Forscher untersucht, wie oft Menschen in einer Fußgängerzone auf Müll reagieren, der auf den Boden geworfen wurde.

Beispiel eines Feldexperiments: Ein Forscher untersucht, wie oft Menschen in einer Fußgängerzone auf Müll reagieren, der auf den Boden geworfen wurde. Die Teilnehmer erhalten eine Aufgabe, die nichts mit Müll zu tun hat (z.B. die Beurteilung der Nachstellung der Fußgängerzone), während der Forscher den Müll platziert. Hierbei kann der Forscher zusätzliche Variablen einführen, z.B. die Art des Mülls.

Ablauf eines Experiments

Bei der Durchführung von Experimenten lässt sich grundsätzlich zwischen drei Phasen unterscheiden: Planung, Durchführung und Auswertung.

Planung: Im ersten Schritt geht es um die Formulierung einer präzisen Forschungsfrage sowie die darauf bezogenen Ziele des Experiments. Danach folgt das Hypothesen Aufstellen nach den gängigen Kriterien (Aussageform, keine Negationen, Widerspruchsfreiheit). Die in der Hypothese genannten Begriffe müssen sodann messbar gemacht werden (Operationalisierung). Des Weiteren bedarf es der Festlegung von abhängigen und unabhängigen Variablen (wobei zweitere bewusst variiert werden sollen) sowie zu kontrollierenden Störvariablen.

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Durchführung: Im zweiten Schritt stehen organisatorische Erfordernisse im Vordergrund, wie etwa die Auswahl von Versuchsleiter(n), Versuchspersonen und Räumlichkeiten. Die Durchführung erfolgt anhand eines Versuchsplanes und wird in einem Protokoll dokumentiert.

Auswertung: Im dritten und letzten Schritt gilt es zu beachten, dass streng nach dem Auswertungsplan vorgegangen wird. Im Vorfeld der Auswertung sollte auf das Vermeiden von im Ergebnis verzerrenden Fehlern geachtet werden (Beispiel: Instruktionsfehler durch mangelnde Vorbereitung der Versuchspersonen).

Studiendesigns

Bei einer experimentellen Studie wird ein Experiment durchgeführt, um die Beziehung zwischen Variablen zu untersuchen.

Between-Subjects-Design vs. Within-Subjects-Design

Bei einer experimentellen Studie mit Between-Subjects-Design werden alle Teilnehmenden während des Experiments nur mit je einer Behandlung untersucht. Bei einem Within-Subjects-Design werden alle Teilnehmenden während des Experiments mit allen Behandlungen untersucht.

Oft wird bei Within-Subjects-Designs die Reihenfolge der Behandlung der einzelnen teilnehmenden Personen randomisiert oder umgekehrt.

Vollständig randomisiertes Design vs. Randomisiertes Blockdesign

Bei einem randomisierten Blockdesign (auch stratifizierte Randomisierung genannt) werden die teilnehmenden Personen zunächst nach gemeinsamen Merkmalen gruppiert.

Die Teilnehmenden werden zunächst nach Alter gruppiert. Die Bodenparzellen werden zuerst nach durchschnittlichem Niederschlag gruppiert.

Matched-Pairs-Technik

In der medizinischen oder sozialen Forschung kannst du die Matched-Pairs-Technik verwenden. Bei dieser Technik wird sichergestellt, dass jede Behandlungsgruppe zu gleichen Anteilen Teilnehmende mit bestimmten Merkmalen enthält (z. B. Alter, Geschlecht).

Verblindung in Experimenten

Eine einfache, doppelte oder dreifache Verblindung wird angewandt, um eine höhere interne Validität der Studie sicherzustellen. Wenn nicht verblindet wird, kann das Verhalten von Teilnehmenden und Forschenden von ihren Erwartungen beeinflusst sein. Dies kann sich auf die Ergebnisse auswirken.

Diese Risiken werden mithilfe der Verblindung größtenteils ausgeschaltet. Die Verblindung ist deshalb ein guter Weg, unterschiedliche Arten des Bias (z. B. Confirmation Bias) in der Forschung zu verhindern.

Einfachblindstudie

Die Teilnehmenden einer Einfachblindstudie erfahren bis zum Ende nicht, welcher Gruppe sie zugeteilt wurden.

Vorteil: Da die Teilnehmenden während der Durchführung der Studie nicht wissen, welcher Gruppe sie angehören, kann dieses Wissen ihr Verhalten nicht beeinflussen.

Nachteil: Die Versuchsleitenden wissen noch immer, wer zu welcher Gruppe gehört. Sie könnten die Ergebnisse also ungewollt durch ihre Erwartungen beeinflussen.

Doppelblindstudie

Weder die Teilnehmenden noch die Forschenden wissen, wer zu der Kontroll- und wer zu der Versuchsgruppe gehört.

Vorteil: Die Analyse bleibt von den Erwartungen der Analysierenden unbeeinflusst.

Nachteil: Die Durchführung einer Dreifachblindstudie kann kompliziert sein, da man immer eine zusätzliche Person benötigt, die die Gruppenzuteilung kennt und später auflösen kann.

Dreifachblindstudie

Die Zuteilung in Kontroll- und Versuchsgruppe wurde vor den Teilnehmenden und Forschenden verborgen. Zusätzlich werden Assistierende beauftragt, die Daten der Impfstudie zu analysieren.

Um dies zu realisieren, werden die Kontroll- und die Versuchsgruppe umbenannt in Gruppe 1 und 2.

Beispiele für Verblindung

Beispiel: Doppelblind-Impfstudie Die Wirksamkeit eines Impfstoffes wird bei einer experimentellen Studie getestet. So schätzen die Teilnehmenden ihre Symptome z. B. objektiv ein, ohne von ihrer Erwartung an den Impfstoff beeinflusst zu werden. Auch die Forschenden können die Resultate so nicht beeinflussen, beispielsweise durch ihre Haltung gegenüber dem Impfstoff.

Beispiel: Versehentliche Entblindung Die Studie zur Testung des Grippeimpfstoffes wird als Einfachblindstudie durchgeführt. Zum Beispiel könnten Teilnehmende oder Forschende ihr Verhalten basierend auf ihren Erwartungen verändern. Dies kann zu den gleichen Problemen führen, die aufgekommen wären, wenn nicht verblindet worden wäre.

Grundlegende Konzepte im Experiment

Versuchsgruppe: Die Gruppe, die die experimentelle Manipulation erhält.

Kontrollgruppe: Die Gruppe, die konstant gehalten wird, um die Wirkung der Manipulation herauszufinden. Diese Gruppe wird der experimentellen Manipulation nicht ausgesetzt bzw. bekommt einen Placebo.

Wenn Teilnehmende und Forschende wissen, wer welcher Gruppe zugeordnet ist, kann das die Ergebnisse der Studie beeinflussen. So werden Teilnehmende in beiden Gruppen gleich behandelt. Die Teilnehmenden sind in beiden Gruppen gleichermaßen voreingenommen, weil sie nicht wissen, zu welcher Gruppe sie gehören.

Marshmallow-Test

Er ist einer der grossen Klassiker der experimentellen Psychologie: Der Marshmallow-Test. In dessen ursprünglicher Version setzten die Forscher um Walter Mischel (1974) Kleinkindern einen Marshmallow vor und boten ihnen an, dass - vorausgesetzt sie würden das Naschwerk nicht sofort verzehren - sie zu einem späteren Zeitpunkt einen weiteren Marshmallow erhalten würden.

Die zentrale Erkenntnis dieses Experimentes war in einer Langzeitbeobachtung, dass diejenigen Kinder, welche länger auf einen weiteren Marshmallow warten konnten, in ihrer weiteren sozialen und beruflichen Entwicklung deutlich erfolgreicher waren als jene Kinder, welche sich ungeduldiger zeigten und den Marshmallow sofort verspeisten.

Konsequenterweise lautet der Buchtitel des Bestsellers von Walter Mischel (2014) auch «Why self-control is the engine of success». Was plausibel klingt, wird der Erklärung von beruflichem und privatem Erfolg aber nicht vollends gerecht, wie eine aktuelle Studie von Tyler Watts und Kollegen (2018) zeigt.

Sie replizierten die Studie von Mischel und stellten dabei fest: Wichtiger als die Bereitschaft zu warten, ist der soziodemographische Status des Elternhauses. Dieser bedeutende Faktor war in der Stichprobe von Mischel zu wenig berücksichtigt worden.

Was bedeutet dies für die Ergebnisse des Ur-Marshmallow-Tests? Sind diese nun widerlegt, und ist Selbstkontrolle doch nicht so wichtig für die Erklärung von Karriere?

Es gibt aber viele andere Studien, die zeigen, dass die Fähigkeit zuzuwarten bedeutsam ist - und zwar auch, wenn man weitere Variablen wie sozialer Hintergrund oder IQ kontrolliert, wie zum Beispiel in einer Studie von Terri Moffitt und Koautoren im Jahr 2011. Ich würde deshalb empfehlen, noch ein kleines bisschen zuwarten, bevor man das Kind mit dem Bade ausschüttet.

Wir wissen, dass oft viele Faktoren in ein Ergebnis hineinspielen. Wir wissen, dass Lebenserfolg nicht nur von Geduld, sondern von vielen weiteren Dingen abhängt.

Replikationskrise in der Psychologie

Man spricht schon länger von einer Replikationskrise in der Psychologie. Nach meinem Verständnis bezieht sich die von Ihnen angesprochene Replikationskrise vielfach darauf, dass man ein bestimmtes psychologisches Verhaltensmuster in einer Publikation bespricht.

Spannender und wichtiger scheint mir aber der Blick auf die langfristigen Effekte von Verhaltensmustern - über 20, 40 Jahre hinweg. So, wie es im Marshmallow-Experiment eben gemacht oder versucht wurde.

In der Verhaltensökonomie bekommen Replikationsstudien in jüngster Vergangenheit auch mehr Gewicht. Das liegt vielleicht daran, dass es in der Verhaltensökonomie ein paar Paradigmen gibt, quasi eiserne prozedurale Gesetze, die eingehalten werden und die hoffentlich zu einer leichteren Replizierbarkeit beitragen.

Ich würde sagen, in der Verhaltensökonomie haben wir standardisiertere Paradigmen als in der Psychologie. Wenn ich sozialpsychologische Literatur lese, denke ich manchmal, der eine macht’s so, der andere so - da gibt es feine Unterschiede im Design, im Aufbau eines Experiments, die dann wiederum nicht sauber aufeinanderpassen, was unterschiedliche Ergebnisse, ja vielleicht geringere Replizierbarkeit, erklären könnte.

In der Ökonomie gibt es ein einheitlicheres Verständnis dafür, wie man Kooperation, soziale Präferenzen oder Fairness misst. Natürlich gibt es ein paar Spielvarianten, aber wir haben relativ standardisierte Vorgehensmuster.

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