Hansjörg Messner: Einblicke in das Leben und Wirken eines Psychoanalytikers

Hansjörg Messner ist der Bruder des bekannten Bergsteigers Reinhold Messner.

«Für Reinhold ist Auflehnung ein Stück weit Inhalt», sagte der Psychoanalytiker Hansjörg Messner in dem halbdokumentarischen Film «Messner» über seinen berühmten Bruder und dessen rastlosen Drang nach Herausforderung.

Im Gespräch mit seinem Bruder Reinhold Messner gab Hansjörg Messner Einblicke in dessen Persönlichkeit.

Die Rolle der Familie und des Widerstands

Reinhold Messner selbst sagt über sich: «An Widerständen werden Durchhaltevermögen und Willen trainiert. Man kann den Willen trainieren wie einen Muskel. Und man gewinnt diese Haltung: Früher oder später gelingt es mir doch. Manche nennen es Sturheit. Es ist mir nicht wichtig, wie man es nennt. Ohne die vielen Widerstände wäre ich nicht der geworden, der ich bin.»

Hansjörg hatte eine noch extremere Abnabelung als ich. Er war als junger Mann für zwei Jahre verschwunden. Wir wussten nur, dass er sich irgendwo in Indien oder Nepal aufhielt. Meine Mutter sagte zu mir: «Ich glaube, er ist im Himalaya. Wenn du ihn triffst, bring ihn heim.» Und wissen Sie was?

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Ich habe ihn tatsächlich in Kathmandu zufällig getroffen. Ich sagte ihm: «Mama wartet, sie leidet. Flieg mit heim.»

Nein. Er sagte zu mir: «Gib mir das Geld für den Flug, und ich garantiere, dass ich in drei Monaten daheim sein werde.» Er hielt Wort. Ich und mein ältester Bruder zahlten dann für sein Studium.

Nein, wir haben oft über die Psychoanalyse gesprochen, ich sagte ihm auch, dass ich davon relativ wenig halte. Er teilt meine Meinung nicht (lacht).

Es war eine emotionale Explosion, als mich mein Vater führen und in einer senkrechten Wand vorsteigen liess.

Genau. Bis zu diesem Punkt förderte er meine Leidenschaft. Als ich jedoch ab 16 Jahren immer extremere Touren machte, gar meinen jüngeren Bruder Günther mitnahm, wollte er diese Leidenschaft kappen. Ich aber sagte mir: «Ich lass mich nicht bremsen.»

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Daraus entstand eine lebenslange Gegnerschaft. Mein Vater, der neun Kinder hatte, sorgte sich und fand, alle müssten einen Brotberuf erlernen. Er wollte meine Ausbrüche auch darum verhindern, weil ich als Zweitältester ja Vorbildfunktion hatte. Ausgerechnet dieser Sohn aber wurde zum Anarchen. Mittlerweile verstehe ich ihn. Später kamen ganz andere Widerstände dazu.

Ja, ich wurde nach den Erfolgen als Sonderling, Ehrgeizling oder Verrückter tituliert. Es eskalierte nach der Besteigung am Everest 1980 an einem Fest zu meinen Ehren. Ich war 33-jährig, übermütig und selbstbewusst. Als ein Vorredner sagte, ich hätte das fürs Südtirol getan, widersprach ich: «Ich bin für mich und nicht fürs Land hochgestiegen.» Eine Welle der Antipathie überrollte mich.

Ich halte die Menschheit auch für zu feige dazu. Aber man hat mir zumindest aufgelauert und mich zusammenschlagen wollen. Ich aber konnte davonrennen. Hintergrund war, dass man mich öffentlich als Heimatverräter beschimpfte. Ich wies dann darauf hin, wie sehr das Südtirol ins Nazireich wollte. Das kam nicht gut an, aber man hatte die Heimat fürs Völkische verraten!

Die Aufmüpfigsten wurden die Erfolgreichsten - insgesamt übrigens alles Akademiker.

Diese Frage stelle ich mir nicht, weil ich Himmelsprophezeiungen nicht brauche. Aber sie wären zufrieden, was sie an Ausbildung und Charakter in uns Kinder hineingelegt haben. Und dass wir Kinder zusammenstehen.

Nach jedem Wurf wurde ich kritisiert. Man versuchte, mich in die Diaspora zurück zu drängen, kam immer mit der Moral. Ich würde unverantwortlich handeln. Das hat mich stets wütend gemacht, weil ich vorsichtig vorgehe und versuche, nicht zu viel zu riskieren.

Dass ich Günther 1970 am Nanga Parbat meinem Gipfelehrgeiz geopfert hätte (Günther kam beim Abstieg in einer Lawine um). Ich hätte ihn also willentlich in den Tod geführt. Diese Verschwörungstheorie ist nicht mehr aus der Welt zu bringen! Dabei sind die Beweise zu 100 Prozent unzweideutig. Überhaupt bin ich der Überzeugung: Verschwörungstheorien, gerade im Netz, werden die Welt ziemlich ins Wanken bringen. Wir sehen das zurzeit im Ukraine-Krieg, da wird viel Verwirrung in der Berichterstattung gestiftet. Gelingt es uns Europäern nicht, Putin zurückzudrängen, kommt es zu einer unübersehbaren Auseinandersetzung, gibt es zuletzt den Atomkrieg.

Ich bin kein Linker! Ich bin ein liberal-grüner Denker. Ich war übrigens auch nie in der grünen Partei und durfte im Parlament irgendwann nur noch zu Wirtschaftsfragen reden. Zu grünen Themen hatte ich eine zu pragmatische Haltung.

Ja, sie wurde Teil meiner Persönlichkeit. Wir redeten schon von Widerständen, ich gebe darum zu: Ich habe die Auflehnung vielleicht auch ein wenig gebraucht. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt lebe ich als braver Bürger und bin Erzähler via Bücher, Vorträge, Filme oder meine Museen. Als Alpinist bin ich inzwischen ein Sonntagsspaziergänger. Ich bin völlig zufrieden damit. Ich werde den Teufel tun, mit 80 zu zeigen, dass ich immer noch alles könnte. Was ich noch kann, ist Ideen in die Tat umzusetzen.

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